Bericht und Antrag der Regierung an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein
betreffend das europäische Übereinkommen über die Computerkriminalität (Cyber Crime Convention) vom 23. November 2001
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Das Übereinkommen vom 23. November 2001 über die Computerkriminalität (Cyber Crime Convention) ist die erste internationale Vereinbarung betreffend Straftaten, die mittels Internet oder sonstiger Computernetze begangen werden (Computer- und Netzwerkkriminalität). Es betrifft vor allem Verletzungen des Urheberrechts, Computerbetrug, Kinderpornographie und Verstösse gegen die Sicherheit von elektronischen Netzen. Das Übereinkommen enthält auch eine Reihe von Ermächtigungen und Verfahrensvorschriften.
Der Hauptzweck des Übereinkommens ist die Verfolgung einer gemeinsamen Strafrechtspolitik zum Schutz vor Computerstraftaten durch entsprechende gesetzliche Regelungen und die Förderung internationaler Zusammenarbeit. Zudem ist es direkt relevant für die verbesserte Zusammenarbeit im Rahmen der Terrorismusbekämpfung.
Das Übereinkommen ist am 1. Juli 2004 in Kraft getreten und zählt aktuell 45 Vertragsparteien. Liechtenstein hat das Übereinkommen anlässlich der Jubiläumsfeier Liechtensteins beim Europarat (30 Jahre Mitgliedschaft) am 17. November 2008 in Strassburg unterzeichnet. Die Schweiz hat das Übereinkommen 2011 und Österreich 2012 ratifiziert.
Die Umsetzung des umfassenden und weit reichenden Übereinkommens in Liechtenstein erfolgte im Rahmen verschiedener Gesetzesrevisionen. Ein Grossteil der notwendigen Anpassungen der Rechtslage konnte durch die Änderung des Strafgesetzbuches vom 25. Juni 2009 (LGBl. 2009 Nr. 228) bzw. durch die damit in Liechtenstein im Bereich der Computerkriminalität erstmals geschaffenen oder angepassten Straftatbestände vorgenommen werden. Neu geschaffen wurden die Bestimmungen betreffend den widerrechtlichen Zugriff auf ein Computersystem (§ 118a StGB), das missbräuchliche Abfangen von Daten (§ 119a StGB), die Störung der Funktionsfähigkeit eines Computersystems (§ 126b StGB), den Missbrauch von Computerprogrammen oder Zugangsdaten (§ 126c StGB) sowie die Datenfälschung (§ 225a StGB). Anpassungsbedarf gab es hinsichtlich der bereits bestehenden §§ 126 StGB (Datenbeschädigung), 147 StGB (Schwerer Betrug), 148a StGB (Computerbetrug bzw. Betrügerischer Datenverarbeitungsmissbrauch), 166 StGB (Begehung im Familienkreis), 167 StGB (Tätige Reue im Ab-
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schnitt Strafbare Handlungen gegen fremdes Vermögen) sowie 226 StGB (Tätige Reue im Abschnitt Strafbare Handlungen gegen die Zuverlässigkeit von Urkunden und Beweiszeichen). Im Rahmen der damaligen Revision wurden zudem die Legaldefinitionen der Begriffe "Computersystem" und "Daten" eingefügt.
Weitere Umsetzungsschritte erfolgten im Zusammenhang mit der Abänderung des Strafgesetzbuches und der Strafprozessordnung vom 1. Januar 2011 zur Einführung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit von juristischen Personen (LGBl. 2010 Nr. 378 und 379), mit der Revision des Sexualstrafrechts (LGBl. 2011 Nr. 184) sowie im Rahmen von verfahrensrechtlichen Anpassungen (StPO) und der Schaffung des Gesetzes vom 17. März 2006 über die elektronische Kommunikation (Kommunikationsgesetz; KomG; LGBL. 2006 Nr. 91) sowie des Gesetzes vom 17. März 2010 über die Abänderung des Kommunikationsgesetzes (LGBl. 2010 Nr. 111).
Das Cyber-Crime-Übereinkommen ist zweifellos eines der bedeutendsten internationalen Strafrechtsübereinkommen. Seine Besonderheit gründet auf dem innovativen Charakter, der sich an den Besonderheiten der digitalen Welt orientiert und dem Einbezug der Öffentlichkeit während des Verhandlungsprozesses. Die Ausgestaltung in Form einer Art Rahmenkonvention lässt Weiterentwicklungen zu. Nicht zuletzt aber zielt das Übereinkommen auf die Bekämpfung einer neuen Form von internationaler Kriminalität ab, deren Bedrohungspotential in den letzten Jahren aufgrund weltweiter Cyberattacken ins Bewusstsein einer breiten Öffentlichkeit gerückt ist.
Zuständige Ministerien
Ministerium für Äusseres, Bildung und Kultur
Ministerium für Inneres, Justiz und Wirtschaft
Betroffene Stellen
Staatsanwaltschaft
Landespolizei
Landgericht
Amt für Kommunikation
Amt für Auswärtige Angelegenheiten
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Vaduz, 7. Juli 2015
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Sehr geehrter Herr Landtagspräsident,
Sehr geehrte Frauen und Herren Abgeordnete
Die Regierung gestattet sich, dem Hohen Landtag nachstehenden Bericht und Antrag betreffend das europäische Übereinkommen über die Computerkriminalität (Cyber Crime Convention) vom 23. November 2001 zu unterbreiten.
In den letzten Jahren hat sich die digitale Welt rasant verändert. Die fortschreitende Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologien stellt die moderne globale Gesellschaft vor grosse Herausforderungen.
Diese Technologien vereinfachen einerseits alltägliche Handlungen und Aufgaben und insbesondere die Kommunikation. Daten können, unabhängig vom Herkunfts- oder Aufbewahrungsort, innert Sekunden weltweit an beliebige Empfänger versandt oder an eine Vielzahl von Personen und Einrichtungen verbreitet werden. In Computersystemen gespeicherte Informationen können für einen beliebigen Personenkreis zugänglich gemacht, gezielt gesucht und entsprechend heruntergeladen und verwendet werden. Gleichzeitig steigt auch der digitale Handel jährlich und wird inzwischen auf mehrere Billionen Euro geschätzt. Die-
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sen grundsätzlich positiven Auswirkungen stehen negative Aspekte gegenüber. Der technologische Fortschritt führt zu Internetkriminalität bzw. ermöglicht die Begehung von neuen Typen von Straftaten oder die Begehung von "herkömmlichen" Delikten mit neuen "digitalen" Mitteln. Betrug mittels Computernetzwerken, Verbreitung illegaler Inhalte über das Internet und Aufforderung zu Hass, Gewalt und Terror sind nur einige Aspekte, welche die Öffentlichkeit und nationale sowie internationale Organisationen beschäftigen.
Der Missbrauch des Internets, insbesondere durch die organisierte Kriminalität, ist bereits stark verbreitet und nimmt kontinuierlich zu. Entsprechend dynamisch entwickeln sich die elektronischen illegalen Märkte. Der digitale Vernetzungsgrad liegt auf sehr hohem Niveau, womit auch das Risiko im Bereich der Internetkriminalität (Datendiebstahl, Datenmanipulationen etc.) entsprechend steigt. Die Europäische Union schätzt den durch diese Kriminalitätsformen jährlich angerichteten Schaden auf mehrere Mrd. Euro, was beispielsweise den Handel von illegalen Drogen inzwischen bei weitem übersteigt. Eine erfolgreiche Bekämpfung der Computerkriminalität trägt deshalb auch zum Konsumentenschutz bei.
Viele neue Phänomene aus dem Bereich der Informations- und Kommunikationskriminalität lassen sich nicht mehr unter die bestehenden nationalen Strafvorschriften subsumieren. Gesetzeslücken sowie eine unklare und teils widersprüchliche Rechtslage stellen Behörden und Internetanbieter beim Kampf gegen die Computerkriminalität oft vor Probleme, wodurch in den letzten Jahren dringlicher Handlungsbedarf entstanden ist.
Der Europarat hat diese Ausgangslage als erste internationale Organisation zum Anlass genommen, ein entsprechendes Übereinkommen auszuarbeiten. Im April 1997 begann eine durch das Ministerkomitee des Europarates eingesetzte Expertengruppe mit der Ausarbeitung des Entwurfes für ein Übereinkommen über die Computerkriminalität. Neben den Mitgliedstaaten beteiligten sich die Vereinig-
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ten Staaten von Amerika, Kanada, Südafrika und Japan an den bis 2001 dauernden Verhandlungen. Am 23. November 2001 wurde das Übereinkommen über Computerkriminalität
1 in Budapest zur Unterzeichnung aufgelegt und trat am 1. Juli 2004 in Kraft.
Das Übereinkommen wurde von 8 Staaten unterzeichnet und von 46 Staaten ratifiziert. Das Rechtsinstrument steht auch Nichtmitgliedstaaten des Europarats zum Beitritt offen. So sind z.B. die USA, Australien, die Dominikanische Republik, Japan, Mauritius und Panama ebenfalls Vertragsparteien des Übereinkommens. Liechtenstein hat das Übereinkommen und das Zusatzprotokoll am 17. November 2008 unterzeichnet.
Ergänzend zum Übereinkommen wurde ein Zusatzprotokoll
2 ausgehandelt, das die Veröffentlichung rassistischer oder fremdenfeindlicher Propaganda in Computernetzen unter Strafe stellt. Trotz der weitgehenden Kompatibilität der liechtensteinischen Rechtsordnung mit dem Zusatzprotokoll wird mit dieser Vorlage nur die Ratifikation des Übereinkommens über die Cyberkriminalität vorgeschlagen. Die Umsetzung des Protokolls, welches eine grundsätzlich andere Materie betrifft, soll - im Einklang mit dem Vorgehen der Schweiz und Österreichs, welche das Zusatzprotokoll ebenfalls noch nicht ratifiziert haben - in einem späteren Schritt geprüft werden. Dieses Vorgehen erlaubt eine Fokussierung auf die materiell rechtlichen Fragen der Computerkriminalität, des Strafprozessrechts im Bereich der elektronischen Beweismittel und auf die Rechtshilfefragen in diesem Zusammenhang.
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Das Übereinkommen verpflichtet die Vertragsstaaten, das materielle Strafrecht, das Strafprozessrecht sowie die Rechtshilfe an die Herausforderungen neuer Informationstechnologien anzupassen. Es beinhaltet insbesondere Bestimmungen betreffend Verletzungen des Urheberrechts, Computerbetrug und Verstösse gegen die Sicherheit von elektronischen Netzen. Zudem enthält es eine Reihe von Ermächtigungen und Verfahrensvorschriften, wie beispielsweise die Ermächtigung zur Suche in Computernetzen oder zum Abfangen von Nachrichten. Hauptzweck ist die Verfolgung einer gemeinsamen Strafrechtspolitik zum Schutz vor Computerstraftaten durch entsprechende gesetzliche Regelungen sowie die Förderung der internationalen Zusammenarbeit.
Da das Übereinkommen auch eine Verpflichtung zur Kriminalisierung verschiedener Verhaltensweisen im Zusammenhang mit Kinderpornographie und Computer bzw. Internet enthält (vgl. Art. 9), sei an dieser Stelle auch auf das Europaratsübereinkommen zum Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung und sexuellem Missbrauch hingewiesen, dass Liechtenstein ebenfalls Ende 2008 unterzeichnete. Der Landtag stimmte diesem Übereinkommen in seiner Sitzung von Juni 2015 zu.
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1 | Übereinkommen über Computerkriminalität vom 23. November 2001 - Cyber Crime Convention (CCC), ETS Nr. 185. |
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2 | Zusatzprotokoll vom 28. Januar 2003 zum Übereinkommen über Computerkriminalität betreffend die Kriminalisierung mittels Computersystemen begangener Handlungen rassistischer und fremdenfeindlicher Art, ETS Nr. 189. |
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