Bericht und Antrag der Regierung an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein
betreffend das Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 15. November 2000 gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität
das Zusatzprotokoll vom 15. November 2000 zur Verhütung, Bekämpfung und Bestrafung des Menschenhandels, insbesondere des Handels mit Frauen und Kindern, und das Zusatzprotokoll vom 15. November 2000 gegen die Schlepperei von Migranten auf dem Land-, See- und Luftweg
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Die organisierte Kriminalität zeigt zunehmend internationale Auswirkungen und hat sich zu einer der grossen Herausforderungen für die internationale Politik entwickelt. Bis vor wenigen Jahren gab es noch kein weltweites Instrument, das spezifische Massnahmen zur Bekämpfung der grenzüberschreitenden organisierten Kriminalität zum Gegenstand hatte. Diese Lücke wird durch das so genannte Palermo-Übereinkommen geschlossen. Das Übereinkommen verfolgt das Ziel, die internationale Zusammenarbeit zu verstärken, um die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität zu verhindern und effizienter zu bekämpfen. Es vermindert die Unterschiede unter den nationalen Rechtssystemen und setzt Standards für das innerstaatliche Recht. Durch eine verbesserte und intensivere Zusammenarbeit können die Staaten die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität effektiver bekämpfen. Zur Erreichung dieses Ziels verpflichten sich die Vertragsparteien insbesondere dazu, die Beteiligung an einer kriminellen Organisation unter Strafe zu stellen, die vorsätzliche Geldwäscherei strafbar zu erklären, die Strafbarerklärung der vorsätzlichen aktiven und passiven Korruption ausländischer Amtsträger zu prüfen, juristische Personen strafrechtlich, zivilrechtlich oder administrativ zu belangen, die Einziehung von deliktisch erlangten Vermögenswerten sicherzustellen, die Zusammenarbeit auf internationaler Ebene in diesen Bereichen zu verbessern und sich um Präventionsmassnahmen zu bemühen.
Das Übereinkommen wird durch die Zusatzprotokolle betreffend Menschenhandel, Menschenschmuggel und Feuerwaffen ergänzt. Liechtenstein hat die ersten beiden Protokolle unterzeichnet. Das Feuerwaffen-Protokoll hat einen engen Bezug zum aufgrund des Zollvertrags anwendbaren schweizerischen Recht. Das weitere Vorgehen in Bezug auf dieses Protokoll wird daher massgeblich von der Haltung der Schweiz beeinflusst, welche das Protokoll bisher nicht unterzeichnet hat.
Das
Zusatzprotokoll gegen den Menschenhandel befasst sich mit dem Kampf gegen den Handel mit Menschen zum Zwecke ihrer Ausbeutung, wobei Frauen und Kindern besondere Aufmerksamkeit geschenkt wird. Die Ausbeutung kann sexueller oder anderer Art sein (Arbeitsleistung, Entnahme von Organen). Strafbarkeit des Handels, Prävention, Opferschutz und Zusammenarbeit unter den Vertragsparteien sind die wichtigsten Inhalte dieses Protokolls. Es findet Anwen
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dung auf Delikte grenzüberschreitender Natur, an welchen eine organisierte kriminelle Gruppe mitwirkt.
Das Zusatzprotokoll gegen den Menschenschmuggel enthält die Verpflichtung, den illegalen und ausbeuterischen grenzüberschreitenden Schmuggel von Migrantinnen und Migranten und die Herstellung oder Beschaffung von gefälschten Dokumenten zu diesem Zweck unter Strafe zu stellen. Zudem sind Massnahmen auf den Gebieten des Informationsaustauschs, der Grenz- und Dokumentensicherheit, der Prävention, der Aus- und Weiterbildung sowie der technischen Kooperation zu treffen. Die Staaten verpflichten sich ferner, Opferschutz zu gewähren sowie ihre eigenen Staatsangehörigen und Angehörige von Drittstaaten mit einem Anwesenheitsrecht auf ihr Territorium zurückzunehmen.
Nach der Revision des Strafgesetzbuches vom Mai 2007 genügt das liechtensteinische Recht mit der strafrechtlichen Neudefinition der kriminellen Vereinigung und des Menschenhandels sowie der Erweiterung des Geldwäschereitatbestandes um die vom Übereinkommen verlangten Vortaten (als Teil der Umsetzung der revidierten 40 Empfehlungen der FATF), der Teilrevision der Strafprozessordnung vom September 2004 zum Zweck des verbesserten Opferschutzes und des inzwischen verabschiedeten Opferhilfegesetzes den Ansprüchen des Übereinkommens gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität und den beiden Zusatzprotokollen. Darüber hinaus erfüllt das liechtensteinische Recht bereits heute verschiedene Anforderungen, welche das Übereinkommen als fakultative Weiterentwicklung der innerstaatlichen Gesetzgebung postuliert.
Die Ratifikation des Übereinkommens und der beiden Zusatzprotokolle erfordert keine weiter gehenden rechtlichen Anpassungen. Sie hat keine direkten finanziellen und keine bedeutenden personellen Auswirkungen.
Liechtenstein kann mit der Ratifikation des Übereinkommens und der beiden Zusatzprotokolle einen wichtigen Beitrag zur wirksameren Bekämpfung des organisierten Verbrechens auf internationaler Ebene leisten. Ausserdem liegt es im Interesse Liechtensteins, dass die geltenden Standards - so insbesondere bei der Bekämpfung der Geldwäscherei - auch von anderen Staaten respektiert werden, dies insbesondere auch mit Blick auf die Gleichheit der Wettbewerbsbedingungen.
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Zuständige Ressorts
Ressort Äusseres; Ressort Justiz
BETROFFENE AMTSSTELLEN UND INSTITUTIONEN
Amt für Auswärtige Angelegenheiten, Gerichte, Staatsanwaltschaft, Landespolizei
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Vaduz, 30. Oktober 2007
P
Sehr geehrter Herr Landtagspräsident
Sehr geehrte Frauen und Herren Abgeordnete
Die Regierung gestattet sich, dem Hohen Landtag nachstehenden Bericht und Antrag betreffend das Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 15. November 2000 gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität, das Zusatzprotokoll vom 15. November 2000 zur Verhütung, Bekämpfung und Bestrafung des Menschenhandels, insbesondere des Handels mit Frauen und Kindern, und das Zusatzprotokoll vom 15. November 2000 gegen die Schlepperei von Migranten auf dem Land-, See- und Luftweg zu unterbreiten.
Angesichts hoher Mobilität, moderner Kommunikationsmittel, wirtschaftlicher Anreize und globaler Nachfrageeffekte hat die organisierte Kriminalität die innerstaatliche Dimension überschritten und zeigt zunehmend transnationale Auswirkungen. Die heutige Kriminalitätsentwicklung reflektiert den internationalen Umbruch, der sich aus dem Ende des Ost-West-Konflikts mit dem Zusammenbruch
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von Rechtsordnungen in osteuropäischen, aber auch zentralasiatischen und afrikanischen Ländern ergab. Dieser Umbruch hängt aber auch mit dem beschleunigten Globalisierungsprozess zusammen. Die besondere Gefahr der grenzüberschreitenden organisierten Kriminalität liegt im Versuch, Regierungen zu unterwandern, zu kontrollieren und zu korrumpieren. Die andere bedeutende politische Dimension der transnationalen organisierten Kriminalität liegt in ihrer Rolle als Zwischenhändlerin und Lieferantin von Waffen für private Gewaltakteure und Terrorgruppen.
Das Ausmass organisierter Kriminalität ist sehr umstritten. Der Grund dafür liegt in der Schwierigkeit, wegen der Illegalität der Aktivitäten und der Abschottung der Gruppierungen zuverlässige quantitative Angaben über die organisierte Kriminalität zu erheben. Diese nützt besondere Gewinnmöglichkeiten aus und verstösst gegen staatliche Regulierung und Einschränkung bei bestimmten Geschäftsaktivitäten. Dabei ist sie vor allem in folgenden Geschäftsfeldern aktiv: Drogenproduktion und -handel, Menschenhandel und -schmuggel, Waffenhandel, Kunsthandel, Zigarettenschmuggel, Fälschungen und Finanzbetrug. Ein weiterer zentraler Bereich der grenzüberschreitenden organisierten Kriminalität ist die Geldwäscherei. Nach konservativen Schätzungen werden pro Jahr rund 500-1000 Mrd. US-Dollar gewaschen
1. Deshalb besteht die Notwendigkeit zu verstärkter Zusammenarbeit der Staatengemeinschaft, um die Internationalisierung des Verbrechens zu bekämpfen.
Die Staatengemeinschaft hat die grosse Zunahme der internationalen organisierten Kriminalität zur Kenntnis genommen und erkannt, dass es notwendig ist, gemeinsam dagegen vorzugehen und auf regionaler und internationaler Ebene zusammenzuarbeiten.
Die Vereinten Nationen hatten die Wichtigkeit der Prävention der Kriminalität schon in den ersten Jahren seit ihrer Gründung erkannt und 1948 ein erstes Büro
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zur Bekämpfung der internationalen Kriminalität eröffnet. Heute ist das Zentrum für Prävention der internationalen Kriminalität der UNO verantwortlich für die Kriminalitätsverhütung, die Umsetzung der Strafjustiz und Reformen im Bereich des Strafrechts. Besondere Aufmerksamkeit schenkt die UNO der organisierten Kriminalität, der Korruption und dem Menschenhandel. Das Zentrum ist in das Büro der Vereinten Nationen für Drogenkontrolle und Verhütung der Kriminalität (UNODC) in Wien integriert. Es hat ein Programm zur Unterstützung der Mitgliedsstaaten im Kampf gegen die organisierte Kriminalität erarbeitet.
Das Übereinkommen gegen die transnationale organisierte Kriminalität und seine Zusatzprotokolle sind das Resultat der Bemühungen der UNO zur Eindämmung der organisierten Kriminalität über die nationalen Grenzen hinaus. Das Übereinkommen will diese Form der Kriminalität, deren Aktivitäten namentlich in der Geldwäscherei, der Korruption, im Drogenhandel, im Waffenhandel und im Menschenhandel liegen, global und effizienter bekämpfen. Es gewährleistet einen Mindeststandard in den Vertragsstaaten, die sich im Besonderen dazu verpflichten, auf internationaler Ebene zusammenzuarbeiten und Massnahmen zur Bekämpfung der internationalen Kriminalität zu ergreifen.
Das Übereinkommen mit seinen Zusatzprotokollen stellt das erste internationale umfassende Instrument in diesem Bereich dar, und zwar sowohl weltweit als auch regional. Die Bekämpfung gewisser Delikte ist bereits Gegenstand von mehreren internationalen Übereinkommen, z.B. des Übereinkommens vom 9. Dezember 1999 zur Bekämpfung der Finanzierung des Terrorismus (LGBl. 2003 Nr. 170), des Übereinkommens vom 20. Dezember 1988 gegen den unerlaubten Verkehr mit Betäubungsmitteln und psychotropen Stoffen (LGBl. 2007 Nr. 64) sowie des Übereinkommens zur Bekämpfung der Korruption vom 9. Dezember 2003 (unterzeichnet). Daneben gibt es eine ganze Reihe von Europaratsübereinkommen im Bereich der Rechtshilfe und Auslieferung, der Geldwäscherei, der Internetkriminalität und der Korruptionsbekämpfung, welche Liechtenstein zum Teil ratifiziert hat bzw. deren Ratifikation sich zum Teil in Vorbereitung befindet.
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Die UNO-Generalversammlung setzte mit Resolution 53/111 vom 9. Dezember 1998 einen zwischenstaatlichen ad hoc-Ausschuss für die Ausarbeitung eines internationalen Übereinkommens gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität (im Folgenden: Übereinkommen) und dreier Zusatzprotokolle gegen Menschenhandel
2, Menschenschmuggel
3 und Feuerwaffen
4 ein. Der ad hoc-Ausschuss stand allen Mitgliedstaaten der UNO und den Sonderorganisationen offen. Polen unterbreitete einen ersten Entwurf für ein solches Übereinkommen und hielt im Februar 1998 in Warschau ein erstes Expertentreffen ab. Argentinien lud Ende August 1998 zu einem informellen Vorbereitungstreffen in Buenos Aires ein. Der konsolidierte Textentwurf diente als Basis für die Arbeit des ad hoc-Ausschusses.
Zwischen dem 19. Januar 1999 und dem 27. Oktober 2000 fanden elf ordentliche Sitzungen des ad hoc-Ausschusses in Wien statt. An den Verhandlungen waren durchschnittlich zwischen 100 und 120 Delegationen sowie zahlreiche andere Beobachter, die nichtstaatliche und zwischenstaatliche Organisationen repräsentierten, vertreten.
Liechtenstein beteiligte sich an der Ausarbeitung des Übereinkommens in Wien und nahm insbesondere an den letzten beiden Verhandlungsrunden teil, da sich die durch das Übereinkommen verfolgten Ziele mit den Interessen Liechtensteins decken. Die liechtensteinische Delegation setzte sich gemeinsam mit anderen europäischen Ländern für eine weit reichende Strafbarkeit der kriminellen Organisation und der damit zusammenhängenden Geldwäscherei sowie für eine intensive Zusammenarbeit unter den Vertragsparteien ein. Die verabschiedete Formulierung
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des Übereinkommens ist ein Kompromiss zwischen verschiedenen Ansätzen, die während der Verhandlungen präsentiert wurden.
Die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität stellt eine Bedrohung für die internationale Staatengemeinschaft und damit auch für Liechtenstein dar. Wenn auch keine Durchdringung Liechtensteins durch organisierte Kriminalität feststellbar ist, bleibt doch das Risiko bestehen, dass kriminelle Organisationen auch Finanzplätze mit hohen Abwehrstandards wie Liechtenstein missbrauchen. Deshalb sind die Bekämpfung der grenzüberschreitenden organisierten Kriminalität mit ihren Begleiterscheinungen und die entsprechende Prävention bedeutend. Liechtenstein kann mit der Ratifikation des Übereinkommens einen wichtigen Beitrag zur wirksameren Bekämpfung des organisierten Verbrechens auf internationaler Ebene leisten. Ausserdem liegt es im Interesse Liechtensteins, dass die geltenden Standards - so insbesondere bei der Bekämpfung der Geldwäscherei - auch von anderen Staaten respektiert werden, dies insbesondere auch mit Blick auf die Wettbewerbsgleichheit.
Die Zusatzprotokolle gegen den Menschenhandel und den Menschenschmuggel betreffen das weitere Umfeld der Verbrechensbekämpfung (siehe dazu die Kapitel 2 und 3). Liechtenstein beweist mit der Ratifikation der beiden Zusatzprotokolle seine internationale Solidarität im Kampf gegen Menschenhandel und Schlepperorganisationen. Liechtenstein kann somit die Vertiefung der internationalen Zusammenarbeit und die Harmonisierung des Rechts in diesem Bereich unterstützen.
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1 | Quellen: UNODC (http://www.unodc.org/unodc/money_laundering.html), IWF/Weltbank (www.worldbank.org). |
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2 | Protokoll zur Verhütung, Bekämpfung und Bestrafung des Menschenhandels, insbesondere des Frauen- und Kinderhandels, in Ergänzung des Übereinkommens der Vereinten Nationen gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität. Im Folgenden: Protokoll gegen den Menschenhandel. |
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3 | Protokoll gegen den Schmuggel von Migrantinnen und Migranten auf dem Land-, See- und Luftweg, in Ergänzung des Übereinkommens der Vereinten Nationen gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität. Im Folgenden: Protokoll gegen den Menschenschmuggel. |
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4 | Protokoll gegen die unerlaubte Herstellung von Schusswaffen, deren Teilen, Komponenten und Munition sowie gegen den unerlaubten Handel damit, in Ergänzung des Übereinkommens der Vereinten Nationen gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität (Feuerwaffen-Protokoll). |
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