Bericht und Antrag der Regierung an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein
betreffend die Abänderung des Entsendegesetzes zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2018/957 zur Änderung der Richtlinie 96/71/EG über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen
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Das liechtensteinische Entsendegesetz hat in den letzten vier Jahren bereits zwei Revisionen erfahren. Die erste diente der Umsetzung des Massnahmenpakets zur Einführung gleich langer Spiesse und verstärkte den Vollzug durch das Amt für Volkswirtschaft (AVW) und die Zentrale Paritätische Kommission (ZPK). Die zweite diente der Umsetzung der Durchsetzungsrichtlinie 2014/67/EU und hatte vor allem zum Ziel, die Zusammenarbeit zwischen den EWR-Staaten zu erleichtern und wesentliche Begriffe der Entsenderichtlinie 96/71/EG neu zu definieren, um die Scheinselbstständigkeit und Scheinentsendungen besser bekämpfen zu können.
Diese Gesetzesvorlage dient der Umsetzung der Richtlinie (EU) 2018/957, mit der die Entsenderichtlinie 96/71/EG in einigen Kernbereichen abgeändert wird: Entsandten Arbeitnehmern soll nicht mehr nur der im Aufnahmemitgliedstaat geltende Mindestlohn garantiert werden, sondern die gesamte Entlohnung, wie sie sich aus dem im Aufnahmemitgliedstaat geltenden Recht ergibt. Entsendungen, die länger als 12 bzw. 18 Monate dauern, sollen grundsätzlich dem gesamten Arbeitsrecht des Aufnahmemitgliedstaats unterstellt sein. Zudem werden einzelne Pflichten der Beteiligten beim Personalverleih geklärt.
In Liechtenstein werden einige der vorgesehenen Neuerungen im Wesentlichen schon länger angewandt, so insbesondere die Bestimmungen über die geschuldete Entlohnung und die Verpflichtungen von Verleihern und Einsatzbetrieben bei Entsendungen mit Verleihkonstellationen. Gleichwohl verlangt die Umsetzung der Richtlinie (EU) 2018/957 in diesen und weiteren Bereichen Abänderungen des Entsendegesetzes.
Zuständiges Ministerium
Ministerium für Inneres, Wirtschaft und Umwelt
Betroffene Stelle
Amt für Volkswirtschaft
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Vaduz, 8. Februar 2022
LNR 2022-142
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Sehr geehrter Herr Landtagspräsident,
Sehr geehrte Frauen und Herren Abgeordnete
Die Regierung gestattet sich, dem Hohen Landtag nachstehenden Bericht und Antrag betreffend die Abänderung des Entsendegesetzes zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2018/957 zu unterbreiten.
Auf europäischer Ebene gilt seit 1996 die Richtlinie 96/71/EG (Entsenderichtlinie)
1. Diese bildete neben dem schweizerischen Entsendegesetz (chEntsG)
2 die Grundlage für das liechtensteinische Entsendegesetz (EntsG)
3. Im Jahr 2014 erliessen der Europäische Rat und das Europäische Parlament die Richtlinie 2014/67/EU zur -
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Durchsetzung der Entsenderichtlinie (Durchsetzungsrichtlinie)
4. Die Durchsetzungsrichtlinie diente dazu, einige wesentliche Begriffe der Entsenderichtlinie zu schärfen und stellte Bedingungen für eine verbesserte Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten auf. Sie berührte nicht den materiellen Gehalt der Entsenderichtlinie. Die Durchsetzungsrichtlinie führte in Liechtenstein 2019 zu einer Revision des EntsG.
5Die nun vorliegende Richtlinie (EU) 2018/957 zur Änderung der Entsenderichtlinie (Richtlinie)
6 stellt neue Bedingungen für Entsendungen im Rahmen der grenzüberschreitenden Dienstleistungen auf. Das europäische Entsenderecht steht im Spannungsfeld zwischen der Dienstleistungsfreiheit
7 und dem Schutz der entsandten Arbeitnehmer. Das Gleichgewicht zwischen diesen europäischen Prinzipien wird mit der Richtlinie neu austariert. Die Richtlinie sieht insbesondere vor:
Der Katalog der auf entsandte Arbeitnehmer anwendbaren Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen des Staates, in den die Arbeitnehmer entsandt werden, wird erweitert. Insbesondere wird der Begriff "Mindestlohnsätze" durch "Entlohnung" ersetzt.
Auf Arbeitnehmer, die länger als 12 bzw. 18 Monate entsandt werden, finden mit wenigen Ausnahmen alle zwingenden Arbeits- und
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Beschäftigungsbedingungen jenes Staates Anwendung, in den die Arbeitnehmer entsandt werden.
Es wird geklärt, wie die Entsenderichtlinie auf bestimmte Konstellationen des Personalverleihs anzuwenden ist, und für Einsatzbetriebe werden bestimmte Informationspflichten eingeführt.
Die Voraussetzungen, unter denen Entsendezulagen auf die Entlohnung angerechnet werden können, werden klarer gefasst.
Die entsendenden Arbeitgeber werden verpflichtet, jene Bestimmungen einzuhalten, die ein Aufnahmemitgliedstaat für die von einem Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Unterkünfte erlassen hat.
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1 | Richtlinie 96/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 1996 über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen, ABl. L 18 vom 21.1.1997, S. 1-6. |
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2 | Bundesgesetz über die flankierenden Massnahmen bei entsandten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern und über die Kontrolle der in Normalarbeitsverträgen vorgesehenen Mindestlöhne (Entsendegesetz, EntsG) vom 8. Oktober 1999, AS 2003 1370, SR 823.20. |
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3 | Gesetz vom 15. März 2000 über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der grenzüberschreitenden Erbringung von Dienstleistungen (Entsendegesetz; EntsG), LGBl. 2000 Nr. 88. |
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4 | Richtlinie 2014/67/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 zur Durchsetzung der Richtlinie 96/71/EG über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1024/2012 über die Verwaltungszusammenarbeit mit Hilfe des Binnenmarkt-Informationssystems ( "IMI-Verordnung" ), ABl. L 159 vom 28.5.2014, S. 11-31. |
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5 | Gesetz vom 8. November 2019 über die Abänderung des Entsendegesetzes, LGBl. 2019 Nr. 367, in Kraft getreten am 1. Januar 2020. |
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6 | Richtlinie (EU) 2018/957 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Juni 2018 zur Änderung der Richtlinie 96/71/EG über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen, ABl. L 173 vom 9.7.2018, S. 16-24. |
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7 | Die grenzüberschreitende Dienstleistungserbringung darf nur sehr eingeschränkt an Bedingungen geknüpft werden. |
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