Bericht und Antrag der Regierung an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein
betreffend das Abkommen zwischen der Regierung des Fürstenstums Liechtenstein und der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika über die Vertiefung der Zusammenarbeit bei der Verhinderung und Bekämpfung schwerer Straftaten
Der Abschluss des vorliegenden Abkommens ist für Liechtenstein eine weitere, unabdingbare Voraussetzung für die Teilnahme am "Visa Waiver Program" (VWP) der USA, d.h. für die visumsbefreite Einreise von liechtensteinischen Staatsangehörigen zu touristischen Zwecken in die USA. Das Abkommen ist von den beiden Regierungen bis spätestens Ende Juni 2012 zu unterzeichnen. Für die Ratifizierung des Abkommens haben die USA vorderhand keine Frist gesetzt.
Die Entwicklungen der letzten Jahre in den Bereichen des internationalen Terrorismus und der grenzüberschreitenden Kriminalität haben die Notwendigkeit einer verstärkten internationalen Zusammenarbeit von Polizei und Justiz verdeutlicht. Die USA sind ein wichtiger Partner Liechtensteins in der grenzüberschreitenden Bekämpfung von schweren Straftaten. Das mit den USA ausgehandelte Abkommen über die Vertiefung der Zusammenarbeit bei der Verhinderung und Bekämpfung schwerer Straftaten, das auf dem Vorbild des in der EU entwickelten Prümer Regelwerks beruht, entspricht diesem Ziel.
Die Vertragsparteien verfolgen mit diesem Abkommen das Ziel, die grenzüberschreitende polizeiliche Zusammenarbeit, insbesondere auf dem Gebiet des Informationsaustausches, zum Zwecke der Verhinderung und Bekämpfung von schweren Straftaten zu vertiefen. Dies liegt im Zeitalter des visafreien Reiseverkehrs auch im Interesse eines erhöhten Schutzes der liechtensteinischen Staatsangehörigen vor internationaler organisierter Kriminalität und Terrorismus.
Das Abkommen bezweckt somit die Intensivierung des Informationsaustausches durch die Ermöglichung eines automatisierten Abrufs von daktyloskopischen Daten (Finger- oder Handballenabdrücken) sowie von DNA-Profilen im Einzelfall, und zwar im Rahmen eines sogenannten Treffer-/Nicht-Trefferprinzips ("hit/no hit"-Verfahrens) und stellt ein Rahmenabkommen dar. Die operative Umsetzung soll zu einem späteren Zeitpunkt in Durchführungsübereinkommen geregelt werden. Im gegenständlichen Abkommen werden die rechtlichen Rahmenbedingungen für einen proaktiven Austausch von personenbezogenen und anderen Daten zur Verhinderung schwerer Straftaten mit einer transnationalen Dimension und terroristischer Straftaten geschaffen. Ein automatisierter wechselseitiger Austausch von
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DNA-Profilen kann allerdings erst nach Änderung der diesbezüglichen innerstaatlichen Rechtslage in den USA erfolgen.
Bis zu dem Zeitpunkt, zu welchem der automatisierte Abgleich von Fingerabdrücken oder DNA-Profilen umgesetzt wird, werden die relevanten Daten einzelfallbezogen ausgetauscht. Da die Landespolizei ihre Fingerabdruck- und DNA-Datensätze in die diesbezüglichen schweizerischen Datenbanken einspeist, ist eine Umsetzung des automatisierten Abgleichs auch von der Willensbildung und der Umsetzung der Schweiz abhängig.
Zuständige Ressorts
Ressort Äusseres
Ressort Inneres
Betroffene Amtsstellen
Ausländer- und Passamt
Landespolizei
Amt für Auswärtige Angelegenheiten
Datenschutzstelle
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Vaduz, 22. Mai 2012
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Sehr geehrter Herr Landtagspräsident,
Sehr geehrte Frauen und Herren Abgeordnete
Die Regierung gestattet sich, dem Hohen Landtag nachstehenden Bericht und Antrag betreffend den Abschluss eines Abkommens über die Vertiefung der Zusammenarbeit bei der Verhinderung und Bekämpfung schwerer Straftaten zwischen dem Fürstentum Liechtenstein und den Vereinigten Staaten von Amerika an den Landtag zu unterbreiten.
Im Oktober 2009 teilte die Botschaft der USA in Bern Liechtenstein mit diplomatischer Note mit, dass alle Staaten, welche auch in Zukunft am "Visa Waiver Program" (VWP)
1 teilnehmen wollen, ein Abkommen mit den USA abzuschliessen haben, das den Austausch von Daten zu schweren Straftaten (serious crime) zum Gegenstand hat. Ohne Abschluss eines Abkommens wären liechtensteinische Staatsangehörige, die zu Tourismuszwecken in die USA reisen möchten, wieder-
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um visumspflichtig. Die USA forderten im Jahr 2008 bereits den Abschluss einer Vereinbarung zum Austausch von Daten über vermutete und bekannte Terroristen. Diese Vereinbarung wurde zwischenzeitlich auf Ebene der involvierten Behörden abgeschlossen. Auch die Ausgabe eines biometrischen Reisepasses seit dem 26. Oktober 2006 sowie die Eingabe verlorener oder gestohlener Reisepässe in die entsprechende Interpol-Datenbank beruhen auf Vorgaben der USA für die Teilnahme am "Visa Waiver Program".
Das Abkommen zwischen der Regierung des Fürstentums Liechtenstein und der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika über die Vertiefung der Zusammenarbeit bei der Verhinderung und Bekämpfung schwerer Straftaten geht inhaltlich über die Bestimmungen des Polizeigesetzes hinaus und bedarf daher der Genehmigung durch den Landtag.
Am 24. November 2009 beschloss die Regierung, Verhandlungen über ein Abkommen mit den USA zur Zusammenarbeit bei der Verhinderung und Bekämpfung schwerer Straftaten ("Agreement on Enhancing Cooperation in Preventing and Combating Serious Crime", PCSC-Abkommen) aufzunehmen. Die liechtensteinische Delegation setzte sich aus je einem Vertreter des Ausländer- und Passamtes, der Landespolizei, des Amtes für Auswärtige Angelegenheiten und der Datenschutzstelle zusammen.
Die Verhandlungsdelegationen trafen sich das erste Mal im Juni 2010 in Bern, um inhaltliche Abklärungen zu treffen, insbesondere vor dem Hintergrund, dass die abzugleichenden liechtensteinische Daten in schweizerische Systeme eingepflegt werden sowie dem Umstand der vergleichsweise geringen Zahl relevanter Daten sowie zu erwartender Treffer/Hits. Nach dem Austausch mehrerer Vorentwürfe einigten sich die Delegationen am 28. Februar 2012 in Washington D.C. auf den vorliegenden Abkommenstext in deutscher und englischer Sprache, wobei der Wortlaut jeweils authentisch ist.
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1 | Das Visa Waiver Program (VW) ermöglicht den 36 daran teilnehmenden Staaten die visumsfreie Einreise in die USA zu touristischen Zwecken bei einem Aufenthalt von 90 Tagen oder weniger. |
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