Bericht und Antrag der Regierung an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein
betreffend das Strafrechtsübereinkommen über Korruption vom 27. Januar 1999 und das Zusatzprotokoll zum Strafrechtsübereinkommen vom 15. Mai 2003
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Das Strafrechtsübereinkommen ist am 1. Juli 2002 in Kraft getreten und bislang von 45 Staaten (darunter die Schweiz und Österreich) ratifiziert und von fünf weiteren Staaten unterzeichnet worden. Das Zusatzprotokoll zum Strafrechtsübereinkommen ist am 1. Februar 2005 in Kraft getreten. 41 Staaten, darunter die Schweiz und Österreich, haben es ratifiziert. Fünf Staaten haben das Zusatzprotokoll unterzeichnet. Liechtenstein hat das Zusatzprotokoll zusammen mit dem Übereinkommen am 17. November 2011 unterzeichnet.
Das Strafrechtsübereinkommen dient dem Schutz der Gesellschaft vor den negativen Auswirkungen der Korruption mit den Mitteln des Strafrechts. Entsprechend der Zielsetzung des Europarats, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte zu schützen, werden die Vertragsparteien zu Mindeststandards bei innerstaatlichen Strafvorschriften über die Korruption verpflichtet. Dabei soll eine grosse Anzahl korrupter Praktiken unter Strafe gestellt werden, darunter die aktive und passive Bestechung in- und ausländischer Amtsträgerinnen und Amtsträger, von Abgeordneten in nationalen oder ausländischen Parlamenten oder von Mitgliedern internationaler parlamentarischer Versammlungen, von Amtsträgerinnen und Amtsträgern internationaler Organisationen oder internationaler Gerichtshöfe sowie im Privatsektor.
Die Staaten sind verpflichtet, wirksame und abschreckende Strafen und Massnahmen einschliesslich Auslieferungshaft vorzusehen. Auch die Verantwortlichkeit von juristischen Personen für zu ihren Gunsten begangene Delikte ist vom Übereinkommen erfasst; ihnen sollen wirksame strafrechtliche oder nicht strafrechtliche Sanktionen einschliesslich Geldbussen drohen. Schliesslich fordert das Übereinkommen eine verstärkte internationale Zusammenarbeit (Amtshilfe, Auslieferung und Übermittlung von Informationen) bei der Untersuchung und Verfolgung von Bestechungsdelikten.
Das Zusatzprotokoll erstreckt die Reichweite des Übereinkommens auf Schiedsrichterinnen und Schiedsrichter, d.h. Personen, die aufgrund einer Schiedsvereinbarung dazu berufen sind, eine rechtlich bindende Entscheidung in einer ihr von den Parteien der Schiedsvereinbarung vorgelegten Streitigkeit zu fällen, sowie auf Schöffen. Damit ergänzt das Zusatzprotokoll die Bestimmungen des Überein-
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kommens, das die Gerichtsbehörden vor Korruption schützen will. Staaten, die das Zusatzprotokoll ratifizieren, müssen die notwendigen Massnahmen ergreifen, um die aktive und passive Bestechung von in- und ausländischen Schiedsrichterinnen und Schiedsrichtern sowie von Schöffen unter Strafe zu stellen.
Der Ratifikation des Übereinkommens und des Zusatzprotokolls stehen keine Bestimmungen aus Verfassung bzw. Gesetzen entgegen. Mit dem Inkrafttreten der Revision des liechtensteinischen Korruptionsstrafrechts (LGBl. 2016 Nr. 161) wurde die innerstaatliche Grundlage für die Umsetzung der beiden Instrumente geschaffen.
Die Ratifikation des Übereinkommens und des Zusatzprotokolls signalisiert die Bereitschaft Liechtensteins, sich an den Bemühungen des Europarats zur Bekämpfung von Korruption zu beteiligen. Ihr kommt daher hohe aussenpolitische Bedeutung zu. Gleichzeitig trägt die Verringerung von Korruption in europäischen Ländern zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für die liechtensteinische Aussenwirtschaft bei.
Zuständige Ministerien
Ministerium für Äusseres, Bildung und Kultur
Ministerium für Inneres, Justiz und Wirtschaft
Betroffene Amtsstellen
Amt für Auswärtige Angelegenheiten
Landespolizei
Staatsanwaltschaft
Gerichte
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Vaduz, 30. August 2016
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Sehr geehrter Herr Landtagspräsident,
Sehr geehrte Frauen und Herren Abgeordnete
Die Regierung gestattet sich, dem Hohen Landtag nachstehenden Bericht und Antrag betreffend das Strafrechtsübereinkommen über Korruption vom 27. Januar 1999 und das Zusatzprotokoll zum Strafrechtsübereinkommen vom 15. Mai 2003 zu unterbreiten.
Korruption verfügt über ein erhebliches Schadenspotenzial. Sie verzerrt den Wettbewerb, behindert die wirtschaftliche Entwicklung und untergräbt das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die staatlichen Institutionen. Die Prävention und Bekämpfung von Korruption haben daher auf internationaler Ebene wie auch in Liechtenstein einen hohen Stellenwert.
Der Kampf gegen Korruption und die dazu notwendigen Massnahmen wurden in jüngerer Zeit auf internationaler Ebene bei der Ausarbeitung des Übereinkommens der Vereinten Nationen gegen die transnationale organisierte Kriminalität (LGBl. 2008 Nr. 72), insbesondere aber bei der Ausarbeitung des Übereinkommens der Vereinten Nationen gegen Korruption (LGBl. 2010 Nr. 194) themati-
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siert. Zu erwähnen ist ferner das OECD-Übereinkommen über die Bekämpfung der Bestechung ausländischer Amtsträger im internationalen Geschäftsverkehr, welches am 15. Februar 1999 in Kraft getreten ist. Dieses Übereinkommen ist allerdings auf Mitglieder der OECD sowie ein paar weitere Länder, die zur Teilnahme eingeladen wurden, beschränkt.
Die Aktivitäten des Europarats zur Korruptionsbekämpfung wurden bereits 1994 durch die 19. Europäische Justizministerkonferenz lanciert. Eine eigens dafür gebildete multidisziplinäre Arbeitsgruppe
1 erstellte in der Folge ein umfassendes Aktionsprogramm gegen die Korruption
2 und wandte sich der Umsetzung dieses Aktionsprogramms zu. Die Arbeiten waren sehr breit angelegt und umfassten u.a. die Schaffung eines Strafrechtsübereinkommens über Korruption, die Ausarbeitung eines europäischen Modellverhaltenskodexes für öffentlich Bedienstete sowie die Errichtung eines Mechanismus für die Überwachung der Umsetzung und Anwendung der Konventionen und der übrigen Instrumente zur Korruptionsbekämpfung des Europarats.
Als erstes Instrument wurden vom Ministerkomitee 20 Leitprinzipien zur Korruptionsbekämpfung verabschiedet
3. Dabei handelt es sich um eher allgemein gehaltene, rechtlich nicht verbindliche Grundsätze, die sich teils an die Gesetzgeber, teils an die Justizbehörden der einzelnen Staaten richten. Anschliessend wurde ein Überwachungsmechanismus ausgearbeitet, welcher vom Ministerkomitee im Mai 1998 verabschiedet wurde
4. Das Statut zur Errichtung einer Kommission zur Korruptionsbekämpfung (Groupe d'Etats contre la Corruption, im -
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Folgenden GRECO) sieht die Schaffung einer Institution vor, welche mittels gegenseitiger Evaluation und Reaktion ihrer Mitglieder die Umsetzung der 20 Leitprinzipien sowie später der Anti-Korruptions-Konventionen des Europarats vorantreiben soll. Zentrale Aufgabe von GRECO bildet die Durchführung von Länderprüfungen, die sich wesentlich am Muster der Geldwäschereibekämpfungs-Arbeitsgruppe Financial Action Task Force on Money Laundering (FATF) sowie des Expertenausschusses des Europarats zur Evaluierung von Massnahmen gegen die Geldwäsche (MONEYVAL) orientiert. GRECO umfasst derzeit 48 europäische Staaten und die USA. Liechtenstein ist GRECO am 1. Januar 2010 als 47. Mitglied beigetreten
5. Der Beitritt erfolgte aus standortpolitischen Gründen durch eine Annahme des erweiterten Teilabkommens, das die Basis für die Errichtung von GRECO bildet. Die Ratifikation des vorliegenden Übereinkommens führt automatisch zur Mitgliedschaft in GRECO, sofern diese nicht bereits besteht.
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1 | Groupe multidisciplinaire sur la Corruption (GMC) |
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2 | Programme d'action contre la corruption, Strassburg 1996 |
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3 | Resolution (97) 24 vom 6. November 1997; vgl. auch Ziff. III.2 des vom zweiten Gipfel der Staats- und Regierungschefs des Europarats am 11. Oktober 1997 verabschiedeten Aktionsplans |
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4 | Resolution (98) 7 des Ministerkomitees des Europarats betreffend Statut zur Errichtung einer Kommission zur Korruptionsbekämpfung |
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5 | Weitere Mitglieder von GRECO sind: Albanien, Andorra, Armenien, Aserbaidschan, Belgien, Bosnien-Herzegowina, Bulgarien, Deutschland, Dänemark, Estland, Finnland, Frankreich, Georgien, Griechenland, Grossbritannien, Kroatien, Island, Irland, Italien, Lettland, Litauen, Luxemburg, Malta, Mazedonien, Moldau, Monaco, Montenegro, Niederlande, Norwegen, Österreich, Polen, Portugal, Rumänien, Russland, San Marino, Serbien, Slowakei, Slowenien, Spanien, Schweden, Schweiz, Tschechien, Türkei, Ukraine, Ungarn, Weissrussland und Zypern |
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