Stellungnahme der Regierung an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein
zu den in der ersten Lesung der Regierungsvorlage betreffend die Schaffung eines Gesetzes über die Information und Mitsprache der Arbeitnehmer in den Betrieben (Mitwirkungsgesetz) aufgeworfenen Fragen
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Vaduz, 30. September 1997
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Sehr geehrter Herr Landtagspräsident
Sehr geehrte Frauen und Herren Abgeordnete
In der Landtagssitzung vom 16. April 1997 wurden anlässlich der ersten Lesung der Regierungsvorlage betreffend die Schaffung eines Gesetzes über die Information und Mitwirkung der Arbeitnehmer in den Betrieben (Mitwirkungsgesetz) einzelne Fragen aufgeworfen und Anregungen gemacht. Die Regierung unterbreitet dem Landtag eine Stellungnahme, die sich mit den Fragen und Anregungen befasst und eine Kommentierung zu den vorgeschlagenen Änderungen vornimmt.
Zur leichteren Orientierung werden die Änderungen der Gesetzesvorlage gegenüber der ersten Lesung durch Fettdruck und Unterstreichung hervorgehoben.
Die Regierung hat mit Befriedigung zur Kenntnis genommen, dass die Vorlage zu einem neuen Gesetz über die Information und Mitwirkung der Arbeitnehmer in den Betrieben im allgemeinen gut aufgenommen wurde und Eintreten auf die Vorlage somit unbestritten war.
Einige Landtagsabgeordnete kritisierten, dass die schweizerische Vorlage nicht wörtlich übernommen wurde, sondern Abänderungen vorgenommen wurden, die nicht begründet erscheinen. Es ist jedoch so, dass die Abweichungen im vorlie-
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gende Entwurf gegenüber dem schweizerischen Mitwirkungsgesetz keine Verschlechterung der Stellung der Arbeitnehmer darstellen. Die Vorlage zeigt den Rahmen der Mitwirkungsmöglichkeiten der Arbeitnehmerschaft auf, und sie soll die betriebsverfassungsrechtlichen bzw. institutionellen Voraussetzungen für die praktische Durchführung jener Bestimmungen des EWR-Arbeitsrechts schaffen, die der Arbeitnehmerschaft Informations- oder Konsultationsrechte gewähren, wobei die Bestimmungen über die Massenentlassung und den Betriebsübergang vor kurzem in Kraft getreten sind (vgl. unten, zu Art. 8).
Von der schweizerischen Vorlage wurde in verschiedenen Artikeln geringfügig abgewichen, jedoch wurden im Rahmen einer nochmaligen Überarbeitung der Gesetzesvorlage weitere Angleichungen vorgenommen. So z.B. lautet der Titel des Gesetzes neu "Gesetz über die Information und Mitsprache der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in den Betrieben (Mitwirkungsgesetz; MWG)". Dadurch musste Art. 1 der Vorlage nicht geändert werden, da der Begriff "Mitwirkung" sowohl Information als auch Mitsprache beinhaltet, wie sich nun klar aus dem Titel sowohl des schweizerischen als auch des liechtensteinischen Gesetzes ergibt.
Eine Angleichung der Bestimmungen an die schweizerische Vorlage erfolgte in Art. 6 und Art. 7. Neu scheint Art. 6 unter der Überschrift "Aufgaben" auf, wobei sich der Wortlaut auf die schweizerische Vorlage stützt und die Aufgaben der Arbeitnehmervertretung umrissen werden. In einem neuen Art. 7 wird das Informationsrecht der Arbeitnehmervertretung festgehalten. Durch diese Aufspaltung des Art. 6 der ursprünglichen Vorlage in einen Aufgaben- und einen Informationsbereich wurde die Vorlage im Aufbau dem schweizerischen Gesetz angeglichen und leichter verständlich gemacht.
Der Geltungsbereich des Gesetzes wurde für Liechtenstein in Art. 2 der Vorlage auch auf Betriebe des öffentlichen Rechts ausgedehnt, da nach EWR-rechtlichen Vorgaben die Verwaltung nicht grundsätzlich, also einschliesslich der öffentlich-
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rechtlichen Betriebe (z.B. LKW, LGV), vom Geltungsbereich des Gesetzes ausgenommen werden kann. Die Verwaltung im engeren Sinne jedoch untersteht nicht dem Anwendungsbereich dieses Gesetzes, da sowohl die Aufgabenstellung (hoheitliche Funktionen) als auch die Dienstverhältnisse besonderer Art sind und sowohl die Dienstgeber als auch die Dienstnehmer besonderen gesetzlichen Vorschriften unterstehen. Deshalb rechtfertigt sich eine Umschreibung des Geltungsbereichs des MWG, welcher die öffentlich-rechtlichen Betriebe des Landes mitumfasst, jedoch die Landesverwaltung und die Gemeindeverwaltungen im engeren Sinn ausdrücklich ausklammert.
In Art. 4 der Gesetzesvorlage wird festgehalten, dass, im Unterschied zum schweizerischen Gesetz, die Arbeitnehmer in jedem Fall bei Erreichen der Mindestzahl von 50 Arbeitnehmern im Betrieb eine Abstimmung über die Einführung einer Arbeitnehmervertretung durchzuführen haben. Wollen die Arbeitnehmer keine Vertretung einführen, so verlieren sie dadurch ihr Recht selbstverständlich nicht, zu einem späteren Zeitpunkt wiederum eine Abstimmung abzuhalten und allenfalls eine Arbeitnehmervertretung einzuführen. Diese Möglichkeit wurde neu in einen neuen Absatz des Art. 4 aufgenommen.
Kritisiert wurde von den Landtagsabgeordneten die allgemein gehaltene Formulierung des Art. 6 der ursprünglichen Vorlage (neu handelt es sich dabei um Art. 6 und 7). Es werden hier jedoch nur Grundsätze des Mitwirkungsrechts festgehalten. Es bleibt jedem Betrieb selbst überlassen, ausführlichere Bestimmungen in der Betriebsordnung festzulegen, die über die gesetzlich zwingend vorgesehenen Informations- und Mitwirkungsrechte hinaus gehen, wie letztere insbesondere in Art. 8 der Vorlage festgehalten werden. Dem Sinn nach weicht somit die liechtensteinische Vorlage nicht vom schweizerischen Mitwirkungsgesetz ab.
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Die liechtensteinische Gesetzesvorlage beinhaltete in Art. 8 Abs. 2 eine allgemeiner gehaltene Formulierung als die schweizerische Vorlage. Die Arbeitnehmervertretung sollte vom Arbeitgeber im "notwendigen Umfang" unterstützt werden. Neu zählt die Bestimmung (Art. 9 Abs. 2) gewisse Hilfeleistungen nur beispielhaft auf, damit im Einzelfall eine flexible Lösung möglich ist. So wird die Arbeitnehmervertretung beispielsweise durch die Zurverfügungstellung von Räumen, Hilfsmitteln und administrativen Dienstleistungen unterstützt. Die Grenze findet die Unterstützungspflicht dort, wo sie den "notwendigen Umfang" überschreitet. Somit ist eine übermässige oder exzessive Inanspruchnahme betrieblicher Infrastruktur ausgeschlossen.
Zu Diskussionen Anlass gab auch Art. 10 (neu Art. 11) über die Verschwiegenheitspflicht. Nun wurde die Gesetzesvorlage abgeändert und der entsprechende Wortlaut vom schweizerischen Gesetz übernommen. Somit ist die Abgrenzung zwischen der relativen und der absoluten Verschwiegenheit klar ausgedrückt.
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1 | Kürzlich hatte das schweizerische Bundesgericht die Gelegenheit, die Rechte der Arbeitnehmer im Falle einer Massenentlassung (Konsultationsverfahren) zu konkretisieren. Vgl. BGE 123 II S. 177, ZBJV 133 [1997] 505. |
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