Berichte und Anträge
Regierungskanzlei (RK)
BuA - Nummer
2022 / 74
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Ein­lei­tung
I.Bericht der Regie­rung
1.Aus­gangs­lage
2.Begrün­dung der Vorlage
3.Auf­gaben, Tätig­keiten und Ent­schei­dungs­pro­zesse im IWF
4.Kosten-Nutzen Ana­lyse der IWF-Mit­glied­schaft für Liechtenstein
5.Ver­fas­sungs­mäs­sig­keit / Rechtliches
6.Voraus­set­zungen und Ablauf des IWF-Beitritts
7.Ver­nehm­las­sung
8.Aus­wir­kungen auf Ver­wal­tungstä­tig­keit und Ressourceneinsatz
II.ANTRAG DER REGIERUNG
 
Bericht und Antrag der Regierung an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein
betreffend die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF)   
 
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Das Regierungsprogramm sieht vor, dass die Frage eines möglichen IWF-Beitritts Liechtensteins in der laufenden Legislaturperiode einer Entscheidung zugeführt wird. Die Regierung hat nach entsprechenden Entscheidungen in der abgelaufenen Legislatur zuletzt mit Beschluss vom 11. Mai 2022 einen IWF-Beitritt auf Basis umfangreicher Vorabklärungen befürwortet. Aufgrund der grossen Bedeutung einer IWF-Mitgliedschaft für Liechtenstein erachtet es die Regierung als wichtig, den Landtag frühzeitig in die Beitritts-Frage einzubeziehen und ein grundsätzliches Einverständnis des Parlaments zur Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit dem IWF zu Beginn des Prozesses einzuholen. Dieser Bericht dient dazu, die Hintergründe, Vor- und Nachteile darzulegen.
Der Internationale Währungsfonds (IWF, englisch: International Monetary Fund, IMF) wurde 1945 gegründet und ist eine rechtlich, organisatorisch und finanziell unabhängige Sonderorganisation der Vereinten Nationen. Der IWF ist die bedeutendste internationale Institution im Bereich der internationalen währungs- und finanzpolitischen Kooperation. Das IWF-Abkommen umfasst insbesondere die Förderung der internationalen Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Währungspolitik, die Erleichterung eines ausgewogenen Wachstums des globalen Handels sowie die Förderung der Stabilität der Wechselkurse. Die Ziele des IWF sind insbesondere für kleine, offene Volkswirtschaften wie Liechtenstein von grosser Bedeutung, da Liechtenstein mit seiner hohen Exportquote auf den globalen Marktzugang angewiesen ist. Liechtenstein profitiert vom Zugang zu multilateralen Foren wie jenen des IWF. Der IWF zählt 190 Mitgliedstaaten, darunter alle UNO-Mitglieder ausser Kuba, Liechtenstein, Monaco und Nordkorea. Zuletzt trat Andorra dem IWF 2020 bei.
Der IWF hat in der Vergangenheit bei zahlreichen nationalen und internationalen Krisen erfolgreich eingegriffen, durch seine Interventionen die globale Finanzstabilität gewährleistet und damit auch die Realwirtschaft mehrfach vor dem Zusammenbruch bewahrt. Durch die Globalisierung und die wachsende weltweite Vernetzung sind die Risiken grösser geworden, wodurch auch die Bedeutung des IWF in den letzten Jahren zugenommen hat. Eine IWF-Mitgliedschaft ist vor diesem Hintergrund für Liechtenstein vor allem aus einer Finanzstabilitätsperspektive essenziell. Liechtenstein ist Teil des schweizerischen Währungsraumes und hat keine eigenständige Zentralbank, wodurch dem Land ein Kreditgeber letzter Instanz
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("lender of last resort") fehlt. Ein schneller Zugang zu Finanzmitteln wäre für Liechtenstein beispielsweise bei einer Naturkatastrophe, die das ganze Land betrifft, oder auch in einer Finanzkrise sehr wichtig. Die Erfahrungen aus vergangenen Krisen zeigen, dass schnelle Liquidität absolut entscheidend sein kann, um Schaden vom Finanzsektor und in der Folge von der Realwirtschaft abzuwenden, und dass Länder mit funktionierenden Institutionen überproportional von IWF-Hilfen profitieren, wie dies beispielsweise in Island oder Irland im Kontext der globalen Finanzkrise der Fall war. Eine IWF-Mitgliedschaft ist für Liechtenstein eine Versicherung für den Krisenfall. Eine Kreditlinie durch den IWF stärkt das Investorenvertrauen und reduziert damit in einer Krisensituation das Risiko eines massiven Liquiditätsabflusses, der in Liechtenstein im schlimmsten Fall zu Verlusten unter den Einlegern, einer Destabilisierung des Hypothekar- und Immobilienmarktes sowie zu hohen Kosten für die Realwirtschaft führen könnte. In einem solchen Szenario können durch die Stabilisierung des Finanz- und Banksystems und die Beschaffung von Liquidität die Verluste beschränkt und die wesentlichsten staatlichen Aufgaben (wie z.B. Gesundheitsversorgung, Bildungssystem, Sicherheit etc.) jederzeit sichergestellt werden.
Anders als vor 10 Jahren, als aufgrund der globalen Finanzkrise weitreichende Reformen und Massnahmenpakete notwendig wurden, kann Liechtenstein die Diskussion über eine IWF-Mitgliedschaft heute aus einer Position der Stärke führen. Ziel ist es, die Stabilität und den Wohlstand der liechtensteinischen Volkswirtschaft auch langfristig abzusichern. Neben der Versicherung im Krisenfall würde ein IWF-Beitritt auch die internationale Vernetzung, die Reputation sowie die Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandortes und Finanzplatzes Liechtenstein stärken. Dabei könnte Liechtenstein auf internationaler Ebene Bewusstsein für die hohe Erfüllungsquote ("Compliance Rate") mit internationalen und europäischen Regulierungsstandards sowie die durchgeführten Reformen schaffen. Der IWF bietet zudem Zugang zu weltweit führender Expertise, die insbesondere in einer Krise zentral wäre, und kann eine wichtige Frühwarnfunktion für die Politik zur Erkennung problematischer Entwicklungen für den Finanzplatz und den Wirtschaftsstandort erfüllen. Anders als durch die EWR-Mitgliedschaft kommen durch einen IWF-Beitritt keine neuen oder zusätzlichen Regulierungen auf die liechtensteinische Volkswirtschaft oder den Finanzplatz zu. Die volle Unterstützung und das grosse Interesse der Schweiz an einer IWF-Mitgliedschaft Liechtensteins unterstreicht die
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Sinnhaftigkeit dieses Schrittes und zeigt zudem, dass ein IWF-Beitritt das bilaterale Verhältnis zur Schweiz weiter stärken würde. Das wichtigste Argument für eine IWF-Mitgliedschaft bleibt aber die Absicherung für den Krisenfall - und es liegt in der Natur einer Versicherung, dass man hofft, dass diese nie benötigt wird.
Dem veranschaulichten hohen Nutzen einer IWF-Mitgliedschaft stehen verhältnismässig tiefe Kosten gegenüber. Die IWF-Mitgliedschaft erfordert die Hinterlegung eines Teils der festzulegenden Quote. Die Höhe der Quote kommt durch einen festgelegten Schlüssel und durch Verhandlungen mit dem IWF zustande. Aktuell wird davon ausgegangen, dass sich die Quote in der Grössenordnung von 100 bis 150 Mio. CHF bewegen und 25 % davon effektiv hinterlegt würde, was wiederum zwischen 25 und 37.5 Mio. CHF ausmachen würde. Bei dem hinterlegten Teil der Quote handelt es sich nicht um eine à fonds perdu-Zahlung oder einen Mitgliedsbeitrag, sondern um eine verzinste Anlage beim IWF. Die absolute Höhe der Einlage ist daher aus einer Kostenperspektive nicht entscheidend. Vielmehr ist der hinterlegte Teil der Quote als Währungsreserve Liechtensteins definiert, welche im Krisenfall jederzeit - auch ohne Zustimmung des IWF - abgerufen werden kann. Der hinterlegte Teil der Quote wird zudem verzinst und stellt somit eine sinnvolle Anlage für einen Teil des Nettofinanzvermögens des Landes dar.
Die direkten finanziellen Kosten eines IWF-Beitritts beschränken sich auf die administrativen Kosten, die durch die Mitarbeit im IWF zustande kommen. Die Regierung geht davon aus, dass sich die Gesamtkosten der Mitgliedschaft auf rund eine halbe Million Franken pro Jahr belaufen würden.
Zuständiges Ministerium
Ministerium für Präsidiales und Finanzen
Betroffene Stellen
Amt für Auswärtige Angelegenheiten
Amt für Statistik
Finanzmarktaufsicht Liechtenstein
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Vaduz, 12. Juli 2022
LNR 2022-1131
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Sehr geehrter Herr Landtagspräsident,
Sehr geehrte Frauen und Herren Abgeordnete
Die Regierung gestattet sich, dem Hohen Landtag nachstehenden Bericht und Antrag betreffend die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) zu unterbreiten.
I.Bericht der Regierung1



 
1Der vorliegende Bericht stützt sich auf öffentlich verfügbare Informationen sowie eine Reihe von Vorgesprächen mit Vertretern des IWF sowie Behörden und Institutionen aus der Schweiz, Österreich und Andorra.
 
Stichwörter
Auf­nahme Beitrittsverhandlungen
Bei­tritt Inter­na­tio­naler Währungsfonds
IWF-Bei­tritt Liechtensteins