Bericht und Antrag der Regierung an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein
zur Schaffung eines Gesetzes betreffend Übernahmeangebote (Übernahmegesetz; ÜBg) sowie die Abänderung des Finanzmarktaufsichtsgesetzes
(Umsetzung der Richtlinie Nr. 2004/25/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 betreffend Übernahmeangebote)
Am 29. April 2005 hat der Gemeinsame EWR-Ausschuss beschlossen, die Richtlinie 2004/25/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 betreffend Übernahmeangebote in das EWR-Abkommen zu übernehmen. Der Landtag des Fürstentums Liechtenstein hat diesem Beschluss in seiner Sitzung vom 22. September 2005 seine Zustimmung erteilt. Mit vorliegender Regierungsvorlage wird die Richtlinie 2004/25/EG betreffend Übernahmeangebote umgesetzt und damit ein rechtlicher Rahmen für die grenzüberschreitende Übernahme von börsenkotierten Unternehmen geschaffen. Das Übernahmegesetz garantiert nach den Vorgaben der Richtlinie ein faires und transparentes Übernahmeverfahren, welches unter der Aufsicht einer unabhängigen Stelle durchgeführt wird und den Interessen aller betroffenen Akteure des Übernahmeverfahrens Rechnung trägt.
Weiters bereinigt das Übernahmegesetz den derzeit bestehenden negativen Kompetenzkonflikt mit Drittstaaten, insbesondere der Schweiz, der sich aus der Tatsache des Fehlens liechtensteinischer Übernahmeregelungen bei gleichzeitiger Nichtanwendbarkeit des Schweizer Börsengesetzes ergibt.
Die Regierung ist überzeugt, dass mit dem vorgeschlagenen Übernahmegesetz einerseits die Richtlinie 2004/25/EG betreffend Übernahmeangebote ordnungsgemäss umgesetzt wird und gleichzeitig der bestehende negative Kompetenzkonflikt im Verhältnis zu Drittstaaten beseitigt werden kann und andererseits sowohl ein transparentes und faires Übernahmeverfahren gewährleistet als auch den Interessen aller Beteiligten ausreichend Rechnung getragen wird.
Zuständiges Ressort
Ressort Justiz
Betroffene Stellen
Grundbuch- und Öffentlichkeitsregisteramt, Stabsstelle EWR, Finanzmarktaufsicht (FMA)
Vaduz, 27. März 2007
P
Sehr geehrter Herr Landtagspräsident
Sehr geehrte Frauen und Herren Abgeordnete
Die Regierung gestattet sich, dem Hohen Landtag nachstehenden Bericht und Antrag zur Schaffung eines Gesetzes betreffend Übernahmeangebote zu unterbreiten.
Die Richtlinie 2004/25/EG betreffend Übernahmeangebote
1 im Hinblick auf Wertpapiere einer Gesellschaft, die dem Recht eines Mitgliedstaates unterliegt, wurde vom Europäischen Parlament und dem Rat am 21. April 2004 angenommen. Ziel der Richtlinie ist die Schaffung transparenter Rahmenregelungen für Übernahmeangebote im grenzüberschreitenden Unternehmenserwerb. Die Richtlinie ist als Rahmenregelung konzipiert und enthält allgemeine Grundsätze und Vorschriften für die Durchführung von Übernahmeangeboten, die von den Mitgliedstaaten umgesetzt werden sollen.
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Gemäss der Richtlinie ist unter einem Übernahmeangebot ein an die Inhaber der Wertpapiere einer Gesellschaft gerichtetes öffentliches Pflicht- oder freiwilliges Angebot zum Erwerb dieser Wertpapiere gegen Bezahlung einer Barabfindung oder gegen Überlassung von Wertpapieren zu verstehen.
Übernahmeangebote sollen üblicherweise die Stimmenmehrheit an einer Gesellschaft herbeiführen, um sodann den unternehmerischen Zielen nachkommen zu können. Neben der Spaltung und der Fusion ist die Übernahme eines die Kontrolle über die Gesellschaft verschaffenden Aktienpakets ein weiteres Mittel zur Umstrukturierung von Unternehmen. Da bei Übernahmevorgängen im Gegensatz zur Fusion die übertragende bzw. Zielgesellschaft nicht aufgelöst werden muss und somit erhalten bleibt, ist dieses Instrument in der Praxis ein wichtiges Umstrukturierungsmittel.
Dieser Weg zur Erlangung der Kontrolle über ein Unternehmen durch Erwerb von Aktienpaketen ist insbesondere für nicht im Europäischen Wirtschaftsraum ansässige Unternehmen ein einfacher Weg, um dort Fuss zu fassen und ebenfalls die Vorteile eines in einem Mitgliedstaat errichteten und ansässigen Unternehmens in Anspruch nehmen zu können.
Jedes öffentliche Übernahmeangebot führt bei den betroffenen und verunsicherten Aktionären zu einem grossen Informationsbedürfnis, da sie in relativ kurzer Zeit zu entscheiden haben, ob sie ihre Wertpapiere veräussern oder behalten wollen. Aus diesem Grund soll das Verfahren möglichst transparent durchgeführt werden, indem die Informationen der vom Bieter zu erstellenden Angebotsunterlage offen gelegt werden müssen und das gesamte Übernahmeverfahren unter Aufsicht einer unabhängigen Stelle durchzuführen ist.
Gemäss der umzusetzenden Richtlinie sollen besondere Bedingungen für den Fall gelten, dass ein Aktionär durch Erwerb weiterer Aktien die Kontrolle über ein Unternehmen erwirbt. Dadurch besteht für die übrigen Aktionäre die Gefahr, dass der Kontrollwechsel dazu führt, dass das Unternehmen anderen Zwecken zuge-
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führt wird und beispielsweise durch Eingliederung in einen Konzern überwiegend der Gewinnmaximierung der Muttergesellschaft dient. Aus diesem Grund bestimmt die Richtlinie auch, dass bei einem Kontrollwechsel jedem Aktionär einer Zielgesellschaft die Möglichkeit gesichert werden muss, seine Aktien bzw. einen Teil hiervon an den Bieter zu verkaufen.
Da der an der Kontrolle über ein Unternehmen interessierte Bieter oft bereit ist, einen weit über dem Aktienkurs liegenden Betrag für Wertpapiere zu bezahlen und für den Kauf grösserer Aktienpakete oft ein sog. Paketzuschlag bzw. Kontrollbonus bezahlt wird, soll das Pflichtangebot gewährleisten, dass alle Aktionäre gleich behandelt werden, indem dieser Paketzuschlag an alle Verkäufer von Aktien verteilt werden soll. Ausserdem soll das Pflichtangebot die Transparenz des Übernahmevorgangs gewährleisten.
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