Bericht und Antrag der Regierung an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein
betreffend die Beschlüsse Nr. 301/2021 und Nr. 383/2021 des Gemeinsamen EWR-Ausschusses
Verordnung (EU) 2019/876 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2019 zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 in Bezug auf die Verschuldungsquote, die strukturelle Liquiditätsquote, Anforderungen an Eigenmittel und berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten, das Gegenparteiausfallrisiko, das Marktrisiko, Risikopositionen gegenüber zentralen Gegenparteien, Risikopositionen gegenüber Organismen für gemeinsame Anlagen, Grosskredite, Melde- und Offenlegungspflichten ("CRR II")
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Mit Beschluss Nr. 301/2021 des Gemeinsamen EWR-Ausschusses vom 29. Oktober 2021 wurde die Verordnung (EU) 2019/876
1 (CRR II) in das EWR-Abkommen übernommen. Mit Beschluss Nr. 383/2021 des Gemeinsamen EWR-Ausschusses vom 10. Dezember 2021 wurde die Richtlinie (EU) 2019/878
2 (CRD V) in das EWR-Abkommen übernommen.
Die CRD IV
3 und die CRR
4 bilden den derzeitigen Rechtsrahmen für Aufsichtsanforderungen an Banken und Wertpapierfirmen innerhalb des EWR. Bei der CRD V und der CRR II handelt es sich um eine grundlegende Überarbeitung dieses Rechtsrahmens, der als Reaktion auf die Finanzmarktkrise im Jahr 2008 erlassen wurde. Trotz ihrer umfangreichen Regelungen und der dadurch erreichten Steigerung der Widerstandsfähigkeit von Banken und Wertpapierfirmen zeigte sich, dass einige Schwachstellen noch nicht ausreichend behoben wurden oder aber durch die Entwicklungen der letzten Jahre neu hervorgekommen sind. Bis zum Erlass der CRD IV und der CRR war ausserdem die Standardsetzung durch den Basler Ausschuss und den Rat für Finanzstabilität (FSB) für bestimmte festgestellte Probleme noch nicht abgeschlossen; in der Zwischenzeit wurden entsprechende Reformvorschläge ausgearbeitet. Auch haben sich einzelne Regelungen der CRR und der CRD IV als zu unbestimmt herausgestellt, sodass eine Präzisierung notwendig war. Die Stärkung des Fokus auf die gemeinsame Bekämpfung von Geldwäscherei und Terrorismusfinanzierung und die ersten praktischen Erfahrungen mit dem Abwicklungsregime -
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für Banken auf der Ebene der Europäischen Union (EU) riefen schliesslich ebenfalls nach Anpassungen, um das Zusammenspiel zwischen der 5. Geldwäsche-Richtlinie
5, der BRRD
6 und der CRD IV zu optimieren. Die CRR II und die CRD V bilden zusammen mit der BRRD II
7 das sog. "Europäische Bankenpaket".
Die CRD V besteht zum einen aus einer Überarbeitung der CRD IV. In diesem Zusammenhang sind etwa die Anpassungen des Kapitalpufferregimes, insbesondere des Systemrisikopuffers, die Berücksichtigung des Proportionalitätsgedankens im Bereich der Vergütung sowie der weitere Ausbau des behördlichen Informationsaustausches besonders erwähnenswert. Zum anderen bringt die CRD V auch Neuerungen. So wird etwa die Rolle von Finanzholdinggesellschaften gestärkt. Einerseits wird eine Bewilligungspflicht für (gemischte) Finanzholdinggesellschaften eingeführt, andererseits wird die Verantwortlichkeit für die Aufsicht auf konsolidierter Basis auf die Stufe der Finanzholdinggesellschaft gehoben. Dazu werden die zuständigen Behörden neben einer verbindlichen zusätzlichen Säule-2-Anforderung zukünftig auch Empfehlungen für zusätzliche Eigenmittel vorschreiben, um sicherzustellen, dass Banken und Wertpapierfirmen ausreichend gegen Stressszenarien gewappnet sind.
Die CRR II spiegelt die Änderungen/Neuerungen des Basel III-Rahmenwerks in den Bereichen Marktrisiko, Verschuldungsquote, Net Stable Funding Ratio (NSFR), Gegenparteiausfallrisiko, Offenlegung und Grosskredite wider. Durch die CRR II wird das bankenaufsichtsrechtliche Regime innerhalb des EWR an die Weiterentwicklungen der Empfehlungen des Basler Ausschusses in diesen Bereichen angepasst.
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Liechtenstein ist zur Übernahme der CRD V und der CRR II aufgrund seiner EWR-Mitgliedschaft verpflichtet. Die CRD V wird durch eine Abänderung des Bankengesetzes (BankG) umgesetzt. Diese Umsetzungsmassnahmen wurden vom Landtag bereits im Dezember 2021 in erster Lesung behandelt: Bericht und Antrag Nr. 89/2021 betreffend die Abänderung des Bankengesetzes (BankG) sowie weiterer Gesetze. Die Stellungnahme soll im März 2022 vom Landtag verabschiedet werden, vorgesehen ist ein Inkrafttreten am 1. Mai 2022.
Die CRR II wird grundsätzlich mit Inkrafttreten des Beschlusses Nr. 301/2021 des Gemeinsamen EWR-Ausschusses vom 29. Oktober 2021 betreffend die Übernahme der Verordnung (EU) 2019/876 unmittelbar anwendbar. Aufgrund der übergeordneten Relevanz für den Finanzplatz sollen die CRR II und die CRD V jedoch mit 1. Mai 2022 vorabumgesetzt werden.
Der Beschluss Nr. 301/2021 des Gemeinsamen EWR-Ausschusses vom 29. Oktober 2021 und der Beschluss Nr. 383/2021 des Gemeinsamen EWR-Ausschusses vom 10. Dezember 2021 bedürfen zur Gültigkeit der Zustimmung des Landtages, da es sich hierbei um einen Staatsvertrag handelt, durch welchen Verpflichtungen im Sinne von Art. 8 Abs. 2 der Landesverfassung eingegangen werden.
Zuständiges Ministerium
Ministerium für Präsidiales und Finanzen
Betroffene Stellen
Finanzmarktaufsicht Liechtenstein, FMA
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Vaduz, 8. Februar 2022
LNR 2022-144
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Sehr geehrter Herr Landtagspräsident,
Sehr geehrte Frauen und Herren Abgeordnete
Die Regierung gestattet sich, dem Hohen Landtag nachstehenden Bericht und Antrag zu den Beschlüssen Nr. 301/2021 des Gemeinsamen EWR-Ausschusses vom 29. Oktober 2021 und Nr. 383/2021 des Gemeinsamen EWR-Ausschusses vom 10. Dezember 2021 an den Landtag zu unterbreiten.
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1 | Verordnung (EU) 2019/876 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2019 zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 in Bezug auf die Verschuldungsquote, die strukturelle Liquiditätsquote, Anforderungen an Eigenmittel und berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten, das Gegenparteiausfallrisiko, das Marktrisiko, Risikopositionen gegenüber zentralen Gegenparteien, Risikopositionen gegenüber Organismen für gemeinsame Anlagen, Großkredite, Melde- und Offenlegungspflichten und der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 (ABl. L 150 vom 7.6.2019, S. 1). |
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2 | Richtlinie (EU) 2019/878 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2019 zur Änderung der Richtlinie 2013/36/EU im Hinblick auf von der Anwendung ausgenommene Unternehmen, Finanzholdinggesellschaften, gemischte Finanzholdinggesellschaften, Vergütung, Aufsichtsmaßnahmen und -befugnisse und Kapitalerhaltungsmaßnahmen (ABl. L 150 vom 7.6.2019, S. 253). |
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3 | Richtlinie 2013/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über den Zugang zur Tätigkeit von Kreditinstituten und die Beaufsichtigung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen, zur Änderung der Richtlinie 2002/87/EG und zur Aufhebung der Richtlinien 2006/48/EG und 2006/49/EG (ABl. L 176 vom 27.6.2013, S. 338). |
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4 | Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 646/2012 (ABl. L 176 vom 27.6.2013, S. 1). |
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5 | Richtlinie (EU) 2018/843 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2018 zur Änderung der Richtlinie (EU) 2015/849 zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung und zur Änderung der Richtlinien 2009/138/EG und 2013/36/EU (ABl. L 156 vom 19.6.2018, S. 43). |
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6 | Richtlinie 2014/59/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 zur Festlegung eines Rahmens für die Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Richtlinie 82/891/EWG des Rates, der Richtlinien 2001/24/EG, 2002/47/EG, 2004/25/EG, 2005/56/EG, 2007/36/EG, 2011/35/EU, 2012/30/EU und 2013/36/EU sowie der Verordnungen (EU) Nr. 1093/2010 und (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. L 173 vom 12.6.2014, S. 190). |
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7 | Richtlinie (EU) 2019/879 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2019 zur Änderung der Richtlinie 2014/59/EU in Bezug auf die Verlustabsorptions- und Rekapitalisierungskapazität von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen und der Richtlinie 98/26/EG (ABl. L 150 vom 7.6.2019, S. 296). |
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Mit Beschluss Nr. 301/2021 des Gemeinsamen EWR-Ausschusses vom 29. Oktober 2021 wurde die Verordnung (EU) 2019/876 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2019 zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 in Bezug auf die Verschuldungsquote, die strukturelle Liquiditätsquote, Anforderungen an Eigenmittel und berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten, das Gegenparteiausfallrisiko, das Marktrisiko, Risikopositionen gegenüber zentralen Gegenparteien, Risikopositionen gegenüber Organismen für gemeinsame Anlagen, Grosskredite, Melde- und Offenlegungspflichten und der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 (CRR II) in das EWR-Abkommen übernommen.
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Mit Beschluss Nr. 383/2021 des Gemeinsamen EWR-Ausschusses vom 10. Dezember 2021 wurde die Richtlinie (EU) 2019/878 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2019 zur Änderung der Richtlinie 2013/36/EU im Hinblick auf von der Anwendung ausgenommene Unternehmen, Finanzholdinggesellschaften, gemischte Finanzholdinggesellschaften, Vergütung, Aufsichtsmassnahmen und -befugnisse und Kapitalerhaltungsmassnahmen (CRD V) in das EWR-Abkommen übernommen.
Die CRD V war in der EU bis zum 28. Juni 2021 vollständig umzusetzen. Für die EWR/EFTA-Staaten gilt das Inkrafttreten des EWR-Übernahmebeschlusses als Umsetzungsfrist für die CRD V. Die CRR II trat in der EU am 27. Juni 2021 in Kraft. In den EWR/EFTA-Staaten wird die Verordnung nach ihrer Übernahme ins EWR-Abkommen unmittelbar anwendbar.
Aufgrund der hervorgehobenen Bedeutung für den Finanzplatz Liechtenstein sollen die CRD V und die CRR II mit 1. Mai 2022 vorabumgesetzt werden. Folglich waren die CRD V und die CRR II bereits im Dezember 2021 Gegenstand von Beratungen im Landtag: Bericht und Antrag Nr. 89/2021 betreffend die Abänderung des Bankengesetzes (BankG) sowie die Abänderung weiterer Gesetze. Die Stellungnahme der Regierung an den Landtag zu den anlässlich der ersten Lesung aufgeworfenen Fragen soll im März 2022 vom Landtag verabschiedet werden.
Das Inkrafttreten der Beschlüsse Nr. 301/2021 und Nr. 383/2021 erfordert den Abschluss der Zustimmungsverfahren durch die nationalen Gesetzgeber in Island, Norwegen und Liechtenstein.
Der vorliegende Bericht und Antrag und dessen Behandlung im Landtag dienen dazu, die Zustimmung des Landtags einzuholen.