Bericht und Antrag der Regierung an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein
betreffend die Abänderung des Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches und des Ausserstreitgesetzes
(Reform Erbrecht)
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Die letzte Anpassung des liechtensteinischen Erbrechts erfolgte im Jahr 2012. In Österreich wurde das Erbrecht, das als Rezeptionsvorlage für das nationale Recht dient, im Jahr 2015 grundlegend überarbeitet und modernisiert. Auch in der Schweiz ist am 1. Januar 2023 ein revidiertes Erbrecht in Kraft getreten.
Eine Modernisierung ist auch im liechtensteinischen Erbrecht angezeigt. So wird das Erbrecht flexibler als bisher ausgestaltet, indem Erblasserinnen und Erblasser künftig über einen grösseren Teil ihres Nachlasses frei verfügen können. Aus diesem Grund wird das Pflichtteilsrecht der Vorfahren aufgehoben.
Eine weitere wesentliche Änderung stellen die Regelungen zur Abgeltung von Pflegeleistungen dar. Neu können gewisse Pflegeleistungen im Rahmen des Verlassenschaftsverfahrens geltend gemacht werden.
Zudem gelten Testamente zu Gunsten der früheren Ehegattin oder des früheren Ehegatten bzw. der früheren eingetragenen Partnerin oder des früheren eingetragenen Partners bei Auflösung der Ehe oder eingetragenen Partnerschaft neu als aufgehoben. Dasselbe gilt während eines hängigen Scheidungsverfahrens oder einer hängigen Auflösung einer eingetragenen Partnerschaft.
Daneben werden weitere Anpassungen im Nachvollzug der österreichischen Rezeptionsvorlage vorgenommen, wie die Anpassung der Erbunwürdigkeitsgründe und der Enterbungsgründe.
Ferner werden die Verjährungsfristen angepasst. Alle Ansprüche aus dem Erbrecht unterstehen einer relativen Verjährungsfrist von drei Jahren und einer absoluten Verjährungsfrist von 30 Jahren.
Schliesslich werden überholte Begriffe und Bestimmungen angepasst oder mangels Anwendungsbereichs aufgehoben.
Zuständiges Ministerium
Ministerium für Infrastruktur und Justiz
Betroffene Stellen
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Vaduz, 31. Oktober 2023
LNR 2023-1644
P
Sehr geehrter Herr Landtagspräsident,
Sehr geehrte Frauen und Herren Abgeordnete
Die Regierung gestattet sich, dem Hohen Landtag nachstehenden Bericht und Antrag betreffend die Abänderung des Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches und des Ausserstreitgesetzes zu unterbreiten.
Das liechtensteinische Erbrecht wurde aus Österreich rezipiert. Seit der letzten Anpassung des liechtensteinischen Erbrechts mit der Reform 2012 hat es keine grösseren Anpassungen in diesem Rechtsgebiet gegeben. Beim Erbrecht handelt es sich grundsätzlich um kein sehr volatiles Rechtsgebiet. Die bestehenden Bestimmungen entsprechen allerdings nicht mehr den gesellschaftlichen Entwicklungen und sind sprachlich nicht mehr auf dem neuesten Stand.
In Österreich wurden im Rahmen einer grundlegenden Reform des Erbrechts im Jahr 2015
1 diverse Anpassungen vorgenommen. Seit dieser österreichischen -
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Reform besteht ein gewisses Rechtsgefälle zwischen der liechtensteinischen und der österreichischen Rechtsordnung.
Da sich im Hinblick auf Rechtsprechung und Literatur, insbesondere aber auch auf eine modernere materielle Ausgestaltung, weiterhin eine enge Anlehnung an die in Österreich bestehende Rechtslage empfiehlt, werden mit der gegenständlichen Vorlage entsprechende Anpassungen vorgesehen.
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1 | BGBl. I Nr. 87/2015, Erbrechts-Änderungsgesetz 2015 (ErbRÄG 2015). |
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