Berichte und Anträge
Regierungskanzlei (RK)
BuA - Nummer
2022 / 123
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Ein­lei­tung
I.Bericht der Regierung
1.Aus­gangs­lage und Aufträge
2.Begrün­dung der Vorlage
3.Ent­wick­lung und Ziel­pfad der Energiestrategie 2030
4.Erläu­te­rungen zur Umset­zung der Massnahmen
5.Aktua­li­sierte Mass­nah­men­liste (Beilage)
6.Schluss­fol­ge­rung und Ausblick
II.Antrag der Regierung
 
Bericht und Antrag der Regierung an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein
betreffend den 2. Monitoringbericht zur Energiestrategie 2030
(Datenstand Ende 2021)
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Der Landtag hat am 6. November 2020 die Energiestrategie 2030 mit der Massnahmenliste für verbindlich erklärt. Die Regierung wurde mit der Umsetzung beauftragt. Dazu hat der Landtag auch einzelne konkrete Aufträge formuliert und beschlossen.
Der vorliegende zweite Monitoringbericht bildet mit dem Datenstand per Ende 2021 (Treibhausgase 2020) das erste Jahr der zehnjährigen Periode der Energiestrategie 2030 ab. Anhand von verschiedenen Indikatoren kann die Umsetzung jährlich gemessen werden. Der Bericht zeigt auf, welche Entwicklungen sich im Einklang mit den Zielsetzungen der Energiestrategie 2030 befinden und wo Handlungsbedarf besteht.
Nach der verhalten positiven Einschätzung im letzten Monitoringbericht steigt im Jahr 2021 der Energieverbrauch als Folge der wirtschaftlichen Erholung nach dem Pandemiejahr 2020 sowie aufgrund der kälteren Witterung wieder deutlich (+3.4%). In der Folge zeigen alle relevanten Indikatoren im besten Fall seitwärts, vielfach aber in die ungünstige Richtung. Der Bedarf an fossilen Brenn- und Treibstoffen hat 2021 deutlich zugenommen (+21 GWh, +3.5%), entsprechend sind im kommenden Klimainventar für 2021 zunehmende Treibhausgasemissionen von rund +2.6% aus dem energetischen Bereich zu erwarten. Dies wird die kommende Monitoringperiode belasten.
Positive Tendenzen sind beim zunehmenden Absatz (hybrid-) elektrischer Personenwagen (Anteil bei Neuzulassungen 48%) und dem Ausbau von Dampf und Fernwärme ab Kehrrichtverwertungsanlage (KVA) Buchs (+5.7 GWh) zu beobachten. Der Zubau von Photovoltaik (PV) liegt zwar seit 2020 mit 3.8 - 4.0 MWp/Jahr deutlich über den Jahren davor, die Zielsetzung der Energiestrategie 2030 liegt jedoch bei 5 MWp/Jahr. Positiv zu vermerken ist, dass der fossile Brennstoffverbrauch pro Heizgradtag trotz des kalten Winters zwischen 2020 und 2021 deutlich abgenommen hat.
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Ziel 1: 20% Reduktion des Energiebedarfs Der Endenergiebedarf im Jahr 2021 liegt aufgrund des um +3.4% gewachsenen Energiebedarfs gemäss Energiestatistik 8% unter dem Basiswert von 2008. Der Zielindikator wird damit deutlich verfehlt. Seit 2014 bewegt sich der Indikator im Schnitt seitwärts. Die Zielerreichung von -20% bis im Jahr 2030 ist somit bei guten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen nur mit deutlich zunehmenden Anstrengungen zur Effizienzsteigerung realistisch. Die rasche Umsetzung der vorgesehenen gesetzlichen Massnahmen betreffend die Mustervorschriften der Kantone im Energiebereich (MuKEn 2014) ist entscheidend, um den geplanten Absenkpfad noch erreichen zu können.
Ziel 2: 30% erneuerbare Energie bis 2030 Der Anteil erneuerbarer Energien und der Fernwärme sowie Dampf ab KVA Buchs gemäss Energiestatistik liegt im Jahr 2021 gleichbleibend bei 24% und damit leicht über dem Sollwert. Fernwärme und Dampf ab KVA Buchs werden als Abwärmenutzung betrachtet und ebenfalls hier bilanziert. Besonders gesteigert werden konnte die Nutzung von Fernwärme resp. Dampf ab KVA (+4.4%), Strom aus Wasserkraft (+2%) und Photovoltaik (+3.2%). Der Anteil des Indikators von 24% konnte im Lichte der Steigerung des Endenergiebedarfs um +3.4% insbesondere durch die deutliche Zunahme des Fernwärme- und Dampfbezugs gehalten werden. Die Steigerung auf 30% erneuerbare Energie sowie Fernwärme und Dampf ab KVA bis im Jahr 2030 erscheint nur realistisch, wenn der Endenergiebedarf gemäss Projektion gesenkt werden kann. Die rasche Anpassung und Umsetzung der vorgesehenen Neuerungen im Energieeffizienzgesetz (EEG) ist entscheidend, um den geplanten Zubau noch erreichen zu können.
Ziel 3: 40% Reduktion der Treibhausgasemissionen bis 2030 Die Treibhausgasemissionen gemäss Treibhausgasinventar von 2020 liegen knapp unter dem linearen Absenkpfad für die Zielerreichung. Mit einer Reduktion um 21.8% im Vergleich zum Referenzjahr 1990 wurde der Zielwert der Energiestrategie 2020 (-20%) erreicht. Es gilt allerdings zu berücksichtigen, dass das abgebildete Treibhausgasinventar von 2020 ein "Coronajahr" abbildet, in dem sowohl die Wirtschaftsleistung als auch der Endenergiebedarf deutlich rückläufig waren. Der fossile Anteil am Endenergiebedarf 2021 von 31% hat sich gegenüber 2020 nicht verändert und wird im kommenden Inventar absolut zunehmende Treibhausgasemissionen verursachen. Damit ist absehbar, dass die Einhaltung des Zielpfads zukünftig gefährdet ist.
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Im Bereich "Gebäude" wurden im Jahr 2021 in etwa gleich viele Flächen energetisch saniert wie im Jahr zuvor. Dies ist im Hinblick auf die Wichtigkeit von Wärmedämmmassnahmen im Gebäudebestand noch ungenügend. Die Sanierungsrate muss gesteigert werden, um bis 2030 relevante Effekte zu erzielen. Auch beim Heizungsersatz geht die Tendenz seitwärts. Zwar wurden mehr beheizte Flächen mit Wärmepumpen ausgerüstet, dafür wurden 2021 vergleichsweise weniger Holzheizungen installiert. Für 2022 darf vermutlich eine Steigerung erwartet werden, welche aber durch die fehlenden Marktkapazitäten begrenzt ist. Die Umsetzung der MuKEn 2014 könnten nach Beschluss des Landtages Mitte 2023 in Kraft treten. Auch der Energiebedarf der Unternehmen mit Zielvereinbarung bzw. der Grossverbraucher ist 2021 kräftig gewachsen (+4.5%) und macht weiterhin 26% des Landesenergiebedarfs aus. Eine wesentliche Verschiebung zu erneuerbaren Energien und Fernwärme ist trotz dem zusätzlichen Absatz an Dampf ab KVA Buchs nicht erkennbar.
Im Bereich "Verkehr" nimmt der Anteil effizienter Personenwagen mit (hybridem) Elektroantrieb weiter zu. Bei den Neuzulassungen waren 2021 rund 17% vollelektrisch und 31% hybridelektrisch. Für den Energiebedarf des Verkehrs sind aber die Fahrleistungen des gesamten Fahrzeugbestands relevant, der erst zu 6.5% aus elektrischen Personenwagen besteht. Benzin- und Dieselverbrauch sind 2021 im Vergleich zum Vorjahr gestiegen. Die Treibstoffeffizienz des öffentlichen Busverkehrs bleibt trotz leicht gesteigerter Auslastung auf tiefem Niveau. Wesentliche Verbesserungen sind erst bei einer Elektrifizierung zu erwarten. Erste Elektrobusse sollten im Frühling 2023 in Betrieb gehen.
Im Bereich "Erzeugung und Beschaffung" fallen die deutliche Steigerung des Absatzes an Dampf und Fernwärme ab KVA Buchs (+4.4%) und die deutliche Erweiterung der Wärmenetze durch die Liechtensteinische Gasversorgung (LGV) (+4.3 km, +24 Kunden) auf. Die Wärmenetze des Landes (ohne Dampf ab KVA) werden insgesamt zu 21% mit fossilen Energien bedient.
Die Bilanz der drei Hauptziele und der Indikatoren ist 2021 trotz einiger positiver Tendenzen ernüchternd. Sowohl der Endenergiebedarf als auch der Einsatz fossiler Energieträger sind über längere Sicht nicht wesentlich rückläufig. Damit sind die grundlegenden Ziele der Energiestrategie gefährdet. Für die kommende Monitoringperiode zeichnet sich aufgrund der Klimastrategie zudem bereits eine
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Verschärfung der Ziele bei den Treibhausgasen ab. Die strategischen Ansatzpunkte sind unverändert:
? Steigerung der energetischen Sanierungsrate des Gebäudebestandes
? Starke Reduktion der fossil betriebenen Heizsysteme durch Umrüstung auf elektrische Wärmepumpen, erneuerbare Energien und Fernwärme sowie Dampf ab KVA zur Wärmeversorgung von Gebäuden und zur Prozesswärmeerzeugung
? Elektrifizierung des Verkehrs
? Steigerung des Zubaus an Photovoltaik
Basierend auf den Erkenntnissen dieses Monitoringberichts sind die geplanten gesetzlichen Massnahmen wie die Anpassung des EEG und die Einführung der der MuKEn 2014 rasch umzusetzen. Die Forcierung des Tempos ist auch aus Sicht der Versorgungssicherheit und mit Blick auf die stark gestiegenen Energiepreise dringend zu empfehlen.
Zuständiges Ministerium
Ministerium für Inneres, Wirtschaft und Umwelt
Ministerium für Infrastruktur und Justiz
Betroffene Stellen
Amt für Volkswirtschaft
Amt für Hochbau und Raumplanung
Stabsstelle für staatliche Liegenschaften
Amt für Umwelt
Gemeinden Liechtensteins
Liechtensteinische Gasversorgung
Liechtensteinische Kraftwerke
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Vaduz, 31. Oktober 2022
LNR 2022-1534
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Sehr geehrter Herr Landtagspräsident,
Sehr geehrte Frauen und Herren Abgeordnete
Die Regierung gestattet sich, dem Hohen Landtag nachstehenden Bericht und Antrag betreffend den zweiten Monitoringbericht zur Energiestrategie 2030 zu unterbreiten.
1.Ausgangslage und Aufträge
Der Landtag hat am 6. November 2020 die Energiestrategie 2030 mit der Massnahmenliste für verbindlich erklärt.1 Die Regierung wurde mit der Umsetzung beauftragt. Dazu hat der Landtag auch einzelne konkrete Aufträge formuliert und beschlossen. Die Regierung wurde mit der Umsetzung der Energiestrategie 2030 wie folgt beauftragt, wobei die fett gedruckten Textpassagen vom Landtag in der Sitzung ergänzend zum Bericht und Antrag Nr. 118/2020 beschlossen wurden:
Zur Anpassung der Gebäudevorschriften und der Förderbedingungen wird:
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a) die Regierung beauftragt, die Gebäudevorschriften auf die Mindeststandards der MuKEn 2014 im Gebäudebereich anzupassen, um einerseits ein Regelungsgefälle zur Schweiz zu vermeiden und andererseits den Einbau von fossil betriebenen Feuerungen bei Neu- und Umbauten zu erschweren;
b) die Regierung beauftragt, für die Massnahme 4.1 "Stromgewinnung aus Photovoltaikanlagen" die Rahmenbedingungen per Gesetzes- oder Verordnungsänderung so weiterzuentwickeln und zu optimieren, damit mindestens das Ausbauziel von 5 MWp/Jahr erreicht wird. Dabei sollen auch die Bedingungen für den Weiterbetrieb und die Erneuerung von bereits gebauten Anlagen analysiert und gegebenenfalls soweit verbessert werden, dass die Stromproduktion aus gebauten Anlagen möglichst hoch bleibt;
c) die Regierung beauftragt, die Massnahme 2.8 "Elektrofahrzeuge" in Kombination mit 3.5 "Smart Energy" prioritär weiter zu verfolgen, damit die vorhersehbaren grossen Produktionsspitzen der Photovoltaik lokal und möglichst im Inland geglättet werden können;
d) die Regierung beauftragt, dem Landtag im Dezember 2020 eine Gesetzesvorlage vorzulegen, mit welcher die geltenden Photovoltaik-Einspeisevergütungen um ein Jahr verlängert wird;
e) die Regierung beauftragt zu prüfen, ob Energiespeicher gefördert werden sollen.
Um die Vorbildwirkung des Landes zu stärken, wird:
a) die Regierung beauftragt zu prüfen, wo das Land mit seinen Gebäuden als Schlüsselkunde Fernwärmeprojekte anstossen kann, welche erneuerbare Energie oder Abwärme nutzen und Liegenschaften, welche sich in
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Landesbesitz befinden oder vom Land gemietet werden, an Fernwärmeprojekte anzuschliessen, welche erneuerbare Energie oder Abwärme nutzen;
b) die Regierung beauftragt, den Energiebezug der Verwaltung und der staatsnahen Betriebe, auf welche die Regierung Einfluss hat, auf 100% erneuerbare Energie umzustellen und mit laufendem Monitoring aufzuzeigen, wie der Energieverbrauch pro Mitarbeiter oder ähnlichen Kennzahlen reduziert wird. Soweit möglich und sinnvoll soll die Energieversorgung mit Anlagen in, an und auf den eigenen Gebäuden bereitgestellt werden. Mehrbedarf soll durch erneuerbare Energieprodukte gedeckt werden.
Um die Sensibilisierung im Energiebereich zu forcieren, wird:
a) die Regierung beauftragt, die Kommunikation und Information über die Notwendigkeit und Art des anstehenden Wandels im Energiebereich zu forcieren;
b) die Regierung beauftragt, dem Landtag jährlich mit einem Monitoringbericht den Stand der Umsetzung der Energiestrategie 2030 zur Kenntnis zu bringen. Zeigt dieser Bericht, dass mit den enthaltenen Massnahmen die Ziele der Energiestrategie 2030 nicht erreichbar werden, dann wird die Regierung aufzeigen, wie die Ziele mit zusätzlichen oder angepassten Massnahmen dennoch erreicht werden können.



 
1Siehe Bericht und Antrag Nr. 118/2020.
 
Stichwörter
Anteil Personenwagen
Ener­ge­ti­sche Gebäudesanierung
Ener­gie­stra­tegie 2030
Erhö­hung Erneu­er­bare Energie
Erwei­te­rung Wärmenetze
Hybrider Elektronantrieb
Reduk­tion Energiebedarf
Reduk­tion Treibhausgasemmissionen
Stei­ge­rung Absatz Fernwärme