Bericht und Antrag der Regierung an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein
betreffend Abänderung des Polizeigesetzes (SIS und Sirene)
4
Die Umsetzung und das Inkrafttreten der Schengener Assoziierungsabkommen (vgl. Fussnote 1, Seite 5) setzen u.a. voraus, dass Liechtenstein als Ausgleich für den Abbau systematischer Personenkontrollen an der Grenze einen Anschluss an das Schengener Informationssystem (SIS) realisiert, in welchem bestimmte Personen und Sachen von allen Mitgliedstaaten und den assoziierten Staaten im gesamten Schengenraum zur Fahndung ausgeschrieben und von allen zugriffsberechtigten Sicherheitsbehörden abgefragt werden können.
Ferner haben die angeschlossenen Staaten eine Behörde zu bezeichnen, welche für das Funktionieren und die Sicherheit des nationalen Systemteiles sowie die Datenpflege verantwortlich ist. Ausserdem ist ähnlich wie im INTERPOL-Verkehr eine nationale Zentralstelle einzurichten, das sog. SIRENE-Büro, welches für den internationalen Austausch von zusätzlichen Informationen und die Koordinierung der erforderlichen Massnahmen verantwortlich ist.
Soweit die Schengenassoziierung polizeiliche Aufgaben betrifft, ist in Liechtenstein die Landespolizei die zuständige Behörde, insbesondere soll sie auch mit der Einrichtung, dem Betrieb und des Unterhaltes des nationalen Teiles des SIS sowie mit der Einrichtung und dem Betrieb des SIRENE-Büros beauftragt werden. Zu diesem Zweck will diese Gesetzesvorlage die dafür erforderlichen gesetzlichen Grundlagen schaffen. Die eigentliche Regelung der Umsetzung im Detail, welche weitgehend durch die europäischen Rechtsakte vorgezeichnet ist, soll im Verordnungswege erfolgen.
Die erforderliche Umsetzung besonderer Regeln hinsichtlich der auszutauschenden Informationen soll zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen, da dazu vorher noch eine vergleichende Prüfung der Umsetzungen im Ausland und eine entsprechende Vernehmlassung durchgeführt werden sollen.
Zuständiges Ressort
Ressort Inneres
Betroffene Amtsstellen
Landespolizei, Ausländer- und Passamt, Motorfahrzeugkontrolle
5
Vaduz, 27. Mai 2008
P
Sehr geehrter Herr Landtagspräsident,
Sehr geehrte Frauen und Herren Abgeordnete
Die Regierung gestattet sich, dem Hohen Landtag nachstehenden Bericht und Antrag betreffend Abänderung des Polizeigesetzes (SIS und Sirene) an den Landtag zu unterbreiten.
Am 29. Februar 2008 hat Liechtenstein die Protokolle zur Assoziierung Liechtensteins an das System von Schengen/Dublin
1 unterzeichnet. Teil des daraus in liechtensteinisches nationales Recht umzusetzenden Schengen-Acquis sind die Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über den Betrieb und die -
6
Nutzung des Schengener Informationssystems der zweiten Generation (SIS II)
2 sowie die Verordnung des Europäischen Parlamentes und des Rates über den Zugang von für die Ausstellung von Kfz-Zulassungsbescheinigungen zuständigen Dienststellen der Mitgliedstaaten zum Schengener Informationssystem der zweiten Generation
3, der Beschluss des Rates über die Einrichtung, den Betrieb und die Nutzung des Schengener Informationssystems der zweiten Generation (SIS II)
4, die Entscheidung der Kommission zur Annahme des SIRENE-Handbuchs und anderer Durchführungsbestimmungen für das Schengener Informationssystem der zweiten Generation (SIS II)
5 sowie der Rahmenbeschluss des Rates über die Vereinfachung des Austausches von Informationen und Erkenntnissen zwischen den Strafverfolgungsbehörden der Mitgliedstaaten der Europäischen Union
6 in der Fassung der Berichtigung dieses Rahmenbeschlusses
7. Alle diese Rechtsakte betreffen in erster Linie die Landespolizei und sind durch diese zu vollziehen, weshalb deren Umsetzung im Polizeigesetz und der darauf gestützten Verordnung über den Dienstbetrieb und die Organisation der Landespolizei erfolgen soll.
Die drei ersten Rechtsakte betreffen die Einrichtung der nationalen technischen und organisatorischen Infrastruktur, welche notwendig ist, um mit dem zentralen Schengener Informationssystem, also der europaweiten Fahndungsdatenbank, sowie unter den nationalen Zentralstellen (SIRENE-Büros) der Mitgliedstaaten und der assoziierten Staaten kommunizieren zu können. Dies betrifft einerseits die reinen Personen- und Sachfahndungsdaten, welche im Schengener Informationssystem (SIS) ausgeschrieben und abgefragt werden können, sowie den Austausch der sogenannten Zusatzinformationen im Zusammenhang mit den Ausschreibungen. Die zweitgenannte Verordnung betrifft bestimmte Zugriffsrechte und Kon-
7
trollpflichten der Verkehrszulassungsbehörden. Da das Schengener Informationssystem sich auf die erste und dritte Säule des EU-Rechts stützt, sind diese Regeln in der ersten EG-Verordnung und im EU-Ratsbeschluss z.T. redundant geregelt.
Der vierte Rechtsakt, das sog. SIRENE-Handbuch, regelt detailliert die Aufgaben der nationalen Zentralstellen, welche für den Informationsaustausch zuständig sind (sog. SIRENE-Büros) und gewährleisten sollen, dass die in den SIS-Rechtsakten vorgesehenen Massnahmen ergriffen werden oder dass über die Gründe informiert wird, weshalb solche Massnahmen nicht ergriffen werden können. Dies ist vor allem für den Fall eines Treffers einer Datenabfrage von Relevanz (z.B. Kontrolle einer ausgeschriebenen Person, eines ausgeschriebenen Fahrzeuges etc.). Solche Zusatzinformationen können aber auch die Datenqualität betreffen oder Fragen im Zusammenhang mit der Kompatibilität und der Priorität von Ausschreibungen untereinander (mehrere Staaten schreiben dieselbe Person oder Sache aus). Das SIRENE-Büro fungiert generell als Auskunftsstelle im Zusammenhang mit Ausschreibungen und deren Bearbeitung ähnlich wie bisher bereits das INTERPOL-Zentralbüro für den diesbezüglichen Informationsaustausch. Das Kürzel SIRENE steht dabei für die englische Definition "Supplementary Information Request at the National Entries".
Der Rahmenbeschluss des Rates über die Vereinfachung des Austausches von Informationen und Erkenntnissen zwischen den Strafverfolgungsbehörden der Mitgliedstaaten der Europäischen Union (sog. "Schwedische Initiative") bezweckt, dass Strafverfolgungsbehörden bzw. Sicherheitsbehörden Informationen und Erkenntnisse über schwerwiegende Straftaten und auch terroristische Handlungen in einem erleichterten, d.h. raschen und unbürokratischen Verfahren austauschen. Bei diesen Informationen handelt es sich um Daten, die bei der Landespolizei, anderen Behörden oder privaten Stellen vorhanden und ohne das Ergreifen von Zwangsmassnahmen verfügbar sind. Dieser Rahmenbeschluss dehnt den Umfang der austauschbaren Informationen im Sinne der Artikel 35 ff. des Polizeigesetzes nicht aus, sondern auferlegt Liechtenstein im Sinne besonderer Ver-
8
fahrensvorschriften lediglich die Pflicht, in den genannten Fällen Informationen auszutauschen, anstatt nur austauschen zu können, und auferlegt im Grundsatz verbindliche und relativ kurze Fristen, von denen nur in begründeten Fällen abgewichen werden darf. An der durch das bisher geltende Recht vorgesehenen Kompetenzverteilung zwischen den Justiz- und Polizeibehörden wird durch diesen Rahmenbeschluss bzw. diese Gesetzesvorlage nichts geändert. Auf Grund des verpflichtenden Charakters des Austausches sind demzufolge auch die Gründe für die Verweigerung von Auskunftsersuchen zu regeln.
Da die ersten vier Rechtsakte vor allem technisch-organisatorischer Natur sind und im Wesentlichen die technische Umsetzung innerhalb der Systeme der Landespolizei und deren interne Organisation betreffen, wird diesbezüglich auf eine Vernehmlassung verzichtet. Der vierte Rechtsakt hingegen betrifft den internationalen polizeilichen Informationsaustausch als solchen, weshalb vorgängig eine Vernehmlassung vorgesehen ist und diese Materie in einem zweiten Schritt umgesetzt werden soll. Zudem ist auch noch nicht klar, wie die Nachbarstaaten diese Regelung in nationales Recht umsetzen werden.
| |
1 | Protokoll zwischen der Europäischen Union, der Europäischen Gemeinschaft, der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Fürstentum Liechtenstein über den Beitritt des Fürstentums Liechtenstein zu dem Abkommen zwischen der Europäischen Union, der Europäischen Gemeinschaft und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Assoziierung der Schweizerischen Eidgenossenschaft bei der Umsetzung, Anwendung und Entwicklung des Schengen-Besitzstands (Schengen-Protokoll); Protokoll zwischen der Europäischen Gemeinschaft, der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Fürstentum Liechtenstein über den Beitritt des Fürstentums Liechtenstein zu dem Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Zuständigen Staates für die Prüfung eines in einem Mitgliedsstaat oder in der Schweiz gestellten Asylantrags (Dublin -Protokoll). |
| |
2 | ABl. L 381 vom 28.12.2006, S. 4 |
| |
3 | ABl. L 381 vom 28.12.2006, S. 1 |
| |
4 | ABl. L 205 vom 07.08.2007, S. 63 |
| |
5 | ABl. L 123 vom 08.05.2008, S. 1 |
| |
6 | ABl. L 386 vom 29.12.2006, S. 89 |
| |
7 | ABl. L 75 vom 15.03.2007, S. 26 |
| |