Bericht und Antrag der Regierung an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein
betreffend das Protokoll vom 30. März 2012 zur Änderung des Übereinkommens über das öffentliche Beschaffungswesen vom 15. April 1994
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Durch das Protokoll vom 30. März 2012 zur Änderung des Übereinkommens über das öffentliche Beschaffungswesen vom 14. April 1994 werden die Bestimmungen des Übereinkommens über das öffentliche Beschaffungswesen in der Welthandelsorganisation (WTO) modernisiert und flexibilisiert und damit benutzerfreundlicher gestaltet. So können Fristen zur Beschleunigung der Beschaffungsverfahren verkürzt werden, insbesondere für die Beschaffung von gewerblichen Waren und Dienstleistungen. Das Übereinkommen behält die bisherigen Verfahrensarten "offen", "selektiv" und das Direktvergabeverfahren bei, erlaubt aber auch weitere Verfahren, sofern sie mit den Bestimmungen des Übereinkommens vereinbar sind. Es enthält neu eine Regelung über die Vermeidung von Interessenskonflikten und korrupter Praktiken. Darüber hinaus werden die Bestimmungen an neue Entwicklungen, wie die Verwendung elektronischer Auktionen, angepasst. Neu können auch Umweltanliegen im Rahmen der technischen Spezifikation von Ausschreibungen berücksichtigt werden. Die besondere und differenzierte Behandlung von Entwicklungsländern wurde genauer ausgeführt, um den Beitritt dieser Länder zum revidierten Übereinkommen zu erleichtern.
Das revidierte Übereinkommen wird das bisherige Übereinkommen abändern und nicht an dessen Stelle treten. Die Änderungen wurden in Form eines Protokolls beschlossen.
In den Marktzugangsverhandlungen konnte der Zugang zu den relevanten Märkten gegenseitig verbessert werden. Das Übereinkommen ist für Liechtenstein vor allem im Verhältnis zur Schweiz von Bedeutung. Die Vaduzer Konvention weist in ihrem Art. 37 Abs. 2 auf das Übereinkommen über das öffentliche Beschaffungswesen. Gegenüber den Staaten des EWR-Abkommens gelangt grundsätzlich das EWR-Beschaffungsrecht zur Anwendung, das gegenüber dem WTO-Übereinkommen in der Regel tiefere Schwellenwerte vorsieht. Beschaffungen ausserhalb Liechtensteins stammen zum grössten Teil aus der Schweiz. Beschaffungen ausserhalb der Staaten des EWR-Abkommens kamen bisher praktisch nicht vor. Liechtenstein unterstellt neu neben Beschaffungen der Regierung auch solche des Landtags sowie der Gerichte dem Übereinkommen. Ebenfalls neu werden die Einrichtungen öffentlichen Rechts auf nationaler Ebene dem Übereinkommen unterstellt. Diese Unterstellung entspricht indes im Wesentlichen der bereits jetzt
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gehandhabten Ausschreibungspraxis. Sodann wurden die Verpflichtungen Liechtensteins an das EWR-Recht angepasst sowie einzelne Ausnahmen gestrichen.
Gleichzeitig mit dem Protokoll zur Änderung des Übereinkommens hat der Ausschuss der Welthandelsorganisation (WTO) über das öffentliche Beschaffungswesen Arbeitsprogramme beschlossen, welche nach Inkrafttreten des Protokolls die weitere Tätigkeit des Ausschusses regeln sollen. Von besonderer Bedeutung ist das Arbeitsprogramm über kleinere und mittlere Unternehmen (KMU). Ziel des Programms ist es, Bestimmungen der Vertragsstaaten über besondere Massnahmen zugunsten von KMU auf ihre gegenüber ausländischen KMUs diskriminierende Wirkung zu überprüfen und auf deren nicht-diskriminierende Ausgestaltung hinzuwirken. Solche Bestimmungen unterhalten insbesondere Japan, Korea und die USA.
Der Beitritt zum revidierten Übereinkommen über das öffentliche Beschaffungswesen hat keine finanziellen Folgen in Form von Beitragszahlungen.
Gegenüber dem administrativen Aufwand, der bereits durch die nach EWR-Recht sowie dem geltenden Übereinkommen notwendigen Ausschreibungen entsteht, ergibt sich kein relevanter Mehraufwand.
Zuständiges Ressort
Ressort Äusseres
Betroffene Amtsstellen
Amt für Auswärtige Angelegenheiten
Stabsstelle öffentliches Auftragswesen
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Vaduz, 13. November 2012
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Sehr geehrter Herr Landtagspräsident,
Sehr geehrte Frauen und Herren Abgeordnete
Die Regierung gestattet sich, dem Hohen Landtag nachstehenden Bericht und Antrag betreffend das Protokoll vom 30. März 2012 zur Änderung des Übereinkommens über das öffentliche Beschaffungswesen vom 15. April 1994 zu unterbreiten.
Das Übereinkommen über das öffentliche Beschaffungswesen vom 15. April 1994 ist für Liechtenstein seit 18. September 1997 in Kraft (LGBl. 1998 Nr. 8, LR 0.632.231.422). Es handelt sich um ein so genanntes ‚plurilaterales' (im Unterschied zu einem ‚multilateralen', d.h. alle Mitglieder der WTO umfassenden) Übereinkommen der WTO, dem nicht alle Staaten angehören, die dem WTO-Übereinkommen beigetreten sind.
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In Art. XXIV Abs. 7 des Übereinkommens sind weitere Verhandlungen zwischen den Parteien vorgesehen. Diese Verhandlungen wurden mit dem Ziel geführt, das Übereinkommen zu verbessern und den Entwicklungen in der Informationstechnologie und bei den Vergabeverfahren Rechnung zu tragen. Sodann gingen die Vertragsparteien neue Marktzugangsverpflichtungen ein.
Im Dezember 2006 erzielten die Unterhändler eine Einigung über eine grundlegende Überarbeitung des Wortlauts des GPA. Offen blieb die Bestimmung über das Inkrafttreten des Übereinkommens sowie die Verhandlungen über die Marktzugangsverpflichtungen der Vertragsstaaten. Am 15. Dezember 2011, im Vorfeld der 8. Ministerkonferenz der WTO, konnte eine Einigung über die Modalitäten des Inkrafttretens des Protokolls zur Änderung des Übereinkommens und über Arbeitsprogramme für den Ausschuss nach Inkrafttreten des Protokolls erzielt werden. Gleichzeitig konnten die Verhandlungen über eine Ausweitung des Marktzugangs abgeschlossen werden. In einer formellen Sitzung des Ausschusses über das öffentliche Beschaffungswesen der WTO wurde der Abschluss der Verhandlungen festgestellt. Die Regierung hat die Schlussofferte Liechtensteins an ihrer Sitzung vom 13. Dezember 2011 genehmigt. An ihrer Sitzung vom 20. März 2012 hat die Regierung das Protokoll und den Text des revidierten Übereinkommens genehmigt. Das Protokoll zur Änderung des Übereinkommens sowie die weiteren Beschlüsse wurden an einer formellen Sitzung des erwähnten Ausschusses der WTO am 30. März 2012 in Genf in einem Beschluss angenommen. Dieser Beschluss ersetzte eine Unterzeichnung des Protokolls.
Durch das Protokoll werden die Bestimmungen des Übereinkommens modernisiert und flexibilisiert und damit benutzerfreundlicher gestaltet. So können Fristen zur Beschleunigung der Beschaffungsverfahren neu verkürzt werden, insbesondere für die Beschaffung von gewerblichen Waren und Dienstleistungen (Art.
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XI Ziff. 7).
2 Das Übereinkommen behält die bisherigen Verfahrensarten "offen", "selektiv" und das Direktvergabeverfahren bei, erlaubt aber auch weitere Verfahren, sofern sie mit den Bestimmungen des Übereinkommens vereinbar sind.
3 Es enthält neu eine Bestimmung über die Vermeidung von Interessenskonflikten und korrupter Praktiken. Darüber hinaus werden die Bestimmungen an neue Entwicklungen, wie die Verwendung elektronischer Auktionen, angepasst. Neu können auch Umweltanliegen im Rahmen der technischen Spezifikation von Ausschreibungen berücksichtigt werden. Die besondere und differenzierte Behandlung von Entwicklungsländern wurde genauer ausgeführt, um den Beitritt dieser Länder zum revidierten Übereinkommen zu erleichtern.
Das revidierte Übereinkommen wird das bisherige Übereinkommen abändern und nicht an dessen Stelle treten. Die Änderungen wurden in Form eines Protokolls beschlossen.
Gleichzeitig mit dem Protokoll zur Änderung des Übereinkommens hat der erwähnte Ausschuss der WTO Arbeitsprogramme beschlossen, welche nach Inkrafttreten des Protokolls die weitere Tätigkeit des Ausschusses regeln sollen. Die Durchführung solcher Arbeitsprogramme ist in Art. XXII Ziff. 8 des revidierten Übereinkommens vorgesehen. Von besonderer Bedeutung ist das Arbeitsprogramm über kleinere und mittlere Unternehmen (KMU). Ziel des Programms ist es, Bestimmungen der Vertragsstaaten über besondere Massnahmen zugunsten von KMU auf ihre gegenüber ausländischen KMUs diskriminierende Wirkung zu überprüfen und auf deren nicht-diskriminierende Ausgestaltung hinzuwirken. Solche Bestimmungen unterhalten insbesondere Japan, Korea und die USA. Ein diskriminierungsfreier Zugang liechtensteinischer KMUs zu den Beschaffungs-
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märkten ist für Liechtensteins Wirtschaft, die massgebend von KMUs getragen wird, von erheblicher Bedeutung. Liechtenstein hat denn auch während den Verhandlungen die Bemühungen der EU, Norwegens und der Schweiz, die Situation der KMUs zu verbessern, massgeblich mitgetragen. Die Beschlüsse zu den Arbeitsprogrammen bedürfen nicht der Zustimmung des Landtags.
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1 | Derzeit sind neben Liechtenstein folgende Staaten/Territorien Vertragspartei: Armenien, Aruba, Europäische Union (mit ihren 27 Mitgliedstaaten), Hongkong, Island, Israel, Japan, Kanada, Korea, Norwegen, Singapur, Schweiz, Taiwan (Chinesisch Taipeh), USA. |
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2 | Gewerbliche Waren und Dienstleistungen sind gemäss Art. i Bst. a des revidierten Übereinkommens Waren und Dienstleistungen, die im Allgemeinen auf dem Markt zum Verkauf angeboten oder verkauft werden und gewöhnlich von nichtöffentlichen Käufern zu nichtöffentlichen Zwecken erworben werden. |
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3 | Siehe hierzu Kommentierung zu Art. IV weiter unten Ziff. 3. |
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