Bericht und Antrag der Regierung an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein
betreffend die Schaffung eines Fristenablaufhemmungsgesetzes sowie die Abänderung weiterer Gesetze
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Der Ablauf prozessualer Fristen wird durch Samstage, Sonn- und Feiertage sowie den Karfreitag gehemmt. In der Praxis gibt es allerdings immer wieder Unsicherheiten betreffend die Hemmung des prozessualen Fristenablaufes an bestimmten Tagen, insbesondere an den sogenannten "Bankfeiertagen".
Es ist daher angezeigt, diesbezüglich Rechtssicherheit für alle Rechtsanwender herzustellen und zu diesem Zweck eine einheitliche Rechtsgrundlage zu schaffen, welche die Thematik des prozessualen Fristenablaufes abschliessend klärt.
Mit der Schaffung des Fristenablaufhemmungsgesetzes sowie der Abänderung weiterer Gesetze soll eine klare und praktikable Lösung geschaffen werden.
Zuständiges Ministerium
Ministerium für Äusseres, Justiz und Kultur
Betroffene Stellen
Landgericht
Obergericht
Oberster Gerichtshof
Verwaltungsgerichtshof
Staatsgerichtshof
Staatsanwaltschaft
Liechtensteinische Rechtsanwaltskammer
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Vaduz, 25. August 2020
LNR 2020-1187
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Sehr geehrter Herr Landtagspräsident,
Sehr geehrte Frauen und Herren Abgeordnete
Die Regierung gestattet sich, dem Hohen Landtag nachstehenden Bericht und Antrag betreffend die Schaffung eines Fristenablaufhemmungsgesetzes sowie die Abänderung weiterer Gesetze an den Landtag zu unterbreiten.
Der Ablauf prozessualer (= zivilprozessualer, strafprozessualer und verwaltungsverfahrensrechtlicher) Fristen wird durch Samstage, Sonn- und Feiertage sowie den Karfreitag gehemmt.
Für das Strafverfahren ist in § 6 Abs. 2 Strafprozessordnung (StPO)
1 normiert, dass dann, wenn das Ende einer Frist auf einen Samstag, Sonntag, gesetzlichen Feiertag oder Karfreitag fällt, der nächste Werktag als letzter Tag der Frist anzusehen ist.
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Die anderen Verfahrensordnungen verweisen jeweils auf die einschlägigen Bestimmungen der Zivilprozessordnung (ZPO)
2: So das Landesverwaltungspflegegesetz (LVG)
3 in Art. 46 Abs. 1, das Ausserstreitgesetz (AussStrG)
4 in Art. 23 Abs. 1, die Exekutionsordnung (EO)
5 in den Art. 37 Abs. 1 und 51, die Konkursordnung (KO)
6 in Art. 1 Abs. 2 sowie das Staatsgerichtshofgesetz (StGHG)
7 in Art. 38 Abs. 1 i.V.m. Art. 46 Abs. 1 LVG.
Die Zivilprozessordnung regelt für das Zivilverfahren und die oben erwähnten Verfahren in § 126 Abs. 2 ZPO, dass dann, wenn der letzte Tag einer Frist auf einen Sonntag oder Feiertag fällt, der nächste Werktag als letzter Tag der Frist anzusehen ist.
Diese ZPO-Bestimmung wird durch das Gesetz vom 17. Juli 1964 über die Hemmung des Fristenablaufes durch Samstage und den Karfreitag
8 ergänzt, indem in dessen Art. 1 normiert ist, dass der Ablauf einer prozessualen Frist auch dann gehemmt ist, wenn das Ende der Frist auf einen Samstag oder den Karfreitag fällt.
Darüber hinaus ist in § 221 Abs. 2 ZPO unter dem Kapitel "Sonntagsruhe und Gerichtsferien" festgelegt, dass durch Verordnung bestimmt wird, welche Tage im Sinne dieses Gesetzes als Feiertage zu gelten haben. Eine derartige Verordnung wurde bis anhin allerdings nicht erlassen.
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Aktuell bestehen zwar diverse Rechtsgrundlagen
9, welche bestimmte Feiertage namentlich festlegen. Diese Rechtsgrundlagen sind jedoch uneinheitlich sowie zersplittert und für den Rechtsanwender somit schwer nachzuvollziehen bzw. zu überblicken. Insbesondere ist nicht klar, ob die in den erwähnten Rechtsgrundlagen (zum Teil unterschiedlich) aufgeführten Feiertage und "Bankfeiertage" auch als "fristenablaufhemmende" Tage im Sinne des Prozessrechts anzusehen sind.
Aufgrund der geschilderten zersplitterten und uneinheitlichen Rechtslage kommt es in der Praxis immer wieder zu Unsicherheiten betreffend die Hemmung des prozessualen Fristenablaufes an bestimmten Tagen, insbesondere an den sogenannten "Bankfeiertagen" wie beispielsweise Maria Lichtmess oder Hl. Josef.
Dass diese Thematik die Praxis schon länger beschäftigt, zeigt insbesondere der Aufsatz von Dr. Wilhelm Ungerank, welcher im Liechtenstein-Journal (2/2013) im Jahr 2013 unter dem Titel "Welche Feiertage hemmen den Ablauf prozessualer Fristen?" veröffentlicht wurde.
Die Behebung dieser Problematik soll durch die Schaffung eines Fristenablaufhemmungsgesetzes (FAHG)
10 sowie die Abänderung weiterer (Verfahrens)Gesetze, wie der Zivilprozessordnung und der Strafprozessordnung, erfolgen. Damit ist sichergestellt, dass die Hemmung des prozessualen Fristenablaufes für alle (= zivilprozessuale, strafprozessuale und verwaltungsverfahrensrechtliche) Verfahrensarten ident gesetzlich festgeschrieben wird.
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An dieser Stelle ist festzuhalten, dass die sogenannten "dienstfreien Tage" nach Art. 34 Abs. 1 Staatspersonalgesetz (StPG)
11 keine fristenhemmende Wirkung entfalten. An diesen von der Regierung für dienstfrei erklärten Tagen sind die Büros der Landesverwaltung und der Gerichte - und damit einhergehend auch die Eingangsstellen - geschlossen
12. Da es sich jedoch um "gewöhnliche" Werktage handelt, berühren sie die verfahrensrechtlichen Fristen nicht.
Darüber hinaus wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass mit der gegenständlichen Vorlage ausschliesslich die Hemmung des prozessualen Fristenablaufes normiert wird und somit keine neue Feiertagsregelung geschaffen bzw. nicht in die bestehenden Feiertagsregelungen und somit nicht in das Arbeits- und Gewerberecht eingegriffen wird. Zudem soll auch nicht die Fristenhemmung während der Gerichtsferien geregelt und auch nicht in andere gesetzlich verankerte "Fristenbestimmungen" eingegriffen werden.
Schliesslich ist auszuführen, dass die bestehenden Stundenfristen, wie sie beispielsweise im Fremdenrecht vorzufinden sind, durch die gegenständliche Vorlage nicht tangiert werden. Die im Ausländergesetz (AuG)
13 und im Asylgesetz (AsylG)
14 enthaltenen Stundenfristen betreffen die Haftüberprüfung (Art. 60 Abs. 3 AuG), die Überprüfung der besonderen Sicherheitsmassnahmen (Art. 62a Abs. 5 AuG) und die Übermittlung von Eurodac-Daten (Art. 73 Abs. 2 AsylG). Dabei handelt es sich um sogenannte absolute Fristen, welche die jeweiligen Behörden verpflichten, die konkreten Handlungen jedenfalls binnen festgelegter Zeit durchzuführen. Eine Verlängerung (Hemmung) dieser Fristen würde nicht die subjektiven Rechte der Betroffenen wahren, weshalb die Bestimmungen der -
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Zivilprozessordnung sowie folglich das Fristenablaufhemmungsgesetz in diesen Fällen keine Anwendung finden.
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1 | LGBl. 1988 Nr. 62. |
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2 | LGBl. 1912 Nr. 9/1. |
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3 | LGBl. 1922 Nr. 24. |
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4 | LGBl. 2010 Nr. 454. |
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5 | LGBl. 1972 Nr. 32/2. |
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6 | LGBl. 1973 Nr. 45/2; Die Konkursordnung befindet sich aktuell in einem Reformverfahren (siehe Bericht und Antrag zur Reform des Insolvenzrechts, Nr. 49/2020). Künftig (voraussichtlich ab 1. Januar 2021) lautet die zitierte Bestimmung daher Art. 1 Abs. 2 IO. |
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7 | LGBl. 2004 Nr. 32. |
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8 | LGBl. 1964 Nr. 29. |
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9 | Dies sind bspw. das Arbeitsgesetz (LGBl. 1967 Nr. 6), das Einführungs-Gesetz zum Zollvertrag mit der Schweiz vom 29. März 1923 (LGBl. 1924 Nr. 11), das Europäische Übereinkommen über die Berechnung von Fristen (LGBl. 1983 Nr. 31) oder die Verkehrsregelnverordnung (LGBl. 1978 Nr. 19). |
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10 | Im Vernehmlassungsbericht war noch vorgesehen, dass das geltende Gesetz vom 17. Juli 1964 über die Hemmung des Fristenablaufes durch Samstage und den Karfreitag (LGBl. 1964 Nr. 29) entsprechend abgeändert wird. Nach Durchführung der Vernehmlassung sowie der legistischen Prüfung wird nun aber - um Rechtssicherheit und -klarheit zu schaffen - das genannte Gesetz aufgehoben und das Gesetz über die Hemmung des Fristenablaufes durch dem Sonntag gleichgestellte Tage (Fristenablaufhemmungsgesetz; FAHG) geschaffen (siehe Punkt 5.1). |
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11 | LGBl. 2008 Nr. 144. |
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12 | Dies wird vorab entsprechend im Amtsblatt kundgemacht. |
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13 | LGBl. 2008 Nr. 311. |
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14 | LGBl. 2012 Nr. 29. |
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