Berichte und Anträge
Regierungskanzlei (RK)
BuA - Nummer
2023 / 25
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Ein­lei­tung
I.Bericht der Regierung
1.Anlass
2.All­ge­meines
3.Beant­wor­tung des Postulats
4.Fazit
5.Wei­teres Vorgehen
II. ANTRAG DER REGIERUNG
 
Postulatsbeantwortung der Regierung an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein
betreffend ein nachhaltiges und ganzheitliches Raumplanungs-Mobilitäts-Konzept für Liechtenstein
 
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Liechtenstein ist ein attraktiver Wirtschafts- und Lebensraum, in welchem aufgrund der Kleinheit dieses Raumes die Mobilität an sich und insbesondere die grenzüberschreitende Mobilität einem Grundbedürfnis der Menschen entspricht. Damit diese Attraktivität als Wirtschafts- und Lebensraum auch in Zukunft und für die nachkommenden Generationen sichergestellt werden kann, muss die räumliche und verkehrliche Entwicklung koordiniert und abgestimmt erfolgen. Die Bereiche Raumplanung und Mobilität sind in vielerlei Hinsicht miteinander verknüpft.
Die Bevölkerung, die Anzahl der Erwerbstätigen und die Anzahl der grenzüberschreitend verkehrenden Arbeitskräfte wächst stetig. Auf einer Siedlungsfläche von rund 18km2 leben rund 39'400 Personen1 und arbeiten rund 41'400 Personen. Davon sind gut 56% Zupendelnde aus dem Ausland2. Damit steigt der Anspruch an Siedlungs- und Wohnflächen, an Wirtschaftsflächen und an eine entsprechend leistungsfähige Infrastruktur sowie an Angeboten zur Bewältigung der weiterwachsenden Mobilitätsbedürfnisse.
Die Raum- und Verkehrsentwicklung befindet sich zentral in diesen Spannungsfeldern: Einerseits zwischen dem Wunsch und bisherigen Anspruch nach einer hohen und einfach zu nutzenden Mobilität und andererseits dem Verlust von Landschaftsflächen, Lärm- und Umweltbelastungen und abnehmender Lebensqualität als Folge daraus. Die angestrebte koordinierte Entwicklung von Siedlung und Verkehr stellt demgegenüber die optimale Nutzung des Raums sowie der Mobilitätsansprüche in den Vordergrund und langfristig sicher.
Dabei betrifft diese Thematik die gesamte Bevölkerung und Diskussionen in diesem Bereich werden oft emotional geführt. In der Diskussion dieser Themen offenbaren sich oft Widersprüche: Verdichtung nach innen ist zu fördern, aber bitte nicht in meinem Quartier. Zusätzliche Verkehrsinfrastrukturen sind notwendig, aber bitte nicht vor meiner Haustür und möglichst unsichtbar.
Die Abstimmung zwischen Siedlung, Wirtschaft und Verkehr muss daher auch genutzt werden, um in erster Linie unnötige Mobilität zu vermeiden. Lässt sich diese nicht vermeiden, sollte sie zumindest mit den am wenigsten negativen Einflüssen
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auf die Bevölkerung und die Siedlungsstrukturen umgesetzt werden. Ob gelenkt oder frei: Raum und Verkehr beeinflussen sich gegenseitig.
Bereits heute wird auf verschiedenen Ebenen diesen Herausforderungen begegnet, um eine gezielte Raumentwicklung und Mobilität bestmöglich zu gewährleisten. Dabei gilt es, Gestaltungsmöglichkeiten für die Zukunft offenzuhalten, Entwicklungen und Trends entsprechend zu erkennen und sachlich die besten Lösungen für diese Herausforderungen anzustreben.
Zur Erreichung dieser Ziele und Lösung der Konflikte müssen die räumliche Nutzung sowie Verkehrs- und Mobilitätsentwicklung in entsprechend nachhaltige Bahnen gelenkt werden. Die Regierung begrüsst daher die Überweisung des Postulats durch den Landtag und unterstützt die hinter dem Postulat stehende Intention, ein Konzept "Raum und Mobilität" zu entwickeln. Mit der vorliegenden Postulatsbeantwortung soll dem Landtag die hohe Komplexität dieses Themas dargelegt und aufgezeigt werden, wie das Konzept "Raum und Mobilität" entwickelt werden könnte.
Zuständiges Ministerium
Ministerium für Infrastruktur und Justiz
Betroffene Stellen
Amt für Hochbau und Raumplanung
Amt für Tiefbau und Geoinformation
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Vaduz, 28. Februar 2023
LNR 2023-296
P
Sehr geehrter Herr Landtagspräsident,
Sehr geehrte Frauen und Herren Abgeordnete
Die Regierung gestattet sich, dem Hohen Landtag nachstehende Postulatsbeantwortung an den Landtag zu unterbreiten.



 
1Amt für Statistik, Bevölkerungsstand per 30. Juni 2022.
 
2Amt für Statistik, Beschäftigtenstatistik, Beschäftigung 2021.
 
1.Anlass
Am 4. März 2022 haben die Abgeordneten Dagmar Bühler-Nigsch, Herbert Elkuch, Albert Frick, Peter Frick, Walter Frick, Sebastian Gassner, Manuela Haldner-Schierscher, Norma Heidegger, Franziska Hoop, Johannes Kaiser, Georg Kaufmann, Manfred Kaufmann, Dietmar Lampert, Gunilla Marxer-Kranz, Daniel Oehry, Bettina Petzold-Mähr, Sascha Quaderer, Thomas Rehak, Patrick Risch, Daniel Seger, Günter Vogt, Thomas Vogt, Mario Wohlwend und Karin Zech-Hoop das Postulat für ein nachhaltiges und ganzheitliches Raumplanungs-Mobilitäts-Konzept für Liechtenstein eingereicht.
Das Postulat wird im Folgenden auszugsweise zitiert:
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"(...)3. Postulat: Zielsetzung und Auftrag an die Regierung
Die Regierung wird beauftragt, im Rahmen der bestehenden Grundlagen sowie mit bewusster Neuausrichtung dieser aufgrund einer sehr viel breiter gefassten Zielsetzung und ohne sich von vornherein Denkverbote aufzuerlegen, ein nachhaltiges, ganzheitliches Raumplanungs-Mobilitäts-Konzept für Liechtenstein zu entwickeln.
Die Prämissen der Raumschaffung für ÖV und Langsamverkehr, kein weiterer Verbau von Natur- und Kulturflächen, sondern die Rückgabe von Natur- und Bodenflächen, keine weitere Zersiedelung, eine Raumplanung mit Verdichtung nach innen und mit vertikalen Entwicklungszielsetzungen, Entlastung der Wohnquartiere und Zentrumsbereiche vom MIV, nationale und regionale Vernetzung des Radverkehrs, Vernetzung des ÖV national, regional und international, Erreichbarkeit des Wirtschaftsstandortes und übergeordnete Intentionen der Energiestrategie 2030/2050 sowie im Rahmen der Klimaziele sollen erfüllt werden.
Ein solch umfassendes, nachhaltiges Generationenprojekt kostet viel Geld. Aber genau in diese Bereiche zu investieren, ist gerade für Liechtenstein als einem von fünf Staaten der Erde ohne Verschuldung, sondern mit beachtlichen Finanzreserven, eine nachhaltige Investition, die sich für unsere zukünftigen Generationen mehr als auszahlen wird. Grundlage für einen soliden Staatshaushalt bilden eben eine intakte Natur und Umwelt, ein florierender Wirtschaftsstandort dank guter Erreichbarkeit, eine florierende Volkswirtschaft verbunden mit guter Lebensqualität für die Menschen und gesicherten Sozialwerken.
4. Ausführlichere Darstellung der inhaltlichen Zielsetzung: Inhalt und Eckpunkte des Postulats für ein gesamtheitliches Raumplanungs- und Mobilitätskonzept (RMK)
4.1 Es soll ein umfassendes Raumplanungs- und Mobilitätskonzept für ganz Liechtenstein entstehen.
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4.2 Es sollen einerseits die Mobilitätsherausforderungen in Liechtenstein und andererseits im regionalen Anschluss umfassend, nachhaltig und von Grund aufgelöst sein.
4.3 Es sollen der ÖV, der MIV, der Langsamverkehr (Fuss- und Radverkehr) im Inland wie auch deren Erreichbarkeit vom Ausland nachhaltig gelöst sein und damit soll Liechtenstein vom Ausbau der Nachbarnetze im ÖV, im Radverkehr wie auch im MIV profitieren können und voll in die Vertaktung der ÖV-Netze (Bahn/Bus) lokal, regional und überregional eingebunden sein.
4.4 Durch die langfristig gesicherte Erreichbarkeit für alle Verkehrsteilnehmenden sollen der Wirtschaftsmotor Liechtensteins und damit der Lebensstandard und die soziale Absicherung langfristig sichergestellt sein.
4.5 Es soll, wenn irgendwie möglich, keine Zerschneidung von Landschaftsräumen und Grünräumen durch neue offene Trassen/Strassen erfolgen. Damit einhergehend sollen allfällige neue Verkehrsführungen keinen Verlust an Landschaftsflächen/Landwirtschaftsflächen nach sich ziehen.
4.6 Die Menschen werden vom Lärm durch Schienen- oder Strassenverkehr entlastet und heute belastete Zentren und Strassen sollen durch unterirdische/unterflurig überdeckte Verkehrskorridore entlastet werden. Es erfolgt somit keine Ausweitung des Siedlungsrandes. Stattdessen werden dem Menschen, der Natur und Landschaft Werte und Flächen zurückgegeben.
4.7 Es sollen Lösungen und Korridore gewählt werden, die möglichst keinen Privatgrund benötigen, sondern bereits im öffentlichen Eigentum stehen, respektive soll durch geringfügige Umlegungen und Arrondierung mit vorhandenen öffentlichen Grundstücken das private Bodeneigentum weitestgehend geschont werden.
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4.8 Das Raumplanungs- und Mobilitätskonzept soll den wirklichen Raum zur umfassenden und nachhaltigen Umsetzung des Mobilitätskonzeptes 2030 und des Raumkonzeptes 2020 schaffen, im Sinne einer umfassenden und nachhaltigen Raumplanung.
4.9 Es ist selbstverständlich und selbstredend, dass neben diesem nachhaltig angestrebten Win-Win-Generationenprojekt laufend notwendige Quick-Wins erkannt und implementiert werden, ohne den ganzheitlichen Zielbogen zu behindern bzw. für die Zukunft zu verbauen.
5. Projektstrategische Intentionen / Effektive Postulatsbeantwortungs-Materie
lm Rahmen dieser gegenständlichen Postulatsbeantwortung kann selbstverständlich kein fertiges, umfassendes Raumplanungs- und Mobilitätskonzept für das Liechtenstein der Zukunft entstehen. Dies ist ein grosses, aufwendiges Generationenprojekt, welches zu einem späteren Zeitpunkt konsequent erarbeitet und in die Umsetzung gebracht werden soll.
lm Rahmen dieser Postulatsbeantwortung sollen die Rahmenbedingungen geklärt und aufgezeigt werden, wie ein solch umfassendes und langfristiges Generationenprojekt auf einen erfolgreichen Weg gebracht werden kann.
Der Postulatstext zeigt den weit gefassten und ohne Denkverbot behafteten Lösungshorizont sowie die umfassenden Zielsetzungen auf, welche die Postulanten anvisieren. ln diesem Sinne wird von der Regierung in einem ersten Schritt zur Aufgleisung des skizzierten Generationenprojekts die Klärung und Beantwortung untenstehender Rahmenbedingungen, Eckpunkte und Voraussetzungen erwartet:
5.1 Vorgehensplan und mögliche Projektorganisation aufzeigen:Die Regierung legt dar, wie ein solches Generationenprojekt organisiert,
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strukturiert und bewältigt werden kann und erarbeitet ein mögliches Organigramm, aus dem ersichtlich wird, welche Ministerien sowie Amtsstellen involviert sind und welche externen Partner beigezogen werden müssen. Dabei zeigt die Regierung auch auf, wie die Einbindung aller Ministerien sichergestellt werden kann und inwiefern sie jeweils involviert werden.
5.2 Einbindung der Bevölkerung:Die Regierung zeigt auf, wie die Bevölkerung von Beginn an und während des gesamten Prozesses optimal in die Entwicklung eingebunden werden kann und welche Interessengruppen speziell abgeholt und in die Abläufe integriert werden sollen, um eine optimale Partizipation der Einwohnerinnen und Einwohner und somit eine breite grosse Akzeptanz des Projekts zu erreichen.
5.3 Die nötig zu involvierenden Stakeholder aufzeigen:Die Regierung führt aus, wer neben der Bevölkerung in das Projekt involviert werden muss. Besonderes Augenmerk legt sie auf Gemeinden, Verbände, die Wirtschaft, NGOs und weitere relevante Institutionen. Dabei prüft die Regierung auch die sich ergebenden bzw. potenziellen Schnittstellen.
5.4 Die Schnittstellen mit den Nachbarn aufzeigen:Schnittstellen ergeben sich aufgrund der Grösse und Lage Liechtensteins sowie der Tatsache, dass Mobilität stets ein grenzüberschreitendes Phänomen ist ganz automatisch mit den Nachbargemeinden, -regionen und -staaten. Die Regierung überprüft daher, welche grenzüberschreitenden Themenbereiche betroffen sind und welche Abhängigkeiten bestehen bzw. sich neu ergeben.
5.5 Gesetzliche Grundlagen klären:Die Regierung führt aus, welche Gesetze und Verordnung von den Neurungen eines nachhaltigen, ganzheitlichen Raumplanungs-Mobilitätskonzepts
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betroffen sind sowie welche Konzepte, Leitbilder, Strategien, Richtpläne etc. betroffen sind.
5.6 Abklärungsinstrumente aufzeigen:Die Regierung zeigt auf, welche Studien, Verkehrsmodellrechnungen, Machbarkeitsstudien etc. bereits existieren und was für Studien, Verkehrsmodellrechnungen, Machbarkeitsstudien etc. allenfalls noch erstellt werden müssen.
5.7 Laufende Projekte aufzeigen:Die Regierung führt aus, welche laufenden Projekte von einem nachhaltigen, ganzheitlichen Raumplanungs-Mobilitätskonzept tangiert werden und welche davon allenfalls angepasst, beschleunigt oder gestoppt werden müssten.
5.8 Sicherstellung der langfristigen Verbindlichkeit:Die Regierung zeigt Möglichkeiten auf, wie die langfristigen Verbindlichkeiten eines nachhaltigen, ganzheitlichen Raumplanungs-Mobilitätskonzepts sichergestellt werden können. Dabei bezieht sie auch die in den Nachbarstaaten und anderen Ländern gemachten Erfahrungen mit ein und legt insbesondere dar, was sich wo bewährt hat.
5.9 Sicherstellung der Flexibilität trotz langfristiger Verbindlichkeit:Um die notwendige Flexibilität zu gewährleisten, geht die Regierung darauf ein, wie trotz langfristiger Verbindlichkeiten im Zug der langfristigen Umsetzung auf neue Erkenntnisse und Entwicklungen im Raumplanungs- und Mobilitätsbereich reagiert werden kann und wie sich Ziele, Massnahmen sowie Umsetzungspläne allenfalls neu ausrichten liessen.
5.10 Aufzeigen eines möglichen groben Zeitplanes:Die Regierung stellt einen Zeitplan von der Projektorganisation bis zu den ersten Umsetzungsschritten auf.
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5.11 Unter Berücksichtigung des frühen Projektstandes rudimentäres Aufzeigen der allenfalls nötigen personellen und finanziellen Ressourcen:Die Regierung gibt eine Einschätzung, welche internen und externen personellen und finanziellen Ressourcen von der Projektorganisation bis zu den ersten Umsetzungsschritten notwendig sind.
Die Postulanten bitten die Regierung, sie möge bei der Beantwortung der in Kapitel 5.1 bis 5.11 gestellten Fragestellungen sich ihr allenfalls im Zuge des Beantwortungsprozesses stellende zusätzliche Fragen und sich abzeichnende Problemstellungen ebenfalls in die Beantwortung einfliessen lassen. (...)"
Der Landtag hat das Postulat am 7. April 2022 an die Regierung überwiesen.
Übersicht über die Beantwortung der aufgeworfenen Fragen
Die sich aus dem Postulat ergebenden Fragestellungen (effektive Postulatsbeantwortungs-Materie) werden gemäss nachfolgender Auflistung behandelt:
 
Eckpunkte effektive Postulatsbeantwortungs-Materie
Antwort
Pkt.
Thema
Kap.
5.1
Vorgehensplan, mögliche Projektorganisation und zusätzliche Rahmenbedingungen
3.1, 3.2
5.2
Einbindung der Bevölkerung
3.1
5.3
Zu involvierende Stakeholder
3.1
5.4
Schnittstellen mit den Nachbarn
0
5.5
Gesetzliche Grundlagen klären
3.3
5.6
Abklärungsinstrumente aufzeigen
3.5, 3.7
5.7
Laufende Projekte aufzeigen
3.6
5.8
Sicherstellung der langfristigen Verbindlichkeit
3.1, 3.7.3
5.9
Sicherstellung der Flexibilität trotz langfristiger Verbindlichkeit
3.1, 3.7.3
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5.10
Aufzeigen eines möglichen groben Zeitplanes
3.1
5.11
Rudimentäres Aufzeigen der allenfalls nötigen personellen und finanziellen Ressourcen
3.9
Tabelle 1: Übersicht Behandlung effektive Postulatsbeantwortungs-Materie
Stichwörter
Abs­tim­mung Sied­lung Wirt­schaft Verkehr
Ent­wick­lung Raum Mobilität
Lärm- und Umweltbelastungen
Lebens­qua­lität
Raum- und Verkehrsentwicklung
Sichers­tel­lung Attrak­ti­vität Lebenssraum
Sichers­tel­lung Attrak­ti­vität Wirtschaftsraum
Ver­knüp­fung Raum­pla­nung Mobilität
Ver­lust von Landschaftsflächen
Ver­mei­dung unnö­tige Mobilität