Bericht und Antrag der Regierung an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein
betreffend die Entwürfe der Beschlüsse des Gemeinsamen EWR-Ausschusses (Verordnung (EG) NR. 1060/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 über Ratingagenturen sowie dazu erlassene Delegierte Kommissionsverordnungen und Durchführungsbeschlüsse der Kommission)
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Die Verordnung (EU) Nr. 513/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2011 und die Verordnung (EU) Nr. 462/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2013 dienen beide der Abänderung der Verordnung (EU) Nr. 1060/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 über Ratingagenturen. Letztere wird ausserdem durch verschiedene delegierte Verordnungen bzw. Durchführungsbeschlüsse der EU-Kommission ergänzt.
Die Verordnung (EU) Nr. 1060/2009 wurde bereits mit Beschluss des Gemeinsamen EWR-Ausschusses Nr. 20/2012 ins EWR-Abkommen übernommen und trat in Liechtenstein mit 1. August 2014 in Kraft. Sie schafft erstmals einen einheitlichen Rahmen für gemeinsame Anforderungen für die Zulassung von und Aufsicht über Ratingagenturen im EWR, um eine angemessene Qualität von abgegebenen Ratings im Einklang mit den Grundsätzen der Integrität, Transparenz, Rechenschaftspflicht und guten Unternehmensführung sicherzustellen. Der Zweck der Verordnung ist darüber hinaus auf das Funktionieren der Wertpapier- und Bankenmärkte sowie auf die Stärkung des Vertrauens von Anlegern und Verbrauchern ausgerichtet.
Die in der Verordnung (EU) Nr. 1060/2009 vorgesehenen nationalen Zulassungs- und Aufsichtsregime werden nach der Schaffung des Europäischen Finanzaufsichtssystems (ESFS), zu welchem unter anderem die Europäische Aufsichtsbehörden EBA, ESMA und EIOPA gehören, mit der Verordnung (EU) Nr. 513/2011 durch eine zentrale und ausschliessliche Aufsichtszuständigkeit (Registrierung und Kontrolle) der ESMA ersetzt. Den nationalen Aufsichtsbehörden kommt nur noch untergeordnete Bedeutung zu, indem sie von der ESMA mit Aufgaben betraut und in deren Aufsicht miteinbezogen werden können. Ausserdem bleiben die nationalen zuständigen Behörden für die Überwachung der Nutzer von Ratings in den einzelnen Sektoren (Banken, Wertpapierfirmen, Versicherungen) im Hinblick auf die Verwendung von Ratings durch diese Finanzintermediäre sowie für die Verwendung von Ratings in Prospekten weiterhin zuständig.
Die Verordnung (EU) Nr. 462/2013 ändert die Verordnung (EU) Nr. 1060/2009 dahingehend ab, dass Ratingausblicke auch die als "credit watch" bezeichneten
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Meinungsäusserungen umfassen, strengere Regelungen zur Vermeidung von Interessenskonflikten, zur Schaffung von Unabhängigkeit und Transparenz sowie Regelungen zur KMU-Förderung festgelegt werden. Auch Bestimmungen für die Abgabe von Länderratings (Bonitätsbewertung von Mitgliedsstaaten) werden aufgenommen.
Die delegierten Kommissions-Verordnungen sowie Durchführungsbeschlüsse der Kommission über die Gleichwertigkeit des Regelungs- und Kontrollrahmens verschiedener Länder ergänzen die Verordnung (EG) Nr. 1060/2009.
Mit diesen Rechtsakten wird ein Binnenmarkt des EWR für Ratingagenturen mit Sitz innerhalb des EWR geschaffen. Bei Einhaltung aller Bestimmungen wird ein freier Marktzutritt in den gesamten EWR auf Grundlage der zentralen Zulassung gewährt (EWR-Pass). Gleichzeitig werden Marktteilnehmer verpflichtet, sich auch auf Ratings europäischer Ratingagenturen abzustützen.
Ratingagenturen spielen auf den globalen Wertpapier- und Bankenmärkten eine wichtige Rolle. Einerseits dienen Ratings dieser Agenturen Anlegern, Kreditnehmern, Emittenten und Regierungen als Grundlage für Anlage- und Finanzentscheidungen, andererseits stützen sich verschiedenste Finanzintermediäre bei der Berechnung ihrer gesetzlichen Eigenkapitalanforderungen oder der Berechnung der Risiken ihres Anlagegeschäfts auf solche Ratings.
Die Verordnungen erlangen in Liechtenstein nach Übernahme in das EWR-Abkommen unmittelbare Geltung. Zu ihrer Durchführung ist ein Durchführungsgesetz - Ratingagenturen-Durchführungsgesetz - zu erlassen, das im Wesentlichen Regelungen zur zuständigen Behörde und deren Befugnisse sowie zu den Strafbestimmungen beinhalten wird.
Zuständiges Ministerium
Ministerium für Präsidiales und Finanzen
Betroffene Behörden
Stabsstelle für Internationale Finanzplatzagenden, SIFA
Finanzmarktaufsicht Liechtenstein, FMA
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Vaduz, 12. April 2016
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Sehr geehrter Herr Landtagspräsident,
Sehr geehrte Frauen und Herren Abgeordnete
Die Regierung gestattet sich, dem Hohen Landtag nachstehenden Bericht und Antrag zum Entwurf für Beschlüsse des Gemeinsamen EWR-Ausschusses betreffend die Übernahme der Verordnung (EU) Nr. 1060/2009 in der Fassung der Verordnungen (EU) Nr. 513/2011 und (EU) Nr. 462/2013, sowie die Delegierten Verordnungen (EU) Nr. 272/2012, (EU) Nr. 446/2012, (EU) Nr. 447/2012, (EU) Nr. 448/2012, (EU) Nr. 449/2012 und (EU) Nr. 946/2012 und die Durchführungsbeschlüsse 2014/245/EU, 2014/246/EU, 2014/247/EU, 2014/248/EU und 2014/249/EU zu unterbreiten.
Am 10. Februar 2012 hat der Gemeinsame EWR-Ausschuss beschlossen, die Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 über Ratingagenturen in das EWR-Abkommen zu übernehmen. Diese Verordnung fand bisher in den EWR/EFTA Staaten mangels Anwendungsbereichs keine Anwendung. In der nunmehr vorliegenden geänderten Fassung bedingt die Verordnung aber Anpassungen des nationalen Rechts und ist daher dem Landtag gemäss Art. 8 Abs. 2 der Landesverfassung vorzulegen.
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Aufgrund der sehr speziellen Situation und dem Interesse des liechtensteinischen Finanzplatzes, die betroffenen EU-Rechtsakte so schnell wie möglich in Kraft zu setzen, werden dem Hohen Landtag ausnahmsweise finale Entwürfe
1 von EWR-Übernahmebeschlüssen in englischer Fassung zur vorherigen Genehmigung vorgelegt. Aufgrund der grossen zeitlichen Verzögerung im EWR-Übernahmeprozess und der Notwendigkeit so schnell wie möglich den EU-Rechtsbestand ins EWR-Abkommen zu übernehmen und auch anzuwenden, ist eine Befassung des Landtags mit bestimmten EWR-Übernahmebeschlüssen vor deren Unterzeichnung im Gemeinsamen EWR-Ausschuss notwendig.
Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Hohe Landtag einerseits mit den Umsetzungsmassnahmen der vom ersten Paket umfassten EU-Rechtsakte bereits befasst wurde. Andererseits kann auf diese Weise sichergestellt werden, dass die EWR-Übernahmebeschlüsse am Tag nach deren Unterzeichnung im Gemeinsamen EWR-Ausschuss in Kraft treten könnten, sofern alle nationalen Zu-stimmungsverfahren zu diesem Zeitpunkt abgeschlossen sind. Aktuell hat Nor-wegen angekündigt, aufgrund der nicht fertiggestellten nationalen Umsetzungsmassnahmen nach der Beschlussfassung im Gemeinsamen EWR-Ausschuss noch ein Verfahren gemäss Artikel 103 EWR-Abkommen anzumelden. Die jeweiligen Übernahmebeschlüsse können erst in Kraft treten, wenn alle drei EWR/EFTA Staaten bereit sind, d.h. in diesem Falle erst, wenn Norwegen den Abschluss dieses (grundsätzlich eine Sechs-Monats-Frist vorsehenden) Verfahrens notifiziert.
Der Gemeinsame EWR-Ausschuss wird voraussichtlich Mitte 2016 beschliessen, die Verordnung (EU) Nr. 1060/2009 in der Fassung der Verordnungen (EU) Nr. 513/2011 und (EU) Nr. 462/2013, sowie die Delegierten Verordnungen (EU)
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Nr. 272/2012, (EU) Nr. 446/2012, (EU) Nr. 447/2012, (EU) Nr. 448/2012, (EU) Nr. 449/2012 und (EU) Nr. 946/2012 und die Durchführungsbeschlüsse 2014/245/EU, 2014/246/EU, 2014/247/EU, 2014/248/EU und 2014/249/EU in das EWR-Abkommen zu übernehmen.
Die Rechtsakte sind nach der Übernahme in das EWR-Abkommen in Liechtenstein unmittelbar anwendbar.
Hinsichtlich der allgemeinen EWR-Anpassungen des EU-Aufsichtssystems bzw. der Kompetenzen die von den EU-Aufsichtsbehörden auf die EFTA-Überwachungsbehörde im Zuge der Übernahme in das EWR-Abkommen über-tragen werden, wird auf den BuA Nr. 34/2016 verwiesen.
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1 | Geringfügige Änderungen technischer Natur können sich allenfalls im Zuge der Verfahren auf EU-Seite ergeben. Sollten solche Änderungen vorgenommen werden, wird der Landtag bzw. die EWR-Landtagskommission entsprechend informiert werden und es kann entschieden werden, ob der Landtag erneut befasst werden muss (siehe dazu Seite 10). |
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