Berichte und Anträge
Regierungskanzlei (RK)
BuA - Nummer
2019 / 8
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Ein­lei­tung
I.Bericht der Regierung
1.Aus­gangs­lage
2.Begrün­dung der Vorlage
3.Schwer­punkte der Vorlage
4.Ver­nehm­las­sung
5.Erläu­te­rungen zu den ein­zelnen Bes­tim­mungen des Ausländergesetzes
6.Ver­fas­sungs­mäs­sig­keit / Rechtliches
7.Aus­wir­kungen auf Ver­wal­tungstä­tig­keit und Ressourceneinsatz
II.Antrag der Regierung
III.Regie­rungs­vor­lage
Grüner Teil
 
Bericht und Antrag der Regierung an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein
betreffend die Genehmigung und Umsetzung des Notenaustausches zwischen dem Fürstentum Liechtenstein und der EU betreffend die Übernahme der Rechtsgrundlagen zur Errichtung und Nutzung des Einreise- und Ausreisesystems (EES) (Verordnungen (EU) 2017/2226 und 2017/2225) sowie die Abänderung des Gesetzes über die Ausländer (Ausländergesetz; Aug)
(Weiterentwicklungen des Schengen-Besitzstands)
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Das Fürstentum Liechtenstein ist mit Inkraftsetzen der Assoziierungsprotokolle zu Schengen und Dublin am 19. Dezember 2011 dem Schengen-Raum beigetreten. Damit hat sich Liechtenstein auch zur Übernahme künftiger Weiterentwicklungen des Schengen-Besitzstands gemäss dem im Assoziierungsprotokoll festgelegten Verfahren verpflichtet. Der vorliegende Bericht und Antrag betrifft die Übernahme und Umsetzung einer solchen Weiterentwicklung, gegenständlich die Verordnung (EU) 2017/2226 des Europäischen Parlaments und des Rates über ein Einreise-/Ausreisesystem (EES) zur Erfassung der Ein- und Ausreisedaten sowie der Einreiseverweigerungsdaten von Drittstaatsangehörigen an den Aussengrenzen der Mitgliedstaaten und zur Festlegung der Bedingungen für den Zugang zu Gefahrenabwehr- und Strafverfolgungszwecken und zur Änderung des Übereinkommens zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen sowie der Verordnungen (EG) Nr. 767/2008 (VIS-Verordnung) und (EU) Nr. 1077/2011 (nachfolgend EES-Verordnung) und der Verordnung (EU) 2017/2225 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. November 2017 zur Änderung der Verordnung (EU) 2016/399 in Bezug auf die Nutzung des Einreise-/Ausreisesystems (nachfolgend Verordnung zur Anpassung des Schengener Grenzkodex). Diese Weiterentwicklungen wurden Liechtenstein durch die EU am 18. Januar 2018 notifiziert. Die Regierung hat die Übernahme der genannten Verordnungen vorbehaltlich der Zustimmung des Landtags genehmigt.
Einerseits soll der zur Übernahme der Verordnungen notwendige Notenaustausch durch den Landtag genehmigt werden und andererseits befasst sich die vorliegende Gesetzesvorlage mit der dadurch notwendigen Abänderung des Ausländergesetzes (AuG).
Das EES dient der elektronischen Erfassung von Ein- und Ausreisen von Drittstaatsangehörigen, die für einen kurzen Aufenthalt in den Schengen-Raum einreisen, und der Erfassung von Einreiseverweigerungen. Das System berechnet die effektive Aufenthaltsdauer im Schengen-Raum, wodurch irreguläre Migration einfacher festgestellt werden kann. Zudem soll das EES dazu führen, dass Reisende mit Drittstaatsangehörigkeit bei Kontrollen an den Schengen-Aussengrenzen und im Schengen-Raum unter anderem mit der Hilfe von
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biometrischen Daten (Gesichtsbild und Fingerabdrücke) einfacher identifiziert werden können.
Mit der Änderung des AuG werden unter anderem die Bestimmungen der EES-Verordnung sowie des Beschlusses über den Zugang der benannten Behörden der Mitgliedstaaten und von Europol zum EES für Datenabfragen zum Zwecke der Verhütung, Aufdeckung und Ermittlung terroristischer und sonstiger schwerwiegender Straftaten (EES-Beschluss) in der nationalen Gesetzgebung konkretisiert.
Zuständiges Ministerium
Ministerium für Inneres, Bildung und Umwelt
Betroffene Stellen
Ausländer- und Passamt
Landespolizei
Amt für Informatik
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Vaduz, 22. Januar 2019
LNR 2019-89
Sehr geehrter Herr Landtagspräsident,
Sehr geehrte Frauen und Herren Abgeordnete
Die Regierung gestattet sich, dem Hohen Landtag nachstehenden Bericht und Antrag betreffend die Genehmigung und Umsetzung des Notenaustausches zwischen dem Fürstentum Liechtenstein und der EU betreffend die Übernahme der Rechtsgrundlagen zur Errichtung und Nutzung des Einreise- und Ausreisesystems (EES) (Verordnungen (EU) 2017/2226 und 2017/2225) sowie die Abänderung des Gesetzes über die Ausländer (Ausländergesetz; AuG) an den Landtag zu unterbreiten.
1.Ausgangslage
Die Europäische Union (EU) sieht sich seit Jahren mit einem Anstieg der irregulären Grenzübertritte und einer sich wandelnden, ständig präsenten Bedrohung der inneren Sicherheit konfrontiert. Deshalb besteht die Absicht, das Informationsmanagement in der EU unter uneingeschränkter Achtung der Grundrechte, insbesondere des Rechts auf Schutz der personenbezogenen Daten, wirksamer und effizienter zu gestalten, den Schutz der EU-Aussengrenzen besser zu gewährleisten, die Migrationssteuerung zu verbessern und die innere Sicherheit aller Bürgerinnen und Bürger zu erhöhen.
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Die EU-Kommission legte bereits in ihrer Mitteilung vom 13. Februar 2008 mit dem Titel "Vorbereitung der nächsten Schritte für die Grenzverwaltung in der Europäischen Union" die Notwendigkeit dar, im Rahmen der Strategie für einen integrierten Grenzschutz der Union ein Einreise-/Ausreisesystem einzurichten und die bereits bestehenden Einreise- und Ausreisesysteme nach Möglichkeit in dieses System zu integrieren.1 In der Folge haben sich die Kommission und der Europäische Rat immer wieder mit der Verbesserung des Schutzes der Aussengrenze auseinandergesetzt. Exemplarisch seien die Leitlinien vom Juni 2014 erwähnt, in denen der Europäische Rat die Notwendigkeit eines wirksamen Managements der gemeinsamen EU-Aussengrenze neuerlich betonte. Mit der "Europäischen Migrationsagenda" vom Mai 2015 hielt die Kommission fest, dass mit der Initiative "Intelligente Grenzen" eine neue Phase eingeleitet werde, mit der eine effizientere Abfertigung an den Grenzübergängen gewährleistet und gleichzeitig wirksamer gegen die irreguläre Migration vorgegangen werden soll.
Als Reaktion auf die zunehmenden Passagierströme und als Antwort auf Sicherheitsbedenken in Bezug auf die Kontrollen an der EU-Aussengrenzen hat die EU-Kommission am 6. April 2016 konkrete Vorschläge2 für die Einrichtung des EES zur Erfassung der Grenzübertritte aller Nicht-EU-Bürger präsentiert.
Die Verordnungen (EU) 2017/2226 und 2017/2225 wurden am 30. November 2017 formell verabschiedet.3
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Mit dem Entry-Exit-System soll Zeitpunkt und Ort der Ein- und Ausreise der Drittstaatsangehörigen, die für einen Kurzaufenthalt (= 90 Tage pro 180 Tage) im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten zugelassen sind, elektronisch erfasst werden. Das System ist zudem in der Lage, die Dauer des zulässigen Aufenthalts zu berechnen. Im EES erfasst werden sollen auch Drittstaatsangehörige, denen die Einreise für einen Kurzaufenthalt verweigert worden ist.
Das EES wird an den Land-, See- und Luft-Aussengrenzen derjenigen Mitgliedstaaten, die den Schengen-Besitzstand vollständig anwenden, betrieben. Für Mitgliedsstaaten, die den Schengen-Besitzstand nicht vollständig anwenden, sind spezielle Regelungen vorgesehen. Obwohl das Fürstentum Liechtenstein selbst keine Schengen-Aussengrenze hat und die Landesgrenze aufgrund des Zollvertrages mit der Schweizerischen Eidgenossenschaft durch das Schweizer Grenzwachtkorps gesichert und kontrolliert wird, ist Liechtenstein aufgrund des Protokolls zwischen dem Fürstentum Liechtenstein, der Europäischen Union, der Europäischen Gemeinschaft und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über den Beitritt des Fürstentums Liechtenstein zu dem Abkommen zwischen der Europäischen Union, der Europäischen Gemeinschaft und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Assoziierung der Schweizerischen Eidgenossenschaft bei der Umsetzung, Anwendung und Entwicklung des Schengen-Besitzstands (LGBl. 2011 Nr. 131) gegenüber der EU zur Übernahme und zur Umsetzung aller Weiterentwicklungen des Schengen-Besitzstands verpflichtet.
Die Einführung des EES ist für Liechtenstein trotz Fehlens einer Schengen-Aussengrenze nicht nur eine vertragliche Verpflichtung, sondern es wird ein wichtiges Element zur Aufenthaltskontrolle von Drittstaatsangehörigen primär
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für das Ausländer- und Passamt und in weiterer Folge auch für die Landespolizei eingeführt. Da mit dem EES auf das manuelle Stempeln der Reisepässe verzichtet wird und die Einreisedaten elektronisch zentral zur Verfügung stehen, wird die zulässige Aufenthaltsdauer wesentlich einfacher zu bestimmen sein und damit auch die Frage, ob ein Aufenthalt im Schengen-Raum resp. in Liechtenstein legal ist oder nicht, rasch zu klären sei. Damit unterscheidet sich der Nutzen des EES für Liechtenstein - mit Ausnahme des Aussengrenzmanagements - nicht von den Globalzielen des EES.
Zu den Globalzielen des EES zählen unter anderem, das Aussengrenzmanagement zu verbessern, irreguläre Einwanderung zu verhindern und die Steuerung der Migrationsströme zu erleichtern. Das EES wird namentlich zur Identifizierung von Personen beitragen, die die Voraussetzungen hinsichtlich der Dauer des zulässigen Aufenthalts im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten nicht oder nicht mehr erfüllen. Das EES generiert automatisiert Listen von Personen, welche die zulässige Anwesenheit im Schengen-Raum überschritten haben, um gegen diese Personen Massnahmen zur Rückkehr einzuleiten. Darüber hinaus kann das EES zur Verhütung, Aufdeckung und Untersuchung terroristischer oder sonstiger schwerer Straftaten beitragen.
Im vorliegenden Fall wurden Liechtenstein am 18. Januar 2018 zwei Rechtsakte notifiziert, die jeweils eine Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstands darstellen. Dabei handelt es sich einerseits um die Verordnung (EU) 2017/2226 (EES-Verordnung) über ein Einreise-/Ausreisesystem zur Erfassung der Ein- und Ausreisedaten sowie der Einreiseverweigerungsdaten von Drittstaatsangehörigen an den Aussengrenzen der Mitgliedstaaten. Im Weiteren handelt es sich um die Verordnung (EU) 2016/3996 (Schengener Grenzkodex), welche in Bezug auf die Nutzung des EES angepasst wurde (Verordnung (EU) 2017/2225). Die
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Übernahme dieser Rechtsakte wurde von der Regierung vorbehaltlich der Zustimmung des Landtags am 20. Februar 2018 genehmigt.



 
1Vorbereitung der nächsten Schritte für die Grenzverwaltung in der Europäischen Union, Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen vom 13. Februar 2008, KOM (2008) 69.
 
2Vgl. Vorschlag der Kommission über eine Verordnung über ein Einreise-/Ausreisesystem (EES) (COM (2016) 194 final).
 
3Verordnung (EU) 2017/2226 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. November 2017 über ein Einreise-/Ausreisesystem (EES) zur Erfassung der Ein- und Ausreisedaten sowie der Einreiseverweigerungsdaten von Drittstaatsangehörigen an den Aussengrenzen der Mitgliedstaaten und zur Festlegung der Bedingungen für den Zugang zum EES zu Gefahrenabwehr- und Strafverfolgungszwecken und zur Änderung des Übereinkommens zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen sowie der Verordnungen (EG) Nr. 767/2008 und (EU) Nr. 1077/2011, ABl. L 327 vom 9.12.2017, S. 20 und die Verordnung EU) 2017/2225 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. November 2017 zur Änderung der Verordnung (EU) 2016/399 in Bezug auf die Nutzung des Einreise-/Ausreisesystems, ABl. L 327 vom 9.12.2017, S. 1.
 
Stichwörter
Abän­de­rung Aus­län­der­ge­setz (AuG)
Ein­reise-/Aus­rei­se­system (EES)
elek­tro­ni­sche Erfas­sung von Ein- und Ausreisen
Schengen-Raum
Ver­ord­nung (EU) 2017/2226
Wei­ter­ent­wick­lung Schengen-Besitzstand