Bericht und Antrag der Regierung an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein
betreffend die Abänderung des Gesetz über die Krankenversicherung (Krankenversicherungsgesetz)
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Im Jahr 2010 wurden in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (OKP) Leistungen im Umfang von CHF 157.5 Mio. getätigt. Dies entspricht einem Anstieg von 73.2% gegenüber dem Jahr 2000. Finanziert werden die Leistungen aus Kopfprämien und Kostenbeteiligungen der Versicherten, aus Beiträgen der Arbeitgeber sowie aus Staatsbeiträgen an die Krankenversicherung sowie an Spitäler.
Von den insgesamt 36'601 obligatorisch Krankenversicherten in Liechtenstein wurden im Jahr 2010 innerhalb der OKP durchschnittlich CHF 2'798 Prämienzahlungen pro versicherte Person (ohne Kinder) geleistet. Die monatliche Durchschnittsprämie beträgt im Jahr 2012 CHF 259 (ohne Unfall) beziehungsweise CHF 271 (mit Unfall), wovon die Hälfte der Prämie (ohne Unfall) bei Erwerbstätigen vom Arbeitgeber finanziert wird. Die entsprechende Durchschnittsprämie mit Unfall in der Schweiz liegt 2012 bei CHF 382, im Kanton Basel-Stadt, mit vergleichbar hohen Kosten in der OKP bei CHF 500.
Die Kostenbeteiligungen der Versicherten bestehen aus einer minimalen Jahresfranchise von CHF 200 und einem Selbstbehaltanteil von 10% der die Franchise übersteigenden Kosten bis zu einem jährlichen Höchstbetrag von CHF 600 (somit maximal CHF 800). Der Anteil der Kostenbeteiligungen von erwachsenen Versicherten an ihren OKP Bruttoleistungen blieb zwischen den Jahren 2000 und 2010 konstant bei 7% (CH: 14%). Im Jahr 2010 wendeten liechtensteinische Versicherte durchschnittlich CHF 256 für Kostenbeteiligungen auf. In der Schweiz belief sich der entsprechende Betrag auf CHF 455.
Mit den Staatsbeiträgen zur Mitfinanzierung der OKP werden im Sinne einer familienpolitischen Massnahme 90% der durchschnittlichen OKP Jahreskosten der Kinder übernommen. Zusätzlich leistet der Staat auch einen Beitrag an die übrigen Versicherten (=Jugendliche und Erwachsene). Dieser verfolgte ursprünglich das Ziel einer Rückversicherung der Krankenkassen für hohe Kosten. Da hierfür ein sehr hoher Betrag (201: CHF 54 Mio.) ausgeschüttet wird, dient er nicht mehr nur als Rückversicherung hoher Kosten, sondern bewirkt zusätzlich und in beträchtlichem Ausmass eine generelle Reduktion der Prämien für alle Versicherten
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("generelle Prämienverbilligung") - unabhängig von ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit.
Für einkommensschwache Versicherte gewährt der Staat zudem eine individuelle Prämienverbilligung.
Im Weiteren beteiligt sich der Staat an Behandlungs- und Investitionskosten von Vertragsspitälern (2010: CHF 20.0 Mio.). Der Staatsbeitrag an Spitäler hat sich seit dem Jahr 2000 verdoppelt.
Der Staat übernahm 2010 mit den verschiedenen Subventionen (insgesamt CHF 90.8 Mio.) 51.1% der Kosten der Krankenversicherung und des Gesundheitswesens durch Beiträge an die Kassen zur Mitfinanzierung der obligatorisch versicherten Krankenpflegeleistungen, an einkommensschwache Versicherte und an Spitäler.
Durch die staatlichen Subventionen an die obligatorische Krankenpflegeversicherung werden die Prämien über den gesamten Versichertenbestand drastisch gesenkt, bzw. künstlich tief gehalten. Im Verhältnis der individuellen Prämienlast zu den tatsächlich anfallenden Kosten der Gesundheitsversorgung entsteht somit eine Kostenintransparenz, welche dem Kostenbewusstsein der Versicherten nicht zuträglich ist. Aufgrund der tiefen Prämien und Kostenbeteiligungen fehlen den Versicherten Anreize, sich eigenverantwortlich und kostenbewusst zu verhalten. Ein stetig steigendes Anspruchsdenken der Bevölkerung trägt ebenfalls zu einer steigenden Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen bei.
Die obligatorische Krankenpflegeversicherung sollte sich hauptsächlich aus möglichst risikogerechten Prämien des versicherten Kollektivs und dessen Kostenbeteiligungen finanzieren. Der staatliche Eingriff sollte nur dann erfolgen, wenn das Versicherungssystem aus sich selbst heraus die notwendige Solidarität innerhalb des Versicherungssystems nicht gewährleisten kann. Das Finanzierungssystem und die staatlichen Beiträge an die obligatorische Krankenpflegeversicherung sollen im Sinne einer Vereinfachung der Geldflüsse und im Sinne von risikogerechten und kostentransparenten Prämien und Kostenbeteiligungen optimiert werden.
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Die Finanzierung der staatlichen Gesundheitsversorgung gemäss der derzeitig gültigen Gesetzeslage ist nicht nachhaltig. Selbst der stetige Zufluss der Staatsbeiträge ist nicht ausreichend, um die Finanzierungsbasis der staatlichen Gesundheitsversorgung zu sichern. Deshalb soll ein Prozess zur Verbesserung eingeleitet werden. In einem ersten Schritt soll dabei der Staatsbeitrag an die übrigen Versicherten gesenkt werden. An dessen Ausgestaltung soll gleichzeitig das Finanzierungssystem über Prämien und Kostenbeteiligungen angepasst werden, um dem Gesundheitssystem die dann fehlenden Mittel bereit zu stellen. Im Sinne eines sozialen Ausgleichs zu den höheren individuellen Verpflichtungen sollen einkommensschwache Versicherte gezielt durch Anpassungen am Prämienverbilligungssystem unterstützt werden.
Zusammengefasst werden folgende Änderungen vorgeschlagen:
System OKP
Überführung der heutigen Zusatzversicherung "Freie Arztwahl" in die Grundversicherung als OKP plus mit freier Wahl des Leistungserbringers. Für OKP plus soll ein Prämienzuschlag festgelegt werden, ansonsten soll OKP plus praktisch identisch mit der OKP sein.
Staatsbeitrag an die übrigen Versicherten:
deutliche Senkung von CHF 54 Mio. (2012) um CHF 20 Mio. und somit dessen Ausgestaltung im Sinne eines Risikofonds für Hochkostenfälle.
Kostenbeteiligung
Umwälzung der durch die Senkung des Staatsbeitrages dem System fehlenden Mittel auf die vom Leistungsbezug abhängige Kostenbeteiligung und nicht auf die vom Leistungsbezug unabhängige Prämie; somit deutliche Anhebung der Kostenbeteiligung auf eine Franchise von CHF 1'500 und einen Selbstbehalt von 20% auf die folgenden Kosten, bis maximal CHF 500 erreicht sind. Die jährliche Kostenbeteiligung könnte somit max. CHF 2'000 betragen
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Aufhebung der Möglichkeit, höhere Kostenbeteiligung anzubieten, um eine weitere Entsolidarisierung zu verhindern;
Einführung einer Kostenbeteiligung bei Jugendlichen in Höhe der halben ordentlichen Kostenbeteiligung von Erwachsenen;
Aufhebung der Möglichkeit der Befreiung von einer Kostenbeteiligung von Versicherten mit bestimmten chronischen Krankheiten.
Prämienverbilligung
Durch Heraufsetzen der Einkommensgrenzen, durch höhere Beitragssätze und durch neu drei Stufen werden höhere Prämienverbilligungen an mehr Bezüger als heute ausbezahlt.
Anpassungen am System der Prämienverbilligung durch eine Verbesserung des gezielten Ausgleichs zwischen den Einkommens- und Vermögensgruppen durch Aufhebung des Freibetrags von 70% auf Renten sowie Gleichstellung von Konkubinatspaaren mit Ehepaaren.
Reserven und Rückstellungen
Erhöhung der vorgeschriebenen Reserven durch Bemessung mit dem bestehenden Prozentsatz an den Bruttoleistungen statt am Prämiensoll, da in Liechtenstein das Prämiensoll sehr viel tiefer liegt als die Bruttoleistungen.
Krankengeld
Lediglich präzisierende Anpassungen, um bestehende Unklarheiten zu beseitigen.
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Finanzielle Auswirkungen
Der Landtag hat in seiner Sitzung vom Juni 2010 den Auftrag erteilt, die nötigen gesetzlichen Anpassungen für sozialverträgliche Reduktionen der Subventionen um CHF 23 Mio. im Krankenversicherungsbereich vorzulegen. Die Regierung hat dann aufgrund von günstigen Entwicklungen im März 2011 ihr Sparziel grundsätzlich angepasst und die geforderte Reduktion im KVG-Bereich auf CHF 15.3 Mio. reduziert.
CHF 3 Mio. sind schon bei der Festlegung des Staatsbeitrages 2011 eingespart worden. Mit dem nun vorliegenden Vorschlag werden in Bezug auf diesen reduzierten Sparvorschlag
weitere CHF 20 Mio. beim Staatsbeitrag eingespart,
zusätzliche CHF 4 Mio. in die Prämienverbilligung investiert,
CHF 3.7 Mio. als Systemreserve gehalten, um beim Übergang ins neue System eine Prämien-Nullrunde sicher stellen zu können, um die aufgrund der vorgeschlagenen Lösung höheren Mindestreserven der Krankenkassen ohne Prämienzuschlag realisieren zu können, sowie um allfällige Abweichungen bei den Modellrechungen abfangen zu können.
Die vorgeschlagenen Anpassungen sollen auf den 1. Januar 2014 in Kraft treten.
Die finanziellen Auswirkungen für die Versicherten sind den nachstehenden Tabellen dargestellt:
Kinder
| Prämie | Kostenbeteiligung |
Vor Reform | 0 | 0 |
Nach Reform | 0 | 0 |
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Jugendliche
| Prämie | Kostenbeteiligung |
Vor Reform | 50% | 0 |
Nach Reform | 50% | 750 + SB 20% bis 250 |
Erwachsene vor Erreichen des ordentlichen Rentenalters
| Prämie | Kostenbeteiligung |
Vor Reform | 100% | 200 + SB 10% bis 600 |
Nach Reform | 100% | 1'500 + SB 20% bis 500 |
Personen nach Erreichen des ordentlichen Rentenalters
| Prämie | Kostenbeteiligung |
Vor Reform | 100% | 100 + SB 10% bis 300 |
Nach Reform | 100% | 750 + SB 20% bis 250 |
Prämienverbilligung
| Massgebender Erwerb | Prämienverbilligung |
| alleinstehend | verheiratet | |
Vor Reform | bis 30'000 30'001 - 45'000 über 45'000 | bis 36'000 36'001 - 54'000 über 54'000 | 60% 40% 0 |
Nach Reform | bis 40'000 40'001 - 55'000 55'001 - 65'000 über 65'000 | bis 48'000 48'001 - 66'000 66'001 - 78'000 über 78'000 | 80% 60% 40% 0 |
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Erwartete Folgen der Optimierungsmassnahmen
Durch das Schaffen von Kostentransparenz und durch ein verstärktes Tragen der Kosten durch die Kostenverursacher selbst erwartet sich die Regierung Verbesserungen in verschiedenen Bereichen. Es wird die Notwendigkeit, zumindest aber die Bereitschaft, erhöht z.B. für:
Stärkung der Eigenverantwortung bei den Versicherten durch Schaffung eines Kostenbewusstseins, somit:
Hinterfragen der individuellen Inanspruchnahme von Leistungen, da zumindest die ersten CHF 1'500 selbst bezahlt werden müssen;
Bewusste und eigenverantwortliche Einflussnahme auf die weitere Behandlung;
Hinterfragen des Medikamentenbezugs, z.B. auch verbunden mit einer verstärkten Nachfrage nach Generika:
Positive Effekte auf die Eigenverantwortung im Bereich des individuellen Gesundheitsverhaltens
Damit insgesamt auch ein Druck auf die Leistungserbringer zur Kostenreduktion und auf die Krankenkassen für weitere Optimierungsmassnahmen, z.B. durch:
Aufbau eines Tarifpools zur Förderung der Transparenz
Weiterentwicklung von Tarifsystemen zur Schaffung einer höheren Transparenz in der Leistungsverrechnung;
Durchsetzung bestehender Instrumente zur Sanktionierung, insbesondere Verweigerung bzw. Rückforderung von Vergütungen bei nicht wirtschaftlicher Behandlung;
Durchsetzung von Qualitätsstandards;
Einführung von Disease-Management-Programmen (auf Leitlinien basierte Behandlungen) zur Sicherstellung von wirksamen und wirtschaftlichen Behandlungsketten;
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Einführung eines elektronischen Patientendossiers / einer Gesundheitskarte, um Doppelspurigkeiten zu reduzieren;
Stärkung von Gesundheitsförderung und Prävention, somit auch von Betrieblichem Gesundheitsmanagement;
Zuständiges Ressort
Ressort Gesundheit
Betroffene Amtsstellen
Amt für Gesundheit
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Vaduz, 28. Februar 2012
P
Sehr geehrter Herr Landtagspräsident,
Sehr geehrte Frauen und Herren Abgeordnete
Die Regierung gestattet sich, dem Hohen Landtag nachstehenden Bericht und Antrag betreffend die Abänderung des Gesetzes über die Krankenversicherung an den Landtag zu unterbreiten.
Die Finanzierung der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (OKP) im Fürstentum Liechtenstein wird in der folgenden Übersicht auf Basis der Zahlen aus dem Jahr 2010 dargelegt. Im ganzen Bericht wird im Übrigen auf die Zahlen von 2010 Bezug genommen, da die Zahlen von 2011 zum Zeitpunkt der Berichterstellung noch nicht vorlagen. Nur punktuell wird, wo es Sinn macht, z.B. die aktuelle Durchschnittsprämie genannt.
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Abbildung 1 - Finanzierung der obligatorischen Krankenpflegeversicherung im Fürstentum Liechtenstein 2010
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Tabelle 1 - Finanzierung1 in CHF in %
Prämienzahlungen | 83'487'554 | 47.97 |
Kostenbeteiligungen | 9'351'883 | 5.26 |
Total Versicherte | 92'839'438 | 52.23 |
./. Prämienverbilligung | 5'924'393 | 3.33 |
Total Versicherte Netto | 86'915'045 | 48.90 |
Staatsbeitrag übrige Versicherte + Kostenübernahme für Kinder
| 64'914'687 | 36.52 |
Prämienverbilligung | 5'924'393 | 3.33 |
Staatsbeitrag Spitäler | 19'996'883 | 11.25 |
Total Staat | 90'835'963 | 51.10 |
Total Staat und Versicherte | 177'751'008 | 100.00 |
Die in der obigen Tabelle ausgewiesene Prämienverbilligung ist gemäss Art. 24 KVG ein Beitrag des Staates an die Finanzierung der Krankenkassen, muss in diesem Rahmen aber auch als "sozialpolitische Ausgabe" betrachtet werden.
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1 | Ohne Berücksichtigung der Finanzierung durch Kapitalerträge, Reserven etc. der Kassen |
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