Bericht und Antrag der Regierung an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein
betreffend die Teilrevision des Gesetzes über die Information und Mitsprache der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in den Betrieben (Mitwirkungsgesetz; MWG)
Umsetzung der Richtlinie 2002/14/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. März 2002 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer in der Europäischen Gemeinschaft und der Richtlinie 1999/70/EG des Rates vom 28. Juni 1999 zu der EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge
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Die Richtlinie 2002/14/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. März 2002 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer in der Europäischen Gemeinschaft zielt auf die Festlegung von Mindestvorschriften über die Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer ab. Sie gewährleistet die regelmässige Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer über wirtschaftliche und strategische Entwicklungen des Unternehmens, in welchem sie beschäftigt sind, die gestiegenen Anforderungen an die Informationspflichten des Arbeitgebers sowie die Möglichkeit der Arbeitnehmerschaft, zu bestimmten Themen Stellung zu nehmen.
In diesem Zusammenhang ist auch § 7 der Richtlinie 1999/70/EG des Rates vom 28. Juni 1999 zu der EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung
1 über befristete Arbeitsverhältnisse umzusetzen. § 7 der Richtlinie 1999/70/EG bestimmt, dass befristet Beschäftigte bei der Berechnung der Schwellenwerte für die Einrichtung von Arbeitnehmervertretungen zu berücksichtigen sind.
Die Mitwirkung der Arbeitnehmer ist im liechtensteinischen Recht derzeit im Mitwirkungsgesetz (MWG
2), im § 1173a ff des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches vom 1. Juni 1811 (ABGB)
3 sowie im Gesetz vom 16. Juni 2000 über Europäische Betriebsräte
4 geregelt. Das Mitwirkungsgesetz legt Rahmenbedingungen für die Bestellung einer Arbeitnehmervertretung sowie die Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmerschaft fest. Da die Richtlinie 2002/14/EG die Themen, bei welchen die Unterrichtung und Anhörung durchgeführt werden muss, umfassender und detaillierter vorgibt, besteht Anpassungsbedarf.
Die Umsetzungsfrist für die Richtlinie 2002/14/EG endete am 23. März 2005, diejenige für §7 der Richtlinie 1999/70/EG am 10. Juli 2001 (siehe Bericht und Antrag Nr. 66/2005).
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Zuständiges Ressort
Ressort Wirtschaft
Betroffene Amtsstelle
Amt für Volkswirtschaft
Finanzielle und personelle Auswirkungen
Diese Vorlage hat keine finanziellen noch personellen Auswirkungen.
Räumliche und organisatorische Auswirkungen
Diese Vorlage hat keine räumlichen oder organisatorischen Folgen.
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Vaduz, 27. September 2005
P
Sehr geehrter Herr Landtagspräsident,
Sehr geehrte Frauen und Herren Abgeordnete
Die Regierung gestattet sich, dem Hohen Landtag nachstehenden Bericht und Antrag betreffend die Teilrevision des Gesetzes über die Information und Mitsprache der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in den Betrieben (Mitwirkungsgesetz; MWG)
5 zu unterbreiten.
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1 | EGB (Europäischer Gewerkschaftsbund), UNICE (Union der Industrie- und Arbeitgeberverbände Europas) und CEEP (Europäischer Zentralverband) |
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2 | LGBl. 1997 Nr. 211 |
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3 | Amtliches Sammelwerk der vor dem 1.1.1863 erlassenen Rechtsvorschriften in bereinigter Form. |
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4 | LGBl. 2000 Nr. 162 |
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5 | LGBl. 1997 Nr. 211 |
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Die sich fortsetzende Globalisierung der Märkte, der wirtschaftliche Wandel, die europäische Währungsunion und die Erweiterung der Union haben eine nicht zu unterschätzende Wirkung auf die Unternehmungen. Oft sind Umstrukturierungen in Unternehmen und Betrieben die Folge dieser Entwicklungen. Solche Umstrukturierungen haben Konsequenzen für die im Betrieb oder Unternehmen beschäftigten Arbeitnehmer, die bis zum Arbeitsplatzverlust führen können. Die Europäische Union sieht daher den Bedarf, in den Unternehmen ein Klima des Vertrauens
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zwischen den Arbeitgebern und Arbeitnehmern zu schaffen, indem der Dialog im Unternehmen gestärkt wird. Nur dann sind Unternehmen in der Lage längerfristig wettbewerbsfähig zu bleiben. Die Entscheidung über eine Unternehmensumstrukturierung muss ein Vorrecht der Unternehmensleitung bleiben. Allerdings ist den Arbeitnehmern jedenfalls Schutz zu gewähren, soweit die unternehmerische Freiheit dadurch nicht eingeschränkt wird. Vor weitreichenden Konsequenzen sollen die Arbeitnehmer wenigstens rechtzeitig in Kenntnis gesetzt werden. Die Beschäftigten werden in die Lage versetzt Risiken besser zu erkennen, um auf neue Anforderungen flexibel reagieren zu können, beispielsweise durch Fortbildungen.
6Mit der Richtlinie 2002/14/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. März 2002 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer in der Europäischen Gemeinschaft (ABl. L 80 vom 23.03.2002) wird die Stärkung des sozialen Dialogs, eine positive Beschäftigungsentwicklung und ein funktionierender Binnenmarkt angestrebt.
Der bestehende gesetzliche Rahmen, sowohl auf Gemeinschafts- als auch auf nationaler Ebene konnte nicht sicherstellen, dass die Beschäftigten mit schwerwiegenden Entscheidungen erst dann konfrontiert wurden, wenn zuvor das angemessene Informations- und Anhörungsrecht durchgeführt wurde.
7 Die nationalen Bestimmungen zur Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer sind unterschiedlich ausgestaltet. Die Harmonisierung der Arbeitnehmerrechte in Europa durch die Schaffung eines Mindeststandards in allen Mitgliedstaaten ist für die Arbeitnehmer in Europa ein wichtiger Schritt zu mehr Teilhabe an Entscheidungen, die sie unmittelbar betreffen. Die Richtlinie 2002/14/EG ergänzt die bestehenden Bestimmungen über die Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer bei -
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Massenentlassungen (Richtlinie 98/59/EG)
8 und beim Betriebsübergang (Richtlinie 98/50/EG und Richtlinie 2001/23/EG)
9 sowie die Richtlinie über die Europäischen Betriebsräte (Richtlinie 94/45/EG)
10.
Die erwähnten Richtlinien befassen sich alle mit der Anhörung und Information von Arbeitnehmern. Allerdings zeigt sich bei einer gesamtheitlichen Betrachtung, dass ein umfassendes allgemeingültiges Recht zur Information und Anhörung der Arbeitnehmer der Mitgliedstaaten der Europäischen Union durch die bereits erlassenen - und in das nationale Gesetz umgesetzten - Richtlinien nicht bestand. Grund dafür ist, dass die erwähnten Richtlinien die Anhörungs- und Informationsrechte nur für ausgewählte Fallkonstellationen gewähren.
Bereits in der Vergangenheit wurden in Liechtenstein Massnahmen ergriffen, um die Mitwirkungsrechte der Arbeitnehmerschaft zu sichern. Mit der Schaffung des Gesetzes vom 23. Oktober 1997 über die Information und Mitsprache der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in den Betrieben (Mitwirkungsgesetz; MWG)
11 wurde in Liechtenstein die rechtliche Grundlage für die Wahrnehmung der Informationsrechte der Arbeitnehmerschaft geschaffen. Dieses Gesetz wurde als Rahmengesetz ausgestaltet, welches den Sozialpartnern weitgehende Freiheit in der Umsetzung ermöglichte.
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Die Richtlinie 1999/70/EG des Rates vom 28. Juni 1999 zu der EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung
12 über befristete Arbeitsverhältnisse (Abl. Nr. L 175 vom 10.7.1999) wird derzeit im Zuge einer Abänderung des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches vom 1. Juni 1811 (ABGB)
13 übernommen. Einzig § 7 der Richtlinie 1999/70/EG wird im Rahmen der vorliegenden Teilrevision des MWG umgesetzt, da dieser inhaltlich dem MWG zuzuordnen ist. Der übrige Inhalt der Richtlinie 1999/70/EG wird mit der Gesetzesvorlage zu Bericht und Antrag Nr. 66/2005 umgesetzt.
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6 | B. Spreer, Die Richtlinie 2002/14/EG zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer in der Europäischen Gemeinschaft, Logos Verlag Berlin 2005, S. 185ff. |
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7 | Erwägungsgrund 6 der Richtlinie 2002/14/EG |
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8 | Richtlinie 98/59/EG des Rates vom 20. Juli 1998 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Massenentlassungen; LGBl. 1997 Nr. 154 |
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9 | Richtlinie 98/50/EG des Rates vom 29. Juni 1998 zur Änderung der Richtlinie 77/187/EWG zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- oder Betriebsteilen; Richtlinie 2001/23/EG des Rates vom 12. März 2001 zur Angleichung der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- und Betriebsteilen; Die Richtlinie 2001/23/EG ist eine Kodifizierung der Richtlinie 77/187/EG und der Richtlinie 98/50/EG; LGBl. 2002 Nr. 88. |
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10 | Richtlinie 94/45/EG des Rates vom 22. September 1994 über die Einsetzung eines Europäischen Betriebsrats oder die Schaffung eines Verfahrens zur Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer in gemeinschaftsweit operierenden Unternehmen und Unternehmensgruppen; LGBl. 2000 Nr. 162 |
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11 | LGBl. 1997 Nr. 211 |
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12 | EGB (Europäischer Gewerkschaftsbund), UNICE (Union der Industrie- und Arbeitgeberverbände Europas) und CEEP (Europäischer Zentralverband) |
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13 | ASW (Amtliches Sammelwerk) der vor dem 1.1.1863 erlassenen Rechtsvorschriften in bereinigter Form |
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