Bericht und Antrag der Regierung an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein
betreffend die Abänderung des Rechtshilfegesetzes (RHG)
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Das geltende Rechtshilfegesetz ist nunmehr seit mehr als sieben Jahren in Kraft. Die Praxis im Bereich der Internationalen Rechtshilfe in Strafsachen hat gezeigt, dass der überwiegende Teil der aus dem Ausland stammenden Rechtshilfeersuchen von den liechtensteinischen Behörden und Gerichten rasch und speditiv erledigt wird. Nichtsdestotrotz sind zum Teil grössere Schwachstellen im Rechtshilfeverfahren festzustellen. Nach wie vor ist ein nicht unerhebliches Verzögerungspotential im Rechtshilfeverfahren vorhanden, was eine lange Verfahrensdauer zur Folge haben kann. Nach geltender Rechtslage ist immer noch ein Rechtsmittelzug mit bis zu acht Instanzen möglich. Dieser Umstand, welcher in der praktischen Anwendung der gesetzlichen Bestimmungen erhebliche Nachteile mit sich bringt, wurde von liechtensteinischer Seite erkannt - und auch von internationaler Seite mehrfach gerügt - und erfordert gesetzliche Anpassungen des Rechtshilfegesetzes.
Darüber hinaus hat eine Evaluation der geltenden Rechtshilfenormen ergeben, dass in diesem Zusammenhang noch weitere Bestimmungen reformiert werden sollen.
Ziel dieser Vorlage ist insbesondere eine Verkürzung der Verfahrensdauer durch die Reduzierung von Rechtsmittelmöglichkeiten, eine klare Definition der Berechtigten im Rechtshilfeverfahren und deren Beschwerdelegitimation, die Vereinfachung der Zustellung von gerichtlichen Anordnungen und Entscheidungen sowie entsprechende Anpassungen in Hinblick auf die zwischenzeitlich ergangene Judikatur im Zusammenhang mit dem Rechtshilfeverfahren.
Zuständiges Ressort
Ressort Justiz
Betroffene Stellen
- Staatsgerichtshof
- Fürstlicher Oberster Gerichtshof
- Fürstliches Obergericht
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- Fürstliches Landgericht
- Staatsanwaltschaft
- Financial Intelligence Unit
- Landespolizei
- Amt für Auswärtige Angelegenheiten
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Vaduz, 30. September 2008
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Sehr geehrter Herr Landtagspräsident,
Sehr geehrte Frauen und Herren Abgeordnete
Die Regierung gestattet sich, dem Hohen Landtag den nachstehenden Bericht und Antrag betreffend die Abänderung des Rechtshilfegesetzes (RHG) zu unterbreiten.
Als im Jahr 2000 das geltende Rechtshilfegesetz
1 (im Folgenden: RHG) im Rahmen einer Totalrevision eingeführt wurde, hatte der Gesetzgeber beabsichtigt, dass hierdurch den
"(...) modernen Anforderungen an ein Rechtshilfegesetz Genüge (...)" getan wird und
"(...) die Grundvoraussetzungen für eine effektive und schnelle Rechtshilfe ebenso geschaffen werden wie der nötige Rechtsschutz der 8
Betroffenen gewährleistet (...)"2 bleibt. Aus den damaligen Gesetzesmaterialien ergibt sich insbesondere, dass
"(D)die bisherigen Erfahrungen mit dem Rechtshilfegesetz 19923 zeigen, dass neben Mängeln im Vollzug des Gesetzes auch das Gesetz selbst für schleppende Abläufe der Rechtshilfe in Strafsachen verantwortlich ist. Insbesondere die Möglichkeit der Anrufung einer Vielzahl von Rechtsmittelinstanzen sowie die hohen Anforderungen an die Gewährung der Rechtshilfe in formeller und materieller Hinsicht liessen die Notwendigkeit zu einer Reform des bestehenden Rechtshilfegesetzes offensichtlich werden. Soll Rechtshilfe Sinn machen bzw. den heutigen Notwendigkeiten entsprechen, ist eine Reform daher angezeigt."4Ein Hauptgrund für die damalige Totalrevision des Rechtshilfegesetzes im Jahr 2000 war also, dass das vormals geltende Rechtshilfegesetz insbesondere zu viele Rechtsmittelmöglichkeiten
5 - nämlich sowohl im Verwaltungs- wie im Gerichtsverfahren - vorsah.
Die Regierungsvorlage aus dem Jahr 2000 hatte sich ganz bewusst sehr eng an das in der Praxis sehr bewährte österreichische Auslieferungs- und Rechtshilfegesetz (ARHG, im Folgenden ö-ARHG) angelehnt, wobei auch schon damals eini-
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ge Bestimmungen aus der schweizerischen Gesetzgebung
6 übernommen bzw. aufgrund von liechtensteinischen Besonderheiten eigens gestaltet wurden.
7Festgehalten wird, dass die damalige Regierungsvorlage - auch bei Rechtshilfeersuchen im Zusammenhang mit beantragten Zwangsmassnahmen (z.B. Hausdurchsuchungen, Beschlagnahmungen, Kontosperren, etc.) - wie in Österreich nur einen "einfachen" (Anm.: allerdings bis zu viergliedrigen
8) gerichtlichen Instanzenzug vorgesehen hatte. Im Rahmen der damaligen 2. und 3. Lesung hatte der Hohe Landtag des Fürstentums Liechtenstein jedoch beschlossen, dass bei Rechtshilfefällen, welche die Übersendung von Gegenständen und Akten betreffen, vom Landgericht nach erfolgter Beschlagnahmung gesondert - d.h. in einem zweiten Instanzverfahren - entschieden werden muss, welche der beschlagnahmten Gegenstände und Akten der ersuchenden Behörde im Ausland ausgefolgt werden. Diese - in erheblichem Masse von Österreich abweichende - in Art. 55 Abs. 4 RHG normierte Aufspaltung des gerichtlichen Verfahrens in zwei Abschnitte hat zur Folge, dass nach heute geltendem Recht in einem einzigen Rechtshilfeverfahren immer noch die Möglichkeit besteht, insgesamt bis zu acht Gerichtsentscheidungen (d.h. je zwei Entscheidungen des Fürstlichen Landgerichtes, des Fürstlichen Obergerichtes, bei "Nicht-konform-Entscheidung"
9 auch je zwei Entscheidungen des Fürstlichen Obersten Gerichtshofes sowie je zwei des Staatsgerichtshofes
10 des Fürstentums Liechtenstein) zu erwirken. Dass dies zu -
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erheblichen Verzögerungen des Rechtshilfeverfahrens führen kann - und in der Praxis auch führt - ist offensichtlich. In diesem Zusammenhang ist beispielsweise zu erwähnen,
dass sich ergeben hat, dass eine beträchtliche Anzahl von Rechtshilfefällen eine Gesamtverfahrensdauer von mehr als zwei Jahren aufweist; in Einzelfällen betrug die Gesamtverfahrensdauer sogar mehr als sieben Jahre. Eine solche Verfahrensdauer wird von der Regierung als entschieden zu lang erachtet;
dass beispielsweise im Fall "Parmalat" gegen sämtliche gerichtliche Anordnungen Rechtsmittel ergriffen wurden, die involvierten Gerichtsinstanzen aber keiner einzigen Beschwerde Folge gegeben haben. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass es auch Fälle gibt, in welchen Rechtsmittel offenbar vorwiegend zum Zweck der Verfahrensverzögerung eingebracht werden.
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1 | Gesetz vom 15. September 2000 über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen (Rechtshilfegesetz, RHG). |
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2 | Bericht und Antrag der Regierung an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein betreffend die Schaffung eines neuen Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen (Rechtshilfegesetz, RHG), BuA Nr. 55/2000, Zusammenfassung, Seite 2. |
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3 | LGBl. 1993 Nr. 68. |
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4 | BuA Nr. 55/2000, Zusammenfassung, Seite 3. |
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5 | Vgl. hierzu z.B. die grafische Darstellung im BuA Nr. 55/2000, Seite 15. Anzumerken ist, dass in dieser Aufstellung (welche 12 Rechtsmittelinstanzen aufzeigt) die auch schon damals vorhandene Aufteilung der "materiellen Rechtshilfe" im gerichtlichen Rechtshilfeverfahren (d.h. Rechtsmittel gegen den Beschluss z.B. betreffend die Beschlagnahme von Unterlagen sowie Rechtsmittel gegen den Beschluss nach Durchführung der Ausfolgungstagsatzung) nicht dargestellt wurde; zusammengefasst bedeutet dies, dass nach dem alten Rechtshilfegesetz bis zu 16 Instanzen in einem einzigen Rechtshilfefall involviert sein konnten. |
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6 | Vgl. z.B. Art. 52 Abs. 5 RHG (vgl. Art. 80c ch-IRSG). |
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7 | Vgl. z.B. Art. 52 Abs. 4, Art. 79 RHG. |
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8 | Anm.: Rechtsmittelmöglichkeit gegen einen Beschluss des Fürstlichen Landgerichtes an das Fürstliches Obergericht, weiter an den Fürstlichen Obersten Gerichtshof und darüber hinaus Möglichkeit einer Individualbeschwerde an den Staatsgerichtshof als Verfassungsgerichthof. |
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9 | Vgl. § 240 Z. 4 i.V.m. 238 Abs. 3 StPO. |
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10 | Vgl. hierzu auch die folgenden Auszüge aus dem Schlussbericht des Projektes "Futuro" - Vision für den Finanzplatz Liechtenstein unter Berücksichtigung gesamtwirtschaftlicher Bedürfnisse, Schlussbericht (Februar 2008); http://www.liechtenstein.li/pdf-fl-staat-regierung-futuro-bericht.pdf (18. September 2008), Seite 27: "(...) Auch die liechtensteinische Gerichtsbarkeit weist Verbesserungspotential auf. Neben prozessualen Verzögerungsmöglichkeiten (...). Der Staatsgerichtshof wird teilweise als "vierte Instanz" übernutzt, (...)". |
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