Bericht und Antrag der Regierung an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein
betreffend die Schaffung eines Gesetzes über die eingetragene Partnerschaft gleichgeschlechtlicher Paare (Partnerschaftsgesetz; PARTG) sowie die Abänderung weiterer Gesetze
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Gleichgeschlechtliche Paare haben heute in Liechtenstein grundsätzlich die gleiche Rechtsstellung wie unverheiratete heterosexuelle Paare. Im Gegensatz zu diesen haben sie allerdings keine Möglichkeit, ihrer Gemeinschaft einen gesetzlich geregelten Rahmen zu geben. Deshalb soll nach dem Vorbild insbesondere der Nachbarländer Schweiz, Österreich und Deutschland, ein neues Institut, die eingetragene Partnerschaft gleichgeschlechtlicher Paare, eingeführt werden. Damit soll ein wichtiger Beitrag zur Überwindung der gesellschaftlichen Tabuisierung und Diskriminierung von Homosexualität geleistet werden. Rezeptionsvorlage ist das schweizerische Partnerschaftsgesetz.
Nach dem Gesetzesentwurf wird die eingetragene Partnerschaft beim Zivilstandsamt beurkundet. Mindestens eine einzutragende Partnerin bzw. ein einzutragender Partner muss den ordentlichen Wohnsitz in Liechtenstein haben oder die liechtensteinische Staatsbürgerschaft besitzen. Die Eintragung begründet eine Lebensgemeinschaft mit gegenseitigen Rechten und Pflichten: Die beiden eingetragenen Partnerinnen oder Partner haben einander Beistand zu leisten und Rücksicht aufeinander zu nehmen. Sie haben gemeinsam nach ihren Kräften für den gebührenden Unterhalt der Gemeinschaft zu sorgen. Über die gemeinsame Wohnung kann nur zusammen verfügt werden. Die eingetragenen Partnerinnen oder Partner haben sich gegenseitig Auskunft über Einkommen, Vermögen und Schulden zu geben. Name und Gemeindebürgerrecht bleiben unberührt.
Vermögensrechtlich soll sowohl während der Dauer der eingetragenen Partnerschaft als auch bei deren Auflösung der Güterstand der Gütertrennung gelten. Dem Paar steht es aber frei, für den Fall der Auflösung der Gemeinschaft eine Aufteilung des während der Dauer der eingetragenen Partnerschaft erzielten Vermögenszuwachses analog zum Eherecht zu vereinbaren.
Im Erbrecht, im Sozialversicherungsrecht, in der beruflichen Vorsorge, im Ausländer- und Einbürgerungsrecht, im Steuerrecht sowie im übrigen öffentlichen Recht werden die eingetragenen Paare den Ehepaaren gleichgestellt. Zu diesem Zweck werden im Anhang zum Entwurf für ein Gesetz über die eingetragene Partnerschaft verschiedene bestehende Gesetze abgeändert.
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Die Adoption eines Kindes und die Anwendung von fortpflanzungsmedizinischen Verfahren (Samenspende bzw. Leihmutterschaft) sind nicht zulässig. Folglich gibt es keine gemeinsamen Kinder in der eingetragenen Partnerschaft.
Aufgelöst wird die eingetragene Partnerschaft durch Tod oder eine gerichtliche Entscheidung. Die eingetragenen Partnerinnen oder Partner können gemeinsam den Antrag auf Auflösung stellen. Zudem kann jede eingetragene Partnerin oder jeder eingetragene Partner die Auflösung verlangen, wenn das Paar seit mindestens einem Jahr getrennt lebt oder - vor Ablauf der Frist - wenn die Fortsetzung der Partnerschaft unzumutbar ist. Wie bei der Ehescheidung sollen die Anwartschaften aus der beruflichen Vorsorge, die während der Dauer der Gemeinschaft erworben worden sind, geteilt werden. Zudem besteht die Möglichkeit von Unterhaltsbeiträgen und der Zuteilung der gemeinsamen Wohnung.
Ausschluss- und Ausstandsgründe von Behördenmitgliedern sowie das Zeugnisverweigerungsrecht werden gleich wie bei Ehegatten geregelt. In die diesbezüglichen neuen Regelungen wird neben der eingetragenen Partnerschaft auch die faktische Lebensgemeinschaft (Konkubinat) miteinbezogen.
Eine mehrfache eingetragene Partnerschaft soll wie eine mehrfache Ehe unter Strafe gestellt werden. Zudem kann eine verheiratete Person keine Partnerschaft eintragen lassen und eine eingetragene Partnerin oder ein eingetragener Partner kann keine Ehe eingehen.
Zuständiges Ressort
Ressort Justiz
Betroffene Stellen
Ressort Präsidium, Ressort Inneres, Ressort Familie und Chancengleichheit, Ressort Soziales, Fürstliches Landgericht, Alters- und Hinterlassenenversicherung, Zivilstandsamt, Ausländer- und Passamt, Amt für Gesundheit, Amt für Personal und Organisation, Steuerverwaltung, Staatsanwaltschaft, Landesarchiv, Stabstelle für Chancengleichheit, alle Gemeinden, alle Vorsorgeeinrichtungen
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Vaduz, 23. November 2010
RA 2010/139
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Sehr geehrter Herr Landtagspräsident,
Sehr geehrte Frauen und Herren Abgeordnete
Die Regierung gestattet sich, dem Hohen Landtag nachstehenden Bericht und Antrag betreffend die Schaffung eines Gesetzes über die eingetragene Partnerschaft gleichgeschlechtlicher Paare (Partnerschaftsgesetz; PartG) und die Abänderung weiterer Gesetze zu unterbreiten.
Gleichgeschlechtliche Liebe hat es in allen Kulturen gegeben. Sie wurde aber über Jahrhunderte hinweg gesellschaftlich tabuisiert und häufig sogar unter Strafe gestellt. Im heutigen Europa ist dieser Rechtszustand indessen überwunden: Gleichgeschlechtliche Paare können sich zwar nicht auf die
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Ehefreiheit im Sinne von Art. 12 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) berufen,
1 wie der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte jüngst in einem einstimmigen Urteil
2 bestätigt hat. Sie geniessen aber den grundrechtlichen Schutz des Privat- und Familienlebens nach Art. 8 EMRK
3 und des Diskriminierungsverbots nach Art. 14 EMRK. Die Parlamentarische Versammlung des Europarats hat deshalb seit 1981 mehrere Empfehlungen zuhanden des Ministerkomitees des Europarates zum Thema der Nichtdiskriminierung auf Grund der sexuellen Orientierung und der sexuellen Identität verabschiedet. Einen Meilenstein stellt die Empfehlung des Ministerkomitees des Europarats betreffend die Massnahmen zur Bekämpfung von Diskriminierung auf Grund von sexueller Orientierung vom 31. März 2010
4 dar. Diese Empfehlung, die allerdings nicht bindend ist, enthält einen Massnahmenkatalog zur Verbesserung der Gesetzgebung in den Mitgliedstaaten des Europarats.
Im geltenden liechtensteinischen Recht darf man davon ausgehen, dass gleichgeschlechtliche Paare grundsätzlich gleich behandelt werden wie heterosexuelle Paare, die in faktischer Lebensgemeinschaft leben. Das bedeutet, dass sie gewisse Fragen ihrer Beziehung in einer Vereinbarung regeln können und die von der Gerichtspraxis im Zusammenhang mit heterosexuellen Konkubinaten entwickel-
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ten Regeln sinngemäss auch für gleichgeschlechtliche Paare gelten. Indessen haben gleichgeschlechtliche Paare keine Möglichkeit, ihrer Lebensgemeinschaft einen gesetzlich geregelten Rahmen zu geben, der auch Wirkungen gegenüber dem Staat und Dritten entfaltet. Dieses Manko soll mit der gegenständlichen Vorlage beseitigt werden. In den letzten Jahren hat eine Vielzahl von Staaten die Rechtsstellung gleichgeschlechtlicher Paare gesetzlich verbessert. Allerdings sind die Lösungen, die dabei getroffen worden sind, recht unterschiedlich.
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1 | GRABENWARTER Christoph, Europäische Menschenrechtskonvention, 4. Aufl., München/Basel/Wien 2009, S. 237. Art. 12 EMRK hindert die Mitgliedstaaten aber nicht, die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare zu öffnen. |
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2 | Urteil vom 24. Juni 2010 i.S. Schalk und Kopf v. Austria (Application no. 30141/04). Lediglich mit 5 zu 3 Stimmen hat der Gerichtshof entschieden, dass Art. 14 (Diskriminierungsverbot) i.V.m. Art. 8 EMRK (Schutz des Privat- und Familienlebens) nicht verletzt ist, weil gleichgeschlechtliche Paare vor dem 1. Januar 2010 in Österreich keine Möglichkeit hatten, ihrer Verbindung einen rechtlichen Rahmen zu geben. Ein Begehren um Verweisung an die Grosse Kammer ist hängig. |
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3 | Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) 24. Juli 2003, 40016/98, Karner gegen Österreich, ÖJZ 2004/2 MRK. |
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4 | Recommendation CM/Rec(2010)5 of the Committee of Ministers to member states on measures to combat discrimination on grounds of sexual orientation or gender identity; Adopted by the Committee of Ministers on 31 March 2010 at the 1081st meeting of the Ministers' Deputies; https://wcd.coe.int/ViewDoc.jsp?id=1606669. |
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