Berichte und Anträge
Regierungskanzlei (RK)
BuA - Nummer
2018 / 72
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Ein­lei­tung
I.Bericht der Regierung
1.Aus­gangs­lage
2.Begrün­dung der Vorlage
3.Schwer­punkte der Vorlage
4.Ver­nehm­las­sung
5.Erläu­te­rungen zu den ein­zelnen Bestimmungen
6.Ver­fas­sungs­mäs­sig­keit / Rechtliches
7.Aus­wir­kungen auf Ver­wal­tungstä­tig­keit und Ressourceneinsatz
II.Antrag der Regierung
Blauer Teil
III.Regie­rungs­vor­lage
Kein Titel
III.Regie­rungs­vor­lage
 
Bericht und Antrag der Regierung an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein
betreffend die Abänderung des Asylgesetzes (AsylG) und des Gesetzes über den Staatsgerichtshof (StGHG)   
 
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Die gegenständliche Asylgesetzrevision basiert auf einem aktuellen Urteil des Staatsgerichtshofes, durch welches der mit der Revision des Asylgesetzes vom 28. September 2016 eingeführte Art. 83 Abs. 1a des Asylgesetzes1 wegen Verfassungswidrigkeit aufgehoben wurde. Dies führt in der Praxis dazu, dass ein Antrag auf Verfahrenshilfe nicht mehr zusammen mit dem verfahrenseinleitenden Schriftsatz bzw. einer Beschwerde eingereicht werden muss. Folge davon ist, dass dies zu Doppelspurigkeiten und somit zu Verzögerungen im Rechtsmittelverfahren von mindestens zwei bis drei Wochen führt, wenn der Antrag auf Verfahrenshilfe abgewiesen wird. Ebenso besteht die Gefahr, dass durch das Nebenverfahren betreffend die Verfahrenshilfe das Hauptbeschwerdeverfahren gehemmt werden kann.
Mit dieser Gesetzesvorlage soll das ordentliche Beschwerdeverfahren im Sinne der Verfahrensökonomie beschleunigt und verfassungskonform ausgestaltet werden. Damit in Zusammenhang stehend sollen die Rechte der betroffenen Asylsuchenden im Bereich der Rechtsberatung gestärkt und erweitert werden.
Die vorgeschlagene Anpassung des Gesetzes über den Staatsgerichtshof betrifft die Individualbeschwerde an den Staatsgerichtshof für Fälle, in denen ein Asyl-Unzulässigkeitsentscheid gefällt wurde. Durch die vorgeschlagene Verkürzung der Beschwerdefrist um zwei Wochen kann die Zeitspanne, bis zu welcher der Staatsgerichtshof über den Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung absprechen kann, um insgesamt bis zu vier Wochen verkürzt werden.
Mit den vorgeschlagenen Anpassungen des Asylgesetzes und des Gesetzes über den Staatsgerichtshof werden sowohl das ordentliche Beschwerdeverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof wie auch das ausserordentliche Individualbeschwerdeverfahren vor dem Staatsgerichtshof unter gleichzeitiger absoluter Wahrung eines uneingeschränkten Rechtsschutzes für die Asylsuchenden beschleunigt ausgestaltet.
 
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Zuständiges Ministerium
Ministerium für Inneres
Betroffene Stellen
Ausländer- und Passamt
Verwaltungsgerichtshof
Staatsgerichtshof
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Vaduz, 04. September 2018
LNR 2018-888
Sehr geehrter Herr Landtagspräsident,
Sehr geehrte Frauen und Herren Abgeordnete
Die Regierung gestattet sich, dem Hohen Landtag nachstehenden Bericht und Antrag betreffend die Abänderung des Asylgesetzes (AsylG) und des Gesetzes über den Staatsgerichtshof (StGHG) an den Landtag zu unterbreiten.



 
1Asylgesetz (AsylG) vom 14. Dezember 2011, LGBl. 2012 Nr. 29.
 
1.Ausgangslage
Mit der am 1. Januar 2017 in Kraft getretenen Asylgesetzrevision2 wurde mit Art. 83 Abs. 1 a eine neue Bestimmung in das Asylgesetz aufgenommen, welche vorsah, dass ein Antrag auf Verfahrenshilfe frühestens mit dem verfahrenseinleitenden Schriftsatz bzw. der Beschwerde gestellt werden kann und dass dieser zusammen mit der Entscheidung in der Hauptsache behandelt wird.
Diese Bestimmung hob der Staatsgerichtshof mit Urteil vom 27. März 2018 zu StGH 2017/82 und StGH 2017/833 wegen Verfassungswidrigkeit auf.4
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Dies begründete der StGH wie folgt5:
"4.6 Gemäss der ständigen Rechtsprechung des Staatsgerichtshofes kommt dem Beschwerderecht nach Art. 43 LV ein materieller Gehalt zu, der eine Aushöhlung dieses Grundrechts durch den Gesetzgeber nicht zulässt. Gesetzliche Einschränkungen von Art. 43 LV sind jedoch im öffentlichen Interesse und bei Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismässigkeit zulässig, sofern sie das Grundrecht nicht übermässig einschränken (StGH 2017/52, Erw. 2.1; StGH 2014/81, Erw. 3.1; StGH 2009/4, Erw. 1.2.4 [Letztere abrufbar unter www.gerichtsentscheide.li]). Schränkt der Gesetzgeber das Beschwerderecht ein, sind Einschränkungen im Zweifel zugunsten der Gewährung des Beschwerderechts zu interpretieren (SIGH 2017/52, Erw. 2.1; StGH 2014/81, Erw. 3.1; StGH 2012/49, Erw. 3; StGH 2009/4, Erw. 1.2.4 [Letztere abrufbar unter www.gerichtsentscheide.li]; siehe auch Tobias Michael Wille, Beschwerderecht, a. a. O., 518, Rz. 17 m.w.H.). Der Staatsgerichtshof hat denn auch in seiner bisherigen Rechtsprechung insbesondere dort Sorge zu dem von ihm entwickelten materiellen Grundgehalt des verfassungsrechtlich garantierten Beschwerderechtes getragen, wo eine behördliche Massnahme für den Betroffenen einschneidende Auswirkungen und möglicherweise nicht wieder gutzumachende Nachteile zur Folge hat (vgl. StGH 2017/45, Erw. 2.2; StGH 2016/29, Erw. 3.2.1; StGH 2008/63, Erw. 9.2 und StGH 2001/26, Erw. 4 [Letztere abrufbar unter www.gerichtsentscheide.lil; vgl. auch StGH 2009/202, Erw. 10 ff. [tvww.gerichtsentscheide.li]; vgl. auch Tobias Michael Wille, Beschwerderecht, a. a, O., 520 ff., Rz. 20 ff.).
4.6.1 Das in Art. 76 Abs. 2 AsylG gewährte Rechtsmittel gegen Entscheidungen der Regierung oder des zuständigen Regierungsmitglieds hat demnach den verfassungsrechtlichen Mindestanforderungen an eine wirksame Beschwerde zu genügen und effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten. Dies gilt auch für die Beschwerde gegen eine Unzulässigkeitsentscheidung nach Art. 20 AsylG beim Vorsitzenden des Verwaltungsgerichtshofes (Art.77 Abs. 2 lit. a AsylG). Der dabei bestehende Anspruch auf Verfahrenshilfe nach Art. 83 AsylG dient der Gewährleistung einer wirksamen Beschwerde i.S.v. Art. 43 LV (Tobias Michael Wille, Beschwerderecht, a.a.O., 527 f., Rz. 30).
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4.6.2 Das Recht auf Verfahrenshilfe ist seinerseits ein verfassungsmässiger Anspruch, der sowohl aus dem Recht auf Beschwerdeführung gemäss Art. 43 LV (StGH 2001126, LES 2004, 168 [174 f., Erw.6]) als auch - primär - aus dem Gleichheitssatz der Verfassung gemäss Art. 31 LV abgeleitet wird (StGH 2003/64, Erw.2 unter Hinweis auf StGH 2003T7, Erw. 3.2). Mit der Verfahrenshilfe soll auch eine bedürftige Partei ihre Rechte in einem Verfahren amtlich verteidigen lassen können. Ein mittelloser Beschwerdeführer ist auf Gesuch hin zu verbeiständen, wo dies für eine wirksame Beschwerdeführung sachlich notwendig ist und der Prozess weder aussichtslos noch mutwillig ist (Andreas Kley, Grundzüge des liechtensteinischen Verwaltungsrechts, LPS Bd. 23, Schaan 1998, 255 f.).
4.6.3 [...]
4.6.4 Die frühere Rechtslage im Asylbereich hat eine effektive Ausübung des Beschwerderechts im Asylverfahren dadurch gewährleistet, dass das Verfahrenshilfeverfahren dem Hauptverfahren vorgelagert war. Neu kann der Antrag auf Gewährung der Verfahrenshilfe nun frühestens mit dem ersten Schriftsatz bzw. der Beschwerde gestellt werden und wird erst mit der Entscheidung in der Hauptsache behandelt (Art. 83 Abs. 1a AsylG). Damit steht in Frage, wie ein nicht rechtsfreundlich vertretener Beschwerdeführer sein verfassungsmässiges Beschwerderecht effektiv ausüben kann, wenn er aufgrund seiner mangelnden Sprach- und Rechtskenntnisse nicht in der Lage ist, eine rechtsgenügliche Beschwerde i. S. v. Art. 93 LVG einzubringen.
4.6.5 Art. 83 Abs. 1a AsylG fordert, dass der ,,Antrag auf Verfahrenshilfe frühestens mit dem verfahrenseinleitenden Schriftsalz bzw. der Beschwerde gestellt" werden kann. Der Zugang zur Verfahrenshilfe setzt damit voraus, dass der nicht rechtsfreundlich vertretene Beschwerdeführer auch ohne Verfahrenshelfer eine rechtsgenügliche Beschwerde verfassen bzw. das Verfahren richtig einleiten und diese substantiiert begründen kann. Dass dies in der Praxis - entgegen der Auffassung der Regierung - häufig nicht der Fall ist, zeigen nicht nur die gegenständlichen Verfahren, sondern etwa auch die Verfahren zu StGH 2017/45 und StGH 2017/46. Diese Fälle veranschaulichen auch, dass sich die Beschwerdeführer aufgrund ihrer mangelnden Sprach- und Rechtskenntnisse in solchen Verfahren oft nicht zurechtfinden. Sie sind nicht in der Lage, eine rechtsgenügliche Beschwerde einzubringen und hinreichend darzutun, weshalb ihr Rechtsschutzbegehren gegebenenfalls entgegen dem ersten Anschein nicht offensichtlich aussichtslos ist. In-
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sofern ist aus Gründen, die in der betroffenen Person liegen, eine auch materiell effektive Ausübung des Beschwerderechts nicht möglich (vgl. zur Rechtsprechung in der Schweiz BGE 125 V 32,35, E. 4b).
4.6.6 Der Regierung ist zwar darin zuzustimmen, dass jeder Asylsuchende die Möglichkeit hat, die im Asylverfahren angebotene kostenlose Rechtsberatung zu nutzen. ,,Diese umfasst insbesondere die Erläuterung der Rechte und Pflichten sowie eine Verfahrens- und Chancenberatung" (vgl. BuA Nr. 70/2016, 72). ,,Die Vertretung im Fall der Beschreitung des Rechtsweges" beinhaltet die Rechtsberatung nach Art. 13 Abs. 2 AsylG hingegen gerade nicht, wie die Regierung selbst festgehalten hat (BuA Nr. 85/2011, 61 f.). Art. 13 Abs. 3 AsylG verlangt sogar ausdrücklich die Trennung von Rechtsberatung und Rechtsvertretung. In der aktuellen Form gewährt daher die angebotene Rechtsberatung keinen Ersatz für den Anspruch auf eine wirksame Beschwerde im Asylverfahren.
4.6.7 Freilich beruht, wie die Regierung dartut (Sachverhalt, Ziff. 10.11), die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes in der Hauptsache ,,nicht nur auf dem Beschwerdevorbringen, sondern [...] auf dem ganzen dem Verfahren zugrundeliegenden Akteninhalt. Eine Einschränkung des Anspruchs auf eine wirksame Beschwerde lässt sich dadurch jedoch nicht rechtfertigen. Jeder Asylsuchende hat Anspruch auf ein faires Verfahren, in dessen Dienst auch der Anspruch auf eine wirksame Beschwerde steht (René Rhinow et al., öffentliches Prozessrecht, Grundlagen und Bundesrechtspflege, 3. Aufl., Basel 2014, § 5, Rz. 365 ff.; siehe auch Tobias Michael Wille, Liechtensteinisches Verfassungsprozessrecht, a. a.O., 376 ff.). Der Beschwerdeführer soll nicht als reines Objekt des Verfahrens, sondern als eine am Verfahren beteiligte, miteinbezogene Person wahrgenommen werden (vgl. Daniela Thurnherr, Verfahrensgrundrechte und Verwaltungshandeln, Habil., Zürich/St. Gallen, 2013, Rz. 200) und der gegenüberstehenden Partei; konkret der Regierung, gleichgestellt sein (vgl. Christoph Grabenwarter/Katharina Pabel, Europäische Menschenrechtskonvention, 6. Aufl., München/Basel/Wien 2016, § 24, Rz. 67; siehe auch Martin Kayser, Kommentar zum Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren, Andreas Auer/Markus Müller/Benjamin Schindler [Hrsg.], Bern 2008, Art. 65, Rz.32).
4.6.8 Im Lichte des verfassungsmässigen Anspruchs auf eine wirksame Beschwerde und auf einen effektiven Rechtsschutz bedenklich ist vor allem, dass der als eigenständig zu behandelnde Antrag auf Verfahrenshilfe gemäss Art. 83 Abs. 1a AsylG nicht nur
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gleichzeitig mit der Beschwerde gestellt, sondern zusammen mit der Hauptsache beurteilt werden muss. Diese Regelung lässt das Recht auf Verfahrenshilfe im Asylbereich leerlaufen. Denn diese gesetzliche Vorgabe bedeutet im Ergebnis, dass eine Gutheissung des Verfahrenshilfeantrages ohne Wirkung bleibt, da ja in der Hauptsache bereits gleichzeitig materiell entschieden worden ist. Im Falle einer Ablehnung der Beschwerde wäre der Beschwerdeführer systemwidrig gezwungen, mit einer Individualbeschwerde beim Staatsgerichtshof eine Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichtshofes zu erwirken, um sein Recht auf Verfahrenshilfe effektiv durchsetzen zu können. Art. 83 Abs. 1a AsylG ist deshalb auch nicht direkt vergleichbar mit der analogen Regelung im erstinstanzlichen Zivilverfahren gemäss S 65 ZPO, wo im Übrigen auch der ordentliche Rechtsmittelweg offen steht.
4.6.9 Zusammengefasst muss im Asylverfahren eine Beschwerdemöglichkeit immer, auch im Dublin-Verfahren, gewährleistet sein. Die Regelung, wonach ,,ein Antrag auf Verfahrenshilfe [...] frühestens mit dem verfahrenseinleitenden Schriftsatz bzw. der Beschwerde gestellt werden" und ,,der Antrag [...] zusammen mit der Entscheidung in der Hauptsache behandelt" werden kann (Art. 83 Abs. 1a AsylG), widerspricht nach Auffassung des Staatsgerichtshofes aus den dargelegten Gründen der Verfassung und der EMRK. In Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte der geltenden Rechtslage und des Willens des Gesetzgebers sowie von Sinn und Zweck der Norm, wie dies auch die Regierung in ihrer Stellungnahme zum Ausdruck bringt, sowie vor dem Hintergrund der heutigen gesetzlichen Regelung der Rechtsberatung im Asylverfahren im Fürstentum Liechtenstein lässt sich Art. 83 Abs. 1a AsylG nach der Auffassung des Staatsgerichtshofes auch nicht verfassungskonform auslegen.
4.6.10 Der Staatsgerichtshof hält es allerdings nicht für ausgeschlossen, dass die vom Gesetzgeber mit Art. 83 Abs. 1a AsylG verfolgte Absicht durch ergänzende Regelungen verfassungskonform ausgestaltet werden kann.
Auch der schweizerische Gesetzgeber hat im Zuge der Revision des Asylrechts eine möglichst rasche und effiziente Behandlung von Asylanträgen inklusive damit verbundener Beschwerdeverfahren angestrebt. Im Vordergrund stand dabei, unter anderem, die Neugestaltung des nichtstreitigen Verfahrens (Zusatzbotschaft zur Änderung des Asylgesetzes vom 23. September 2011, BBI 2011 7325; Revision des Asylgesetzes vom 25. September 2015). Ein solches beschleunigtes Asylverfahren bedarf nach der Auffassung des
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schweizerischen Gesetzgebers jedoch zwingend einer Beratung und Rechtsvertretung. Lediglich auf diese Weise bleibe die Rechtsstaatlichkeit und die Fairness solcher Verfahren trotz kurzer Verfahrensfristen gesichert. Nur so könne die Akzeptanz negativer Asylentscheide durch den Asylsuchenden erhöht werden, sodass beschleunigte Asylverfahren ein geeignetes Mittel bleiben, um Beschwerden gegen negative Asylentscheidungen zu verringern (dazu auch die Erläuterungen des Bundesrates zur Abstimmungsvorlage vom 5. Juni 2016, S. 49). Art. 37 CH-AsylG sieht vor, dass "jeder asylsuchenden Person ab Beginn der Vorbereitungsphase und für das weitere Asylverfahren eine Rechtsvertretung zugeteilt wird [...], sofern die asylsuchende Person nicht ausdrücklich darauf verzichtet" (Art. 102h Abs. 1 CH-AsylG). Dieser Anspruch auf einen unabhängigen, fachlich qualifizierten und unentgeltlichen ,,Rechtsvertreter" besteht auch in Dublin-Verfahren (Botschaft zur Änderung des Asylgesetzes vom 3. September 2014, BBI 2013 8023; zu den Aufgaben der Rechtsberatung und -vertretung siehe Art. 102h Abs. 4 und Art.102k Abs. 1 CH-AsylG).
4.6.11 Vor dem Hintergrund dieser Ausführungen kommt der Staatsgerichtshof zum Schluss, dass eine Regelung im Sinne von Art. 83 Abs. 1a AsylG verfassungsrechtlich vertretbar wäre, falls die Verpflichtung zur gleichzeitigen Behandlung von Verfahrenshilfeantrag und Beschwerde aufgehoben würde (Art. 83 Abs.1a Satz 2 AsylG). Ein Verfahrenshilfeantrag eines rechtsfreundlich vertretenen oder eines unvertretenen Beschwerdeführers ist selbständig zu beurteilen. Heisst der Präsident des Verwaltungsgerichtshofes den Verfahrenshilfeantrag gut, so wäre im Sinne der früheren Rechtslage ein ordentlicher Verfahrenshelfer zu bestellen und ihm eine Frist zur ergänzenden Begründung der Beschwerde einzuräumen. Fehlt es hingegen an der Notwendigkeit der Verbeiständung, so entscheidet er über den Verfahrenshilfeantrag zusammen mit der Hauptsache. Eine solche Regelung würde die Verfahrensökonomie in verfassungskonformer Weise zusätzlich erhöhen (vgl. Erw. 4.5.2), weil unter diesen Voraussetzungen - wie es der Gesetzgeber mit Art. 83 Abs. 1a AsylG beabsichtig hat - nur noch gegen die Entscheidung in der Hauptsache Individualbeschwerde erhoben werden könnte.
4.6.12 Allerdings würde eine solche Regelung - anders als derzeit in Art. 13 AslyG - voraussetzen, dass insbesondere in den Dublin Verfahren die Möglichkeit einer unabhängigen, juristisch qualifizierten und unentgeltlichen Rechtsberatung besteht, welche auch das Recht auf Beratung und Unterstützung im Beschwerdeverfah-
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ren umfassen müsste, sofern eine Beschwerde von der Rechtsberatung nicht als aussichtslos beurteilt wird.
4.6.13 Ohne bzw. bis zu einer solchen neuen gesetzgeberischen Lösung ist Asylsuchenden weiterhin die Möglichkeit zu geben, vorweg einen gesonderten Verfahrenshilfeantrag zu stellen. Festzuhalten ist, dass auch bei nicht rechtskundigen bzw. nicht deutschsprachigen Asylsuchenden nicht auch schon für die Stellung dieses Antrages (gewissermassen automatisch, ohne Berücksichtigung der Frage der Aussichtslosigkeit der Beschwerdeführung) ein Verfahrenshelfer zu bestellen ist, zumal nach Auffassung des Staatsgerichtshofes die im Gesetz vorgesehene Verfahrensberatung auch eine Unterstützung des Asylsuchenden bei der Antragstellung für die Verfahrenshilfe umfasst und ermöglicht. Damit kann sichergestellt werden, dass ein für eine Überprüfung durch den VGH-Präsidenten genügend substantiierter Verfahrenshilfeantrag gestellt werden kann.
4.6.14 Aufgrund der vorstehenden Erwägungen kommt der Staatsgerichtshof zum Schluss, dass der geprüfte Art. 83 Abs. 1a AsylG verfassungswidrig und deshalb spruchgemäss aufzuheben ist. Bis zum Erlass einer neuen Regelung durch den Gesetzgeber lebt durch die Aufhebung dieses mit der Revision des Asylgesetzes vom 28. September 2016 eingeschobenen Absatzes die altrechtliche Regelung wieder auf, welche vor der Revision gegolten hat."



 
2Vgl. Gesetz vom 28. September 2016 über die Abänderung des Asylgesetzes, LGBl. 2016.411.
 
3Veröffentlicht in LES 2/2018, S.85 ff.
 
4Vgl. auch Kundmachung vom 15. Mai 2018 der Aufhebung von Art. 83 Abs. 1a des Asylgesetzes durch das Urteil des Fürstlich Liechtensteinischen Staatsgerichtshofes vom 27. März 2018 (StGH 2017/82 und StGH 2017/83, LGBl. 2018 Nr. 88.
 
5Urteil des StGH vom 27. März 2018 zu StGH 2017/82 und StGH 2017/83, Erw. 4.6, S. 18 ff.
 
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Antrag auf Ver­fah­rens­hilfe nicht mehr zusammen mit dem ver­fah­rensein­lei­tenden Schriftsatz
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ordent­liche Beschwer­de­ver­fahren vor dem Ver­wal­tungs­ge­richtshof wie auch das aus­ser­or­dent­liche Indi­vi­dual-beschwer­de­ver­fahren vor dem Staats­ge­richtshof beschleunigt
Ver­kür­zung der Beschwer­de­frist um zwei Wochen