Berichte und Anträge
Regierungskanzlei (RK)
BuA - Nummer
2002 / 82
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Ein­lei­tung
I.Bericht der Regierung
1.Aus­gangs­lage
2.Schwer­punkte des Vertrages
3.Erläu­te­rungen zum Vertrag
4.Erläu­te­rungen zum Notenaustausch
5.Ver­fas­sungs­mäs­sig­keit
6.Per­so­nelle und finan­zi­elle Auswirkungen
II.Antrag der Regierung
 
Grüner Teil
 
Bericht und Antrag der Regierung an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein
zum Vertrag vom 8. Juli 2002 zwischen dem Fürstentum Liechtenstein und den Vereinigten Staaten von Amerika betreffend die Internationale Rechtshilfe in Strafsachen und zum diplomatischen Notenaustausch vom 8. Juli 2002 betreffend die Auslegung und Anwendung des Vertrages
 
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Die Rechtshilfe in Strafsachen zwischen Liechtenstein und den Vereinigten Staaten von Amerika beruhte bisher auf blosser Gegenseitigkeit unter Beachtung der anerkannten Grundsätze des Völkerrechts. Am 8. Juli 2002 ist zwischen den beiden Staaten ein Rechtshilfevertrag unterzeichnet worden, der neben den klassischen Bereichen der Rechtshilfe auch den Bereich der Rechtshilfe in Steuerstrafsachen mit erfasst.
In den Vereinigten Staaten sind derzeit Rechtshilfeverträge mit 47 Staaten und Jurisdiktionen in Kraft. Mit weiteren Staaten sind Verträge unterzeichnet, die im Herbst 2002 dem Senat zur Genehmigung vorgelegt werden sollen. Die Vereinigten Staaten verfolgen das erklärte Ziel, mit allen wichtigen Jurisdiktionen, insbesondere den bedeutenden Finanz- und Wirtschaftszentren, Rechtshilfeverträge abzuschliessen. Diese Zielsetzung hat durch die in die Verhandlungsperiode fallenden Ereignisse vom 11. September 2001 in den USA besondere Bedeutung erlangt und wird politisch mit grossem Nachdruck unterstützt.
Der Rechtshilfevertrag regelt ausschliesslich die Rechtshilfe im engeren Sinn. Für Auslieferungsfragen besteht ein eigener bilateraler Vertrag von 1936 zwischen Liechtenstein und den Vereinigten Staaten.
Der Rechtshilfevertrag hat die möglichst effiziente Zusammenarbeit der Justizbehörden beider Vertragsstaaten bei der grenzüberschreitenden Kriminalität zum Ziel und sieht die Leistung umfassender Rechtshilfe zwischen den Vertragsstaaten vor. Dabei nimmt er auf die Besonderheiten der beiden sehr unterschiedlichen Rechtssysteme Bedacht. Auch in den übrigen Teilen orientiert sich der Vertrag an den Grundsätzen des Europäischen Rechtshilfeübereinkommens, bei welchem Liechtenstein, nicht aber die USA, Vertragspartei ist.
Sowohl der Vertrag wie der dazu gehörige diplomatische Notenaustausch zur Auslegung des Vertrages bedürfen der Zustimmung des Landtags.
Zuständige Ressorts
Ressort Finanzen, Ressort Justiz, Ressort Äusseres (Gesamtkoordination)
Betroffene Amtsstellen
Landgericht, Staatsanwaltschaft, Amt für Auswärtige Angelegenheiten, Steuerverwaltung
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Vaduz, den 24. September 2002
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Sehr geehrter Herr Landtagspräsident,
Sehr geehrte Frauen und Herren Abgeordnete
Die Regierung gestattet sich, dem Hohen Landtag nachstehenden Bericht und Antrag zum Vertrag vom 8. Juli 2002 zwischen dem Fürstentum Liechtenstein und den Vereinigten Staaten von Amerika betreffend die internationale Rechtshilfe in Strafsachen und betreffend den diplomatischen Notenaustausch vom 8. Juli 2002 zur Auslegung und Anwendung des Vertrages zu unterbreiten.
1.1Allgemeines
Die Rechtshilfe in Strafsachen zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und dem Fürstentum Liechtenstein beruhte bisher auf blosser Gegenseitigkeit unter Beachtung der anerkannten Grundsätze des Völkerrechts. In der Praxis leisteten die Vereinigten Staaten und Liechtenstein jeweils auf Basis ihres innerstaatlichen Rechtes freiwillig Rechtshilfe. Dabei waren von liechtensteinischer Seite komplizierte Verfahrensvorschriften nach amerikanischem Recht zu beachten. Auch mussten teilweise die Kosten der Rechtshilfe ersetzt werden. Die Totalrevision des liechtensteinischen Rechtshilfegesetzes und die Massnahmen im Vollzug haben zu einer Zunahme des bilateralen Rechtshilfeverkehrs geführt 1.
Auch auf amerikanischer Seite führte das Fehlen eines Rechtshilfevertrages zu
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umständlichen, das Verfahren verzögernden Prozeduren, zumal nach amerikanischem Recht in der Regel der aufwändige und langwierige Weg eines sogenannten "Letter Rogatory" beschritten werden musste. Die Vereinigten Staaten sind nicht Vertragsstaat des Europäischen Übereinkommens vom 20. April 1959 über die Rechtshilfe in Strafsachen, LGBl. 1970 Nr. 30 (ERHÜ).
In den Vereinigten Staaten sind derzeit Rechtshilfeverträge mit 47 Staaten und Jurisdiktionen in Kraft2. Vier Verträge wurden von den Vereinigten Staaten ratifiziert. Diese vier Verträge sind aber noch nicht in Kraft, weil die Ratifikation durch den jeweiligen Vertragspartner (Kolumbien, Nigeria, Venezuela bzw. Zypern) noch aussteht. Ausserdem sind neben dem Vertrag mit Liechtenstein die Verträge mit Belize, Irland, Indien und Schweden unterzeichnet, aber noch nicht ratifiziert.
Die Vereinigten Staaten verfolgen das erklärte Ziel, mit allen wichtigen Jurisdiktionen, insbesondere den bedeutenden Finanz- und Wirtschaftszentren, Rechtshilfeverträge abzuschliessen. Diese Zielsetzung hat durch die in die Verhandlungsperiode fallenden Ereignisse vom 11. September 2001 in den USA besondere Bedeutung erlangt und wird politisch mit grossem Nachdruck unterstützt.
Der USA PATRIOT Act3 vom Herbst 2001 ermächtigt in Abschnitt 311 (SEC. 311) den Finanzminister, gegen nicht kooperative Jurisdiktionen weit reichende
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Sanktionen zu verordnen4, 5. Die Beurteilung der Kooperationswilligkeit wird unter anderem daran gemessen, ob ein Rechtshilfevertrag besteht.
Bei der Rechtshilfe in Strafsachen unterscheidet man traditioneller Weise vier grosse Bereiche6:
die (aktive und passive) Auslieferung
die Übernahme/Übertragung der Strafvollstreckung und Überwachung
die Übernahme/Übertragung der Strafverfolgung
die "sonstige" Rechtshilfe (Rechtshilfe im engeren Sinn).
Der vorliegende Rechtshilfevertrag regelt ausschliesslich die sonstige Rechtshilfe (die Rechtshilfe im engeren Sinn). Für Auslieferungsfragen besteht ein eigener bilateraler Vertrag zwischen Liechtenstein und den Vereinigten Staaten (Vertrag vom 22. Mai 1936, LGBl. 1937 Nr. 11).
Anwendbarkeit des liechtensteinischen Rechtshilfegesetzes
Soweit der Vertrag nichts anderes vorsieht, sind in Liechtenstein die Vorschriften des Rechtshilfegesetzes (RHG) anzuwenden (siehe Art. 1 RHG).
Zustimmungsverfahren
Sowohl der Vertrag wie der diplomatische Notenaustausch bedürfen des innerstaatlichen Genehmigungsverfahrens. In Liechtenstein bedürfen beide
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Instrumente der Zustimmung des Landtags, welche die Regierung mit dem vorliegenden Bericht und Antrag beantragt.



 
1In den Jahren 1994 - 2000 sind im Durchschnitt 4,5 Rechtshilfeersuchen aus den USA eingelangt. 2001 waren es 8, im ersten Halbjahr 2002 bereits 5. Höher ist die Zahl liechtensteinischer Ersuchen an die USA: Im Jahr 2000 waren es 29 (davon allerdings 26 in einem grossen Verfahren), im Jahr 2001 waren es 5 und im ersten Halbjahr 2002 bereits 16 Fälle.
 
2Diese 47 Staaten und Jurisdiktionen sind: Anguila, Antigua/Barbuda, Argentinien, Australien, Bahamas, Barbados, Belgien, Brasilien, Britische Jungferninseln, Kanada, Cayman Inseln, Tschechische Republik, Dominika, Ägypten, Estland, Griechenland, Grenada, Hongkong, Ungarn, Israel, Italien, Jamaika, Süd-Korea, Lettland, Litauen, Luxemburg, Mexiko, Montserrat, Marokko, Niederlande, Österreich, Panama, Philippinen, Polen, Rumänien, Spanien, die Schweiz, St. Kitts & Nevis, St. Lucia, St. Vincent, Thailand, Trinidad, Türkei, Turks and Caicos Inseln, Ukraine, Uruguay, Vereinigtes Königreich, (http://travel.state.gov/mlat.html).
 
3"Uniting and Strengthening America by Providing Appropriate Tools Required to Intercept and Obstruct Terrorism Act of 2001 (USA PATRIOT Act), Pub.Law 107-56 (Oct. 26, 2001).
 
4Faktoren zur Identifizierung von Jurisdiktionen, gegen die Massnahmen erlassen werden können, sind u.a.: a) Missbrauch des Finanzplatzes der Jurisdiktion durch organisierte Kriminalität; b) Reichweite des Bankgeheimnisses und bevorzugte Behandlung von Nichtansässigen; c) Qualität der Bankenaufsicht und Geldwäschegesetzgebung; d) Verhältnis des Volumens von Finanztransaktionen zur Grösse der Wirtschaft; e) Listing durch internationale Organisation oder multilaterale Expertengruppe (z. Bsp. FATF, PC-R-EV, IWF); f) Bestehen/Nichtbestehen eine Rechthilfevertrages; g) Grad der Korruption.
 
5Diese Sanktionen können bis zu einem Verbot an US-Finanzinstitute gehen, Transfer- oder Korrespondenzkonten für Banken der betroffenen Jurisdiktion oder mit einem sonstigen Bezug zur betroffenen Jurisdiktion zu eröffnen oder weiterzuführen.
 
6Schwaighofer/Ebensperger, Internationale Rechtshilfe (2001).
 
LR-Systematik
0..3
0..35
0..35.1
0..3
0..35
0..35.1
LGBl-Nummern
2003 / 150
2003 / 149
Landtagssitzungen
13. März 2003
Stichwörter
Ame­rika, Rechts­hil­fe­ver­trag USA-FL
Inter­na­tio­nale Rechts­hilfe in Strafsa­chen, Ver­trag mit USA
Rechts­hil­fe­ver­trag USA-FL
Straf­rechts­hilfe, Ver­trag mit USA
USA-FL, Rechtshilfevertrag
Verei­nigte Staaten von Ame­rika, Rechts­hil­fe­ver­trag USA-FL