Bericht und Antrag der Regierung an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein
betreffend den Entwurf eines Beschlusses des gemeinsamen EWR-Ausschusses (Verordnung (EU) Nr. 648/2012 des europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 über OTC-Derivate, zentrale Gegenparteien und Transaktionsregister)
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Die Verordnung (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 über OTC-Derivate, zentrale Gegenparteien und Transaktionsregister und die dazu bereits erlassenen und künftig noch zu erlassenden Delegierten Verordnungen und Durchführungsverordnungen der Europäischen Kommission sollen zu einer Minderung der Risiken aus ausserbörslich gehandelten Derivaten (Over the Counter-Derivate - OTC-Derivate) sowie zu einer Verbesserung der Transparenz des gesamten Derivatemarktes führen.
Als Sammelbezeichnung für die Verordnung (EU) Nr. 648/2012 und die relevanten Delegierten Verordnungen und Durchführungsverordnungen der Europäischen Kommission hat sich international die Abkürzung EMIR (European Market Infrastructure Regulation) durchgesetzt. Im Sinne der Klarheit, Verständlichkeit und Adressatengerechtheit wird diese Abkürzung auch bei der Schaffung der erforderlichen nationalen Rechtsgrundlagen Verwendung finden.
EMIR schafft neue aufsichtsrechtliche Anforderungen an den Abschluss und die Abwicklung von Derivatekontrakten sowie an den Derivatemarkt, insbesondere:
die Pflicht der Meldung des Abschlusses von Derivatekontrakten an Transaktionsregister;
die Pflicht zum zentralen Clearing bestimmter OTC-Derivatekontrakte durch eine zentrale Gegenpartei;
die Pflicht zur Minderung der Risiken aus nicht durch eine zentrale Gegen-partei geclearten OTC-Derivatekontrakten;
die Harmonisierung von Zulassungs-, Aufsichts- und Organisationsvorschriften für Transaktionsregister und zentrale Gegenparteien.
Der Anwendungsbereich der EMIR umfasst dabei nicht nur Transaktionsregister, zentrale Gegenparteien und so genannte finanzielle Gegenparteien (Wertpapierfirmen, Banken, Versicherungs- und Rückversicherungsunternehmen, UCITS und deren Verwaltungsgesellschaften, Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung und von AIFM verwaltete Investmentfonds), sondern auch alle sonstigen Unternehmen, die Derivatekontrakte abschliessen (so genannte nichtfinanzielle
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Gegenparteien). Nichtfinanzielle Gegenparteien sind jedoch, sofern sie nicht über ein spekulatives Derivateportfolio verfügen, das die in der EMIR definierten Schwellenwerte übersteigt, lediglich zur Meldung und Risikominderung, nicht aber zum zentralen Clearing von Derivatekontrakten verpflichtet.
Die Verordnung (EU) Nr. 648/2012 wird nach der Übernahme in das EWR-Abkommen in Liechtenstein unmittelbar gelten. Zur tatsächlichen Durchführung der EMIR ist jedoch liechtensteinisches Gesetzesrecht zu schaffen, das insbesondere die FMA als die zuständige Behörde benennt, die Befugnisse der FMA regelt sowie Strafbestimmungen und Regelungen über die Einhaltung der EMIR durch nichtfinanzielle Gegenparteien vorsieht. Zudem erfordert die Verordnung (EU) Nr. 648/2012 eine Abänderung des Finalitätsgesetzes sowie des Finanzmarktaufsichtsgesetzes.
Zuständiges Ministerium
Ministerium für Präsidiales und Finanzen
Betroffene Behörde
Finanzmarktaufsicht Liechtenstein (FMA)
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Vaduz, 12. April 2016
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Sehr geehrter Herr Landtagspräsident,
Sehr geehrte Frauen und Herren Abgeordnete
Die Regierung gestattet sich, dem Hohen Landtag nachstehenden Bericht und Antrag zum Entwurf für einen Beschluss des Gemeinsamen EWR-Ausschusses betreffend die Übernahme der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 über OTC-Derivate, zentrale Gegen-parteien und Transaktionsregister zu unterbreiten.
Aufgrund der sehr speziellen Situation und dem Interesse des Liechtensteinischen Finanzplatzes, die betroffenen EU-Rechtsakte so schnell wie möglich in Kraft zu setzen, wird dem Hohen Landtag ausnahmsweise ein finaler Entwurf
1 eines EWR-Übernahmebeschlusses in englischer Fassung zur vorherigen Genehmigung vorgelegt. Aufgrund der grossen zeitlichen Verzögerung im EWR-Übernahmeprozess und der Notwendigkeit so schnell wie möglich den EU--
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Rechtsbestand ins EWR-Abkommen zu übernehmen und auch anzuwenden, ist eine Befassung des Landtags mit bestimmten EWR-Übernahmebeschlüssen vor deren Unterzeichnung im Gemeinsamen EWR-Ausschuss notwendig.
Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Hohe Landtag einerseits mit den Umsetzungsmassnahmen der vom ersten Paket umfassten EU-Rechtsakte bereits befasst wurde. Andererseits kann auf diese Weise sichergestellt werden, dass die EWR-Übernahmebeschlüsse am Tag nach deren Unterzeichnung im Gemeinsamen EWR-Ausschuss in Kraft treten könnten, sofern alle nationalen Zu-stimmungsverfahren zu diesem Zeitpunkt abgeschlossen sind. Aktuell hat Nor-wegen angekündigt, aufgrund der nicht fertiggestellten nationalen Umsetzungsmassnahmen nach der Beschlussfassung im Gemeinsamen EWR-Ausschuss noch ein Verfahren gemäss Artikel 103 EWR-Abkommen anzumelden. Die jeweiligen Übernahmebeschlüsse können erst in Kraft treten, wenn alle drei EWR/EFTA Staaten bereit sind, d.h. in diesem Falle erst, wenn Norwegen den Abschluss dieses (grundsätzlich eine Sechs-Monats-Frist vorsehenden) Verfahrens notifiziert.
Der Gemeinsame EWR-Ausschuss wird voraussichtlich Mitte 2016 beschliessen, die Verordnung (EU) Nr. 648/2012 in das EWR-Abkommen zu übernehmen.
Die Verordnung (EU) Nr. 648/2012 ist in den EU-Mitgliedsstaaten am 16. August 2012 in Kraft getreten. Sie ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedsstaat.
Hinsichtlich der allgemeinen EWR-Anpassungen des EU-Aufsichtssystems bzw. der Kompetenzen die von den EU-Aufsichtsbehörden auf die EFTA-Überwachungsbehörde im Zuge der Übernahme in das EWR-Abkommen übertragen werden, wird auf den BuA Nr. 34/2016 verwiesen.
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1 | Geringfügige Änderungen technischer Natur können sich allenfalls im Zuge der Verfahren auf EU-Seite ergeben. Sollten solche Änderungen vorgenommen werden, wird der Landtag bzw. die EWR-Landtagskommission entsprechend informiert werden und es kann entschieden werden, ob der Landtag erneut befasst werden muss (siehe dazu Seite 8). |
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