Bericht und Antrag der Regierung an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein
betreffend die Schaffung eines Gesetzes über die Vermögensverwaltung (Vermögensverwaltungsgesetz; VVG)
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Die Vermögensverwaltung auf Einzelkundenbasis ist bisher im Treuhändergesetz (TrHG) und im Bankengesetz geregelt. Ausschliesslich Inhaber einer Bewilligung gemäss vorgenannten Gesetzen dürfen diese Dienstleistung ihren Kunden gewerbsmässig anbieten. Damit müssen Personen, selbst wenn sie ausschliesslich die Vermögensverwaltung betreiben wollen, unverhältnismässig hohe Voraussetzungen nachweisen und Auflagen erfüllen, um diese Tätigkeit ausüben zu können. Die grosse Zahl von Anfragen bei der Finanzmarktaufsicht Liechtenstein (FMA) bezüglich der Bewilligungspflicht für Dienstleistungen im Bereich der Vermögensverwaltung zeigt jedoch, dass ein grosses Interesse vorhanden ist und Liechtenstein auch auf Grund der guten Rahmenbedingungen seine Anziehungskraft in diesem Sektor nicht verloren hat. Ein neues Gesetz über die Vermögensverwaltung, das sowohl praxisgerecht ausgestaltet ist als auch den international anerkannten, aufsichtsrechtlichen Bestimmungen entspricht, kommt in diesem Sinne einem grossen Bedürfnis des Finanzplatzes nach.
Durch die Schaffung des Vermögensverwaltungsgesetzes (VVG) wird in Liechtenstein ein neuer und international anerkannter Finanzintermediär entstehen, dessen Tätigkeiten bisher Banken und Treuhändern vorbehalten blieben. Die liechtensteinische Vermögensverwaltungsgesellschaft wird dem europäischen Standard entsprechen und kann somit den EU-Pass erlangen, mit welchem sie ohne Weiteres im gesamten EWR tätig werden kann. Gleichzeitig wird durch die Loslösung der klassischen Vermögensverwaltung und Anlageberatung vom Berufsbild des Treuhänders letzterer Beruf auch weiterhin als liechtensteinisches Spezifikum beibehalten werden können.
Durch die möglichst rasche Schaffung des Vermögensverwaltungsgesetzes (VVG) kann Liechtenstein eine Vorreiterrolle in Europa einnehmen, da europaweit bislang kein speziell auf die Vermögensverwaltung zugeschnittenes Gesetz existiert. Zudem werden dadurch Auflagen und Voraussetzungen erfüllt, welche die Attraktivität des Finanzplatzes fördern. Die im Rahmen der Totalrevision des Gesetzes über die Investmentunternehmen (IUG) eingeführte Bestimmung für Fondsleitungen, wonach diese die Portfolioverwaltung für Einzelkunden erbringen darf, setzt voraus, dass das VVG in Kraft getreten ist. Ebenso wird der Anregung des Internationalen Währungsfonds (IWF) anlässlich des Assessments vom Oktober 2002
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Rechnung getragen, indem die Anlageberatung und Vermögensverwaltung unter die prudentielle Aufsicht der FMA gestellt werden. Zudem ist mit der Schaffung dieses Gesetzes eine Bedingung für den Beitritt zur "International Organization of Securities Commissions (IOSCO)" erfüllt, welchen Liechtenstein zwecks internationaler Anerkennung im Bereich der Wertpapieraufsicht bald möglichst anstrebt.
Schliesslich wird unter dem Gesichtspunkt der internationalen Anerkennung ein attraktiver Berufsstand geschaffen, der die Dienstleistungspalette für die Akteure des Finanzplatzes vergrössert und die Erbringung der Dienstleistungen auf höchstem internationalen Niveau sicherstellt.
Zuständiges Ressort
Ressort Finanzen
Betroffene Behörde
Finanzmarktaufsicht (FMA)
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Vaduz, 23. August 2005
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Sehr geehrter Herr Landtagspräsident
Sehr geehrte Frauen und Herren Abgeordnete
Die Regierung gestattet sich, dem Hohen Landtag nachstehenden Bericht und Antrag zu unterbreiten.
Der Finanzplatz Liechtenstein ist eine zentrale Säule der liechtensteinischen Volkswirtschaft und ist in die internationale Finanzwelt eingebunden. Die Regelungen betreffend die Finanzintermediäre sind im Wesentlichen in vier Spezialgesetzen enthalten: dem Bankengesetz (BankG), dem Gesetz über die Investmentunternehmen (IUG), dem Versicherungsaufsichtsgesetz (VersAG) und dem Treuhändergesetz (TrHG). Die jeweiligen Gesetze definieren unter anderem alle Tätigkeiten, die ein konzessioniertes Unternehmen ausüben kann, sowie sämtliche Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, um eine Konzession zu erhalten. Das Erlangen von Teilkonzessionen ist nur teilweise vorgesehen, jedoch werden dadurch die Bewilligungsvoraussetzungen nicht wesentlich vermindert. Die Folge davon ist, dass die Voraussetzungen und Auflagen für Unternehmen, die lediglich ein oder zwei spezialgesetzlich geregelte Tätigkeiten ausüben möchten, je nach-
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dem unverhältnismässig hoch sein können. Gerade im internationalen Vergleich ist es ein liechtensteinisches Spezifikum, dass Finanzdienstleistungen, abgesehen vom Versicherungsgeschäft und der kollektiven Anlageverwaltung, ausschliesslich Banken und Treuhändern vorbehalten sind, und der Vermögensverwalter als solcher gesetzlich nicht geregelt ist. Die "klassische" Vermögensverwaltung ist in Liechtenstein zwar sehr wohl bekannt, jedoch lediglich als Teilbereich der Dienstleistungen, die ein Treuhänder bzw. eine Treuhandgesellschaft seinen Kunden anbieten kann. Dadurch ist der Einstieg für "klassische" Vermögensverwalter erschwert, da sie neben ihrem künftigen Tätigkeitsgebiet bei der Treuhänderprüfung auch in Fachgebieten (z.B. Bilanzierung, Gründungswesen) geprüft werden, die zwar für ihre künftige Tätigkeit eventuell hilfreich sein können, aber nicht notwendigerweise die Qualität der Dienstleistung erhöhen.
Der Beruf des Treuhänders ist in den EWR-Staaten in dieser Form nicht bekannt und gehört damit nicht zu den harmonisierten Berufen des EWR. Dadurch ist es den Treuhändern verwehrt, von den vier Grundfreiheiten des EWR-Abkommens (EWRA)
1, insbesondere der Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit (Art. 31 bzw. Art. 36 EWRA), zu profitieren. Deshalb können sie keine grenzüberschreitenden Wertpapierdienstleistungen im EWR erbringen. Die Mitbewerber (Wertpapierfirmen) aus dem EWR können hingegen diese Freiheiten bereits heute nutzen und ohne grossen Aufwand in Liechtenstein und dem restlichen EWR ihre Dienstleistungen anbieten. Es gilt somit, für die liechtensteinischen Vermögensverwaltungsgesellschaften gleiche Wettbewerbschancen zu schaffen.
Neben den Treuhändern bieten auch Banken die Dienstleistung der Vermögensverwaltung an, welche einen Teil des üblichen Bankgeschäfts darstellt und durch die Bankenkonzession abgedeckt ist.
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1 | Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum, LGBl. 1995 Nr. 68. |
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