Bericht und Antrag der Regierung an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein
betreffend die Schaffung eines Gesetzes gegen Marktmissbrauch im Handel mit Finanzinstrumenten (Marktmissbrauchsgesetz; MG)
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Gegenstand des vorliegenden Berichtes und Antrages ist die Umsetzung der Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2003 über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation (in Folge "Marktmissbrauchsrichtlinie"). Die Marktmissbrauchsrichtlinie ersetzt die in Liechtenstein bereits umgesetzte Richtlinie 89/592/EWG des Rates vom 13. November 1989 zur Koordinierung der Vorschriften betreffend Insider-Geschäfte auf den Finanzmärkten und soll die Normen für die Marktintegrität im Wertpapierbereich innerhalb des gesamten Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) anheben.
Marktmissbrauch erhöht nicht nur die Finanzierungskosten für die Unternehmen, sondern beeinträchtigt auch die Integrität der Finanzmärkte und das generelle Vertrauen der Öffentlichkeit in den Wertpapier- und Derivathandel. Unzulängliche Marktmissbrauchsvorschriften schrecken neue Anleger ab. Letztendlich könnten nicht ausreichende Vorschriften das Wirtschaftswachstum schwächen.
Um die Bestimmungen der Marktmissbrauchsrichtlinie zu präzisieren, sind im Wege des Komitologieverfahrens
1 ferner folgende Rechtsakte zur Durchführung der Marktmissbrauchsrichtlinie ergangen:
Richtlinie 2003/124/EG (in Folge "1. Kommissionsrichtlinie"), die Regelungen betreffend die Begriffsbestimmung und die Veröffentlichung von Insiderinformationen und die Begriffsbestimmung der Marktmanipulation enthält;
Richtlinie 2003/125/EG (in Folge "2. Kommissionsrichtlinie"), die Regelungen in Bezug auf die sachgerechte Darbietung von Anlageempfehlungen und die Offenlegung von Interessenkonflikten vorsieht;
Richtlinie 2004/72/EG (in Folge "3. Kommissionsrichtlinie"), die Begriffsdefinitionen zu zulässigen Marktpraktiken, Insiderinformationen in Bezug
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auf Warenderivate sowie nähere Bestimmungen betreffend die Meldung von Eigengeschäften und die Meldung verdächtiger Transaktionen beinhaltet;
Verordnung (EG) Nr. 2273/2003 (in Folge "Kommissionsverordnung"), die Ausnahmeregelungen für Rückkaufprogramme und Kursstabilisierungsmassnahmen enthält.
In Umsetzung der Marktmissbrauchsrichtlinie und der oben angeführten Durchführungsrechtsakte wird durch den gegenständlichen Gesetzesentwurf ein eigenes, abschliessendes Regelwerk geschaffen, um marktmissbräuchliche Aktivitäten auf dem Finanzplatz Liechtenstein zu bekämpfen.
Der Gesetzesentwurf erweitert zu diesem Zwecke den bisherigen Insiderstraftatbestand und führt den neuen Tatbestand der Marktmanipulation ein. In den Anwendungsbereich des Entwurfes fallen alle Finanzinstrumente, die zum Handel auf zumindest einem geregelten Markt des EWR zugelassen sind oder für die ein entsprechender Antrag auf Zulassung auf einem solchen Markt gestellt wurde. Der Gesetzesentwurf gilt sodann für alle Geschäfte mit derartigen Instrumenten, unabhängig davon, ob die Geschäfte auf geregelten Märkten oder anderswo abgewickelt werden.
Neben dem Verbot des Insiderhandels und der Marktmanipulation sieht der Gesetzesentwurf zwei zentrale Meldepflichten vor:
Personen, die bei einem Emittenten mit Sitz im Inland Führungsaufgaben wahrnehmen, sowie in enger Beziehung zu ihnen stehende Personen sind ab Erreichung eines Schwellenwertes angehalten, alle von ihnen getätigten Geschäfte mit Finanzinstrumenten des Emittenten der FMA zu melden. Der Inhalt der Meldung ist hiernach so bald wie möglich auf der Webseite des jeweiligen Emittenten oder über die FMA zu veröffentlichen.
Ferner sind Finanzintermediäre durch den Gesetzesentwurf zur Verdachtsmeldung an die Stabsstelle FIU verpflichtet, wenn sie den Verdacht haben, dass eine Transaktion ein Insidergeschäft oder eine Marktmanipulation darstellen könnte.
Darüber hinaus enthält der Gesetzesentwurf Transparenzvorschriften, die Personen, welche öffentlich oder über anderweitige Informationskanäle Anlagestrategien empfehlen, zur Offenlegung ihrer eigenen Interessen verpflichten.
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Der vorliegende Gesetzesentwurf benennt die FMA als zentrale Aufsichtsbehörde, welche mit den in der Marktmissbrauchsrichtlinie vorgesehenen Mindestbefugnissen zur Bekämpfung von Insider-Geschäften und Marktmanipulation ausgestattet wird. Entsprechend der Richtlinienvorgabe ist sie zu einer engen Zusammenarbeit mit den zuständigen ausländischen Behörden angehalten. Der Gesetzesentwurf enthält dementsprechend eine detaillierte Amtshilfereglung. Die Marktmissbrauchsrichtlinie erfordert die unverzügliche Übermittlung aller Informationen, die zur Bekämpfung des Marktmissbrauchs notwendig sind. Um diesem Anspruch künftig gerecht werden zu können, wird das Amtshilfeverfahren gestrafft. Gegen Entscheidungen und Verfügungen der FMA im Rahmen der Amtshilfe soll künftig nur mehr Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden können. Das Verfahren ist zügig durchzuführen. Anträge auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung oder auf Erlass vorsorglicher Massnahmen sind bei Individualbeschwerden an den Staatsgerichtshof nicht zulässig.
Zuständiges Ressort
Ressort Finanzen
Betroffene Behörde
Finanzmarktaufsicht (FMA), Stabsstelle FIU
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Vaduz, 23. August 2006
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1 | Bei der Marktmissbrauchsrichtlinie handelt es sich um eine Rahmenrichtlinie in der im Jahr 2001 auf dem Europäischen Gipfel von Stockholm auf der Grundlage des "Lamfalussy"-Berichts vereinbarten neuen Form: Die durch die Richtlinie vorgegebenen Rahmengrundsätze werden im so genannten "Komitologieverfahren" bei der EU-Kommission auf Basis von Vorschlägen des Ausschusses der Europäischen Wertpapierregulierungsbehörden ("CESR") durch technische Durchführungsdetails präzisiert. |
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Ein integrierter und effizienter Finanzmarkt setzt Marktintegrität voraus. Das reibungslose Funktionieren der Wertpapiermärkte und das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Märkte sind Voraussetzungen für Wirtschaftswachstum. Marktmissbrauch erhöht nicht nur die Finanzierungskosten für die Unternehmen, sondern beeinträchtigt auch die Integrität der Finanzmärkte und das generelle Vertrauen der Öffentlichkeit in den Wertpapier- und Derivathandel. Unzulängliche Marktmissbrauchsvorschriften schrecken neue Anleger ab. Letztendlich könnten nicht ausreichende Vorschriften das Wirtschaftswachstum schwächen.
Durch die Marktmissbrauchsrichtlinie und die hierzu ergangenen Durchführungsrechtsakte sollen daher marktmissbräuchliche Aktivitäten - nämlich Insiderhandel und Marktmanipulation - unterbunden werden. Während der Tatbestand des Insiderhandels gemeinschaftsrechtlich bereits durch die Richtlinie 89/592/EWG des Rates vom 13. November 1989 zur Koordinierung der Vorschriften betreffend
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Insider-Geschäfte
2 (in Folge: "Insiderrichtlinie") erfasst wurde, gab es hinsichtlich der Marktmanipulation bislang keine gemeinschaftsrechtliche Regelung.
Angesichts der Veränderungen auf den Finanzmärkten und in den europäischen Rechtsvorschriften seit dem Erlass der Insiderrichtlinie gilt es diese Bestimmungen zu aktualisieren. Die Richtlinie erfasst daher nunmehr sowohl Insider-Geschäfte als auch Marktmanipulation. Damit soll gewährleistet werden, dass ein und derselbe Rechtsrahmen auf beide Kategorien des Marktmissbrauchs Anwendung findet. Die Marktmissbrauchsrichtlinie ist auch erforderlich, um Lücken im Gemeinschaftsrecht zu schliessen, die zu rechtswidrigem Handeln ausgenutzt werden können, womit das reibungslose Funktionieren der Märkte beeinträchtigt wird.
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2 | ABl. Nr. L 334 vom 18.11.1989, S. 0030 - 0032 |
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