Bericht und Antrag der Regierung an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein
betreffend das Freihandelsabkommen zwischen den EFTA-Staaten und der Republik Korea sowie das Investitionsabkommen zwischen Island, Liechtenstein, der Schweiz und Korea vom 15. Dezember 2005
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Die EFTA-Staaten (Island, Liechtenstein, Norwegen und die Schweiz) haben am 15. Dezember 2005 mit Korea ein umfassendes Freihandelsabkommen unterzeichnet, welches vorbehaltlich Ratifikation durch die Vertragstaaten am 1. Juli 2006 in Kraft treten soll. Das Freihandelsabkommen umfasst den Handel mit Industrieprodukten (einschliesslich verarbeitete Landwirtschaftsprodukte sowie Fisch und andere Meeresprodukte), den Handel mit Dienstleistungen, das Geistige Eigentum, das öffentliche Beschaffungswesen und den Wettbewerb. Da Norwegen aus verfassungsrechtlichen Gründen darauf verzichtet hat, mit Korea Investitionsregeln auszuhandeln, haben die Schweiz, Liechtenstein und Island mit Korea zusätzlich zum Freihandelsabkommen ein Investitionsabkommen abgeschlossen. Dieses umfasst den Marktzugang für neue Investitionen und den Schutz getätigter Investitionen. Der Handel mit unverarbeiteten Landwirtschaftsprodukten wird in Landwirtschaftsabkommen geregelt, die die einzelnen EFTA-Staaten und Korea bilateral abgeschlossen haben, um den Besonderheiten der Landwirtschaftsmärkte und -politiken der verschiedenen EFTA-Staaten Rechnung zu tragen.
Auf Grund des Zollvertrags vom 29. März 1923 zwischen der Schweiz und Liechtenstein wendet die Schweiz die im Freihandelsabkommen enthaltenen Bestimmungen über den Warenverkehr auch für Liechtenstein an. Art. 1.3 Abs. 2 des Freihandelsabkommens sieht explizit vor, dass die Schweiz in diesen Gebieten das Fürstentum Liechtenstein vertritt. Auf Grund des Zollvertrags gilt auch das Landwirtschaftsabkommen zwischen der Schweiz und Korea für das Fürstentum Liechtenstein (Art. 1 Abs. 2 des Landwirtschaftsabkommens).
Die mit Korea abgeschlossenen Abkommen verbessern auf breiter Basis den Marktzugang bzw. die Rechtssicherheit für die Exporte der EFTA-Staaten (Waren und Dienstleistungen) und gewährleisten die Zulassung und die Nutzung von Investitionen sowie den Schutz für Rechte an Geistigem Eigentum. Sie erhöhen die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft der EFTA-Staaten auf dem koreanischen Markt nicht nur, weil damit Diskriminierungen abgewendet werden, die sich aus bestehenden und künftigen Präferenzabkommen Koreas mit anderen Partnerstaaten ergeben. Ein Wettbewerbsvorteil ergibt sich auch daraus, dass die EFTA-Staaten auf dem koreanischen Markt präferenziellen Zugang erhalten, ohne dass dies zur Zeit für ihre Hauptkonkurrenten aus der EU, den USA und Japan der
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Fall ist. Korea hat bisher Freihandelsabkommen mit Chile und Singapur abgeschlossen und steht mit den ASEAN-Staaten, Japan und Kanada in Verhandlung.
Korea ist nach Mexiko, Chile und Singapur der vierte Partner, mit welchem die EFTA-Staaten ein umfassendes Freihandelsabkommen abgeschlossen haben. Gemessen am Bruttoinlandprodukt ist Korea weltweit eine der zehn grössten Volkswirtschaften und wird (nach der EU) der grösste Freihandelspartner der EFTA-Staaten sein. Entsprechend bedeutend ist das Entwicklungspotential für Handel und Investitionen, das sich aus diesen Abkommen ergibt.
Zuständiges Ressort
Ressort Äusseres
Betroffene Amtsstellen
Amt für Auswärtige Angelegenheiten, Liechtensteinische Mission in Genf
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Vaduz, 14. März 2006
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Sehr geehrter Herr Landtagspräsident,
Sehr geehrte Frauen und Herren Abgeordnete
Die Regierung gestattet sich, dem Hohen Landtag nachstehenden Bericht und Antrag betreffend das Freihandelsabkommen zwischen den EFTA-Staaten und der Republik Korea vom 15. Dezember 2005 sowie betreffend das Abkommen zwischen der Republik Island, dem Fürstentum Liechtenstein sowie der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Republik Korea über Investitionen vom 15. Dezember 2005 zu unterbreiten.
Freihandelsabkommen stellen neben der europäischen Integration und der Mitgliedschaft in multilateralen Wirtschaftsorganisationen (insbesondere WTO) einen der drei Hauptpfeiler der Politik der EFTA-Staaten zur Marktöffnung und zur Verbesserung der Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit der aussenwirtschaftlichen Rahmenbedingungen dar. Liechtenstein ist als stark exportabhängiges Land in besonderem Masse auf einen weltweiten, möglichst hindernisfreien Marktzugang angewiesen. Gleichzeitig ist die zunehmende reale oder potenzielle Diskri-
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minierung auf Drittmärkten, die sich aus der weltweit wachsenden Zahl von präferenziellen Abkommen zwischen Ländern und Ländergruppen ergibt, für ein Land mit kaum vorhandenem Heimmarkt besonders gravierend. Liechtenstein unterstützt deshalb die Anstrengungen zum weiteren Ausbau des Netzes von Freihandelsabkommen der EFTA-Staaten aktiv.
Grundsätzlich ist den aussenwirtschaftspolitischen Interessen kleiner und mittelgrosser Volkswirtschaften am besten mit einer multilateralen Liberalisierung und Verbesserung der multilateralen Rahmenbedingungen gedient, weshalb Liechtenstein die entsprechenden Anstrengungen der einschlägigen Organisationen aktiv unterstützt. Bilaterale und plurilaterale Präferenzabkommen stehen aber nicht im Widerspruch zu den schrittweisen Liberalisierungsbestrebungen im Rahmen der WTO und anderer multilateraler Organisationen. Ihnen kann vielmehr eine Vorreiterrolle für die Weiterentwicklung der Spielregeln und für weitere Liberalisierungsschritte auf multilateraler Ebene zukommen.
Das vorliegende Freihandelsabkommen ist für die EFTA-Staaten nach den Abkommen mit Mexiko (in Kraft seit 1. Juli 2001, LGBl. 2001 Nr. 163), Singapur (in Kraft seit 1. Januar 2003, LGBl. 2003 Nr. 30) und Chile (in Kraft seit 1. Dezember 2004, LGBl. 2005 Nr. 42) das vierte Freihandelsabkommen mit einem Partner ausserhalb des euro-mediterranen Raums und ebenfalls das vierte mit umfassendem Geltungsbereich. Es ist Teil der von den EFTA-Staaten verfolgten geographischen und inhaltlichen Ausweitung der EFTA-Freihandelspolitik. In den 1990er Jahren waren die EFTA-Staaten vor allem darum bemüht, mit den nach dem Fall der Berliner Mauer und dem Zerfall der Sowjetunion neu entstandenen bzw. unabhängig gewordenen Staaten Mittel- und Osteuropas Freihandelsabkommen für den Warenverkehr abzuschliessen. Um vollständig an der euromediterranen Kumulierungszone
1 teilnehmen zu können, welche die EU im Rahmen -
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des Barcelona Prozesses
2 bis 2010 zu errichten plant, werden zudem auch mit Partnerstaaten im Mittelmeerraum Abkommen ausgehandelt. In neuerer Zeit haben die EFTA-Staaten begonnen, ihr Netz von Freihandelsabkommen auch auf Partner ausserhalb des Raumes Europa-Mittelmeer auszudehnen und zusätzlich zum Warenhandel und zum Geistigen Eigentum die Bereiche Dienstleistungen, Investitionen und öffentliches Beschaffungswesen einzubeziehen. Mit dieser Politik wirken die EFTA-Staaten der drohenden Erosion der Wettbewerbsfähigkeit ihrer Wirtschaftsstandorte entgegen, welche sich aus der weltweit zunehmenden Tendenz zum Abschluss von regionalen und überregionalen Präferenzabkommen ergibt. Korea ist in dieser Beziehung erst seit kurzem aktiv. Korea hat bisher Freihandelsabkommen mit Chile (Februar 2004) und Singapur (August 2005) abgeschlossen und steht mit den ASEAN-Staaten, Japan und Kanada in Verhandlung. Mit weiteren potentiellen Partnern wie den USA, Mexiko und den Mercosur-Staaten wird die Aufnahme von Freihandelsverhandlungen geprüft.
Die Eidgenössischen Räte werden die Abkommen mit Korea in ihrer Früjahrssession (März 2006) behandeln.
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1 | Kumulation bedeutet, dass, wenn für die Herstellung einer Ware Vormaterialien, welche Urprungserzeugnisse eines Vertragsstaates sind, verwendet werden, diese den Status einer Ursprungsware behalten und unbeschränkt verwendet werden können. |
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2 | Im November 1995 wurde in Barcelona eine Europa-Mittelmeer-Partnerschaft ins Leben gerufen, deren Ziel Friede, Stabilität und Wohlstand in der Mittelmeerregion ist. Diese Partnerschaft, welche auch "Barcelona Prozess" genannt wird, bildet den institutionellen Rahmen der Mittelmeer-Politik der EU. Um das Ziel der wirtschaftlichen Stabilität zu erreichen, beschlossen die Handelsminister der Teilnehmerstaaten das bestehende Pan-Europäische Kumulationssystem (EG, EFTA, Bulgarien, Rumänien, Türkei) auf die Teilnehmerländer der Partnerschaft Europa-Mittelmeer auszudehnen. |
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