Berichte und Anträge
Regierungskanzlei (RK)
BuA - Nummer
2015 / 130
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Ein­lei­tung
I.Bericht der Regierung
1.Aus­gangs­lage
2.Not­wen­dig­keit des Übereinkommens
3.Schwer­punkte des Übereinkommens
4.Erläu­te­rungen zu den ein­zelnen Bestimmungen
5.Ver­fas­sungs­mäs­sig­keit / Rechtliches
6.Per­so­nelle, finan­zi­elle, orga­ni­sa­to­ri­sche und räum­liche Auswirkungen
II.Antrag der Regierung
Grüner Teil
 
Bericht und Antrag der Regierung an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein
betreffend das Übereinkommen des Europarats vom 16. Mai 2005  zur Bekämpfung des Menschenhandels
 
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Mit dem vorliegenden Bericht und Antrag unterbreitet die Regierung dem Landtag das Übereinkommen des Europarats vom 16. Mai 2005 zur Bekämpfung des Menschenhandels.
Das Übereinkommen schafft einen europaweit einheitlichen Rahmen zur Prävention und Bestrafung von Menschenhandel in all seinen Formen (sexuelle Ausbeutung, Zwangsarbeit, Organhandel). Bislang haben fast alle Mitgliedstaaten des Europarats dieses Übereinkommen ratifiziert. Schwerpunkte der Vorlage sind die Bestrafung und Prävention von Menschenhandel, verstärkter Opferschutz sowie die Stärkung der zwischenstaatlichen Zusammenarbeit. Zudem ist ein Überwachungsmechanismus zur Umsetzung vorgesehen, der durch die Expertengruppe für die Bekämpfung des Menschenhandels (GRETA) wahrgenommen wird.
Die Ratifikation des Übereinkommens gliedert sich in das liechtensteinische Bestreben der Verbesserung des Schutzes der Menschenrechte ein. Das Abkommen geht über die Bestimmungen des UNO-Zusatzprotokolls zur Verhütung, Bekämpfung und Bestrafung des Menschenhandels, insbesondere des Handels mit Frauen und Kindern, zum Übereinkommen gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität (Palermo-Konvention) hinaus, das Liechtenstein 2008 ratifiziert hat.
Liechtenstein ist nach aktuellen Erkenntnissen kein Transit- oder Zielland für Menschenhandel, bisher ist es zu keiner Verurteilung gekommen. Dennoch gilt es, durch die Ratifikation des Europaratsübereinkommens insbesondere in Zeiten wachsender Migrationsströme ein klares Zeichen zur Stärkung der Menschenrechte und zur Bekämpfung des Menschenhandels zu setzen.
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Zuständiges ministerium
Ministerium für Äusseres, Bildung und Kultur
Betroffene Amtsstellen
Amt für Auswärtige Angelegenheiten
Amt für Soziale Dienste
Amt für Volkswirtschaft
Ausländer- und Passamt
Landespolizei
Opferhilfestelle
Staatsanwaltschaft
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Vaduz, 3. November 2015
P
Sehr geehrter Herr Landtagspräsident,
Sehr geehrte Frauen und Herren Abgeordnete
Die Regierung gestattet sich, dem Hohen Landtag nachstehenden Bericht und Antrag betreffend das Übereinkommen des Europarats vom 16. Mai 2005 zur Bekämpfung des Menschenhandels zu unterbreiten.
1.Ausgangslage
Unter Menschenhandel versteht man die Anwerbung, Vermittlung oder das Anbieten von Menschen zur sexuellen Ausbeutung oder für andere Arten der Zwangsarbeit sowie zur Entnahme von Organen. Die Opfer werden meist durch falsche Versprechungen, Drohungen oder Gewalt in einen anderen Staat gebracht, wo sie ausgebeutet werden. Menschenhandel ist ein globales Phänomen, zu dem es keine verlässlichen Angaben zu Opferzahlen gibt. Die EU geht davon aus, dass in ihren Mitgliedsstaaten ungefähr 880 000 Menschen als Zwangsarbeiter beschäftigt sind, wovon geschätzte 270 000 Opfer sexueller Ausbeutung sind.1 Opfer von Menschenhandel sind gemäss einem aktuellen Bericht des UNO--
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Büros für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC) global betrachtet überwiegend Frauen und Mädchen (70 Prozent), schätzungsweise 33 Prozent der Betroffenen sind Kinder. 53 Prozent der vom UNODC erfassten Fälle von Menschenhandel erfolgten zum Zweck sexueller Ausbeutung, 40 Prozent der Opfer leisteten Zwangsarbeit.2
Die Anzahl der Opfer von Menschenhandel in der Schweiz ist schwierig abzuschätzen, 2014 erfasste die Kriminalstatistik 46 Fälle von Menschenhandel und 69 Fälle der Förderung von Prostitution. Die Opfer von Menschenhandel in der Schweiz stammen vornehmlich aus Ost- und Südosteuropa, insbesondere aus Ungarn, Rumänien und Bulgarien; weitere wichtige Herkunftsstaaten sind Thailand, China, Brasilien und Nigeria.3
Liechtenstein ist nach Erkenntnissen der Landespolizei kein Transit- oder Zielland für Menschenhandel; bisher ist es zu keiner Verurteilung hinsichtlich Menschenhandel gekommen. 2006 hat die Regierung den Runden Tisch Menschenhandel unter dem Vorsitz der Landespolizei gegründet, der die mit diesem Thema befassten Amtsstellen vernetzt und Anstrengungen in diesem Bereich koordiniert. 2007 hat die Regierung einen Leitfaden zur Bekämpfung von Menschenhandel verabschiedet, der den Bearbeitungsprozess und die Zusammenarbeit verschiedener Amtsstellen in Fällen von Menschenhandel definiert. 2009 fällte die Regierung einen Grundsatzbeschluss zur Bekämpfung von Menschenhandel, in dem sie den Leitfaden aus dem Jahr 2007 bestätigte und ihm zusätzliches Gewicht verlieh. Weiter wurde in dem Entscheid bekräftigt, dass Sensibilisierung und Ba-
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siswissen aller involvierten Behörden, Personen und Einrichtungen die Voraussetzung für die erfolgreiche Prävention und Bekämpfung von Menschenhandel ist.
Obwohl es bislang zu keiner Verurteilung wegen Menschenhandel gekommen ist, gibt es mit in Nachtklubs temporär angestellten Tänzerinnen in Liechtenstein eine Gruppe potenzieller Opfer. Um dieser Gefährdung zu begegnen, hat der Runde Tisch Menschenhandel auf Basis des Grundsatzbeschlusses der Regierung zu Artikel 16 Bst. e der Verordnung über die Zulassung und den Aufenthalt von Ausländern (ZAV) aus dem Jahr 2008 das Präventionsprojekt "Magdalena" initiiert. In diesem Rahmen werden neu angestellte Tänzerinnen aus Drittstaaten seit 2009 monatlich über ihre Rechte und Pflichten aufgeklärt, wobei die Teilnahme an den Veranstaltungen Pflicht ist. Die Tänzerinnen lernen so mögliche Ansprechpartner kennen, an die sie sich im Fall von Menschenhandel oder Zwangsprostitution wenden können.
Voraussetzung für die befristete Tätigkeit von Tänzerinnen aus Drittstaaten in Liechtenstein ist eine vorhergehende Tätigkeit in der Schweiz im Rahmen des so genannten Cabaret-Statuts. Diese Richtlinie, die Tänzerinnen einen Arbeitsaufenthalt von maximal acht Monaten in der Schweiz ermöglichte, hat der Bundesrat jedoch per 1. Januar 2016 abgeschafft. Das Ausländer- und Passamt (APA) gewährt in Liechtenstein tätigen Tänzerinnen noch eine Übergangsfrist bis Februar 2016, danach wird es auch in Liechtenstein keine Kurzaufenthaltsbewilligungen für Tänzerinnen aus Drittstaaten mehr geben. Die Informationsveranstaltungen werden in der jetzigen Form ab Februar 2016 also nicht mehr durchgeführt. Der Runde Tisch Menschenhandel beobachtet die weitere Entwicklung in diesem Bereich jedoch genau und wird falls nötig Massnahmen ergreifen. Zur Debatte stehen beispielsweise häufigere Kontrollen und die Abgabe von Informationsblättern.
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Das vorliegende Übereinkommen des Europarats zur Bekämpfung des Menschenhandels verpflichtet die Vertragsstaaten zu Prävention, Opferschutz, Opferhilfe und Strafverfolgung im Zusammenhang mit Menschenhandel. Es etabliert zudem mit der Expertengruppe GRETA (Group of Experts on Action against Trafficking in Human Beings) einen unabhängigen Mechanismus zur Überwachung der Umsetzung durch die Vertragsstaaten. Bislang haben 43 Staaten das Abkommen ratifiziert. Die Türkei hat das Abkommen unterzeichnet, aber noch nicht ratifiziert. Damit gehört Liechtenstein neben Monaco, Russland und Tschechien zu den vier Mitgliedsstaaten des Europarats, welche die vorliegende Konvention nicht unterzeichnet oder ratifiziert haben.
Für die Ratifikation des Übereinkommens sind keine gesetzgeberischen Massnahmen nötig. Es sind nur sehr geringfügige personelle und finanzielle Konsequenzen für Liechtenstein zu erwarten.



 
1Vgl. Bericht über organisiertes Verbrechen, Korruption und Geldwäsche: Empfohlene Massnahmen und Initiativen (2013/2107(INI)) des Europäischen Parlaments, S. 15, verfügbar unter http://www.europarl. europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-//EP//NONSGML+REPORT+A7-2013-0307+0+DOC+PDF+V0//DE (zuletzt aufgerufen am 6. Oktober 2015).
 
2Vgl. Global Report on Trafficking in Persons 2014 des United Nations Office on Drugs and Crime, S. 5 bis 9, verfügbar unter https://www.unodc.org/documents/human-trafficking/2014/GLOTIP_2014_full_report.pdf (zuletzt aufgerufen am 6. Oktober 2015).
 
3Vgl. Factsheet der schweizerischen Koordinationsstelle gegen Menschenhandel und Menschenschmuggel (KSMM), Juni 2015, verfügbar unter http://www.ksmm.admin.ch/dam/data/ksmm/dokumentation/fact_sheet/fs_ menschenhandel_d.pdf (zuletzt aufgerufen am 6. Oktober 2015).
 
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Euro­parat, Übe­rein­komen zur Bekämp­fung des Menschenhandels
Men­schen­handel, Bekämp­fung, Übe­rein­kommen des Europarates
Übe­rein­komen des Euro­pa­rates zur Bekämp­fung des Menschenhandels