Berichte und Anträge
Regierungskanzlei (RK)
BuA - Nummer
2021 / 95
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Ein­lei­tung
I.Bericht der Regierung
1.Aus­gangs­lage
2.Begrün­dung der Vorlage
3.Ent­wick­lung und Ziel­pfad der Energiestrategie 2030
4.Erläu­te­rungen zur Umset­zung der Massnahmen
5.Aktua­li­sierte Massnahmenliste
6.Schluss­fol­ge­rung und Ausblick
II.Antrag der Regierung
 
Bericht und Antrag der Regierung an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein
betreffend den 1. Monitoringbericht zur Energiestrategie 2030
(Datenstand Ende 2020)
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An der Landtagssitzung vom 6. November 2020 wurde die Energiestrategie 2030 mit der Massnahmenliste für verbindlich erklärt und die Regierung mit der Umsetzung beauftragt. Einzelne Aufträge an die Regierung wurden konkretisiert und angepasst.
Der vorliegende Monitoringbericht bildet den Startpunkt des Umsetzungsmonitorings der Energiestrategie 2030 (2021-2030) ab und führt verschiedene Indikatoren ein, anhand derer die Umsetzung zukünftig jährlich gemessen werden kann. Der Bericht zeigt auf, welche Entwicklungen im Sinne der Zielsetzungen der Energiestrategie 2030 bereits angestossen sind und wo Handlungsbedarf besteht.
Bei der Analyse der aktuellen Daten ist zu berücksichtigen, dass mit dem Datenstand 2020 (Treibhausgase 2019) erst das Basisjahr für die 10-jährige Periode der Energiestrategie 2030 abgebildet wird.
Eine direkte Korrelation zwischen Wachstum (Bevölkerung, Wirtschaftsleistung und Arbeitsplätzen) und Energiebedarf ist schon seit Längerem nicht mehr zu erkennen. Der Energiebedarf pro Einwohner und Einwohnerin sowie der Energiebedarf pro erwirtschafteten Franken haben über die letzten 20 Jahre deutlich abgenommen. Die Entkopplung stagniert allerdings seit einigen Jahren, und auch der Gesamtenergiebedarf des Landes und der Bedarf fossiler Energieträger pro Heizgradtag sinken seit einigen Jahren nicht mehr klar. Am deutlichsten ist die erwünschte Tendenz in den letzten Jahren bei der Treibhausgasintensität in Relation zur Wirtschaftsleistung erkennbar.
Ziel 1: 20% Reduktion des Energiebedarfs Der Endenergiebedarf im Jahr 2020 gemäss Energiestatistik liegt 11% unter dem Basiswert von 2008 und damit auf dem linearen Absenkpfad der Energiestrategie 2030. Durch den weiterhin zunehmenden Einsatz von Wärmepumpen anstelle von Feuerungen sowie von batterieelektrischen Fahrzeugen anstelle von Verbrennern können weitere Wirkungsgradsteigerungen erwartet werden. Insgesamt erscheint die Zielerreichung von -20% bis im Jahr 2030 mit weiteren Anstrengungen realistisch.
Ziel 2: 30% erneuerbare Energie bis 2030 Der Anteil erneuerbarer Energien gemäss Energiestatistik liegt im Jahr 2020 bei 24% und damit leicht über dem Zielpfad
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gemäss Energiestrategie 2030. Die Fernwärme ab KVA Buchs spielt beim Wachstum zusammen mit Strom aus Photovoltaik eine zentrale Rolle. Obschon sich die Entwicklung auf Zielkurs befindet, sind weitere Anstrengungen nötig, um die ambitionierten Zubauraten zu erreichen. Dazu müssen primär PV-Anlagen, Fernwärme ab KVA und erneuerbare Wärmenetze (Wärmepumpen, Holz) noch stärker ausgebaut werden. Die Zielerreichung von 30% bis im Jahr 2030 erscheint weiterhin realistisch, unter der Voraussetzung, dass der Endenergiebedarf gemäss Projektion weiter gesenkt werden kann1.
Ziel 3: 40% Reduktion der Treibhausgasemissionen bis 2030 Die Treibhausgasemissionen gemäss Treibhausgasinventar von 2019 verfehlen knapp den linearen Absenkpfad für die Zielerreichung im Inland. Der Zielwert für 2019 liegt bei 196.4 kt (-14% gegenüber NDC 1990), der erreichte Wert gemäss Inventar bei 198.9 kt (-13% gegenüber NDC 1990). Im Jahr 2019 standen den um über 4% erhöhten Emissionen im Energiebereich deutlich reduzierte Emissionen bei Landnutzung, Forst und Boden gegenüber, welche die Zielverfehlung teilweise abwächten2.
Im Bereich "Gebäude" zeigte sich im Jahr 2020 eine Zunahme der über das Energieeffizienzgesetz (EEG) geförderten energetischen Sanierungen, jedoch eine Abnahme der energetisch besonders hochwertigen Neubauten und Sanierungen mit Minergie-A- oder Minergie-P-Standard. Die energetische Sanierungsrate soll mit dem künftigen Energiekataster detailliert ausgewiesen werden. Der in der Energiestrategie 2030 propagierte "Pull"-Effekt zur Erreichung eines höheren Anteils energetisch besonders hochwertiger Neubauten und Sanierungen ist damit aktuell eher noch bescheiden und muss verstärkt werden. Um in diesem Bereich Wirkung zu erzielen, ist die Umsetzung der Richtlinie zur Einführung der Mustervorschriften der Kantone im Energiebereich (MuKEn 2014) sowie der aktuellen EU-Gebäuderichtlinie erforderlich. Die Umsetzung ist bis Ende 2022 geplant.
Bei den erneuerbaren Heizsystemen (ohne Wärmenetze) war 2020 eine leichte Zunahme von (geförderten) Wärmepumpen und Holzheizungen zu beobachten. Die
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Anteile und Sanierungsraten im Bestand der Heizsysteme sollen künftig ebenfalls über den Energiekataster besser verständlich werden. In der Energiestatistik hat sich allerdings der Anteil fossiler Energieträger in den letzten Jahren kaum geändert - er liegt seit 2016 fast unverändert bei rund 31%.
Der Energiebedarf der Industrie, dargestellt in Form der zehn Grossverbraucher mit Zielvereinbarung bei der Energieagentur der Wirtschaft (EnAW), macht rund 26% des Landesenergiebedarfs aus und hat in den letzten Jahren weder absolut noch bezüglich des fossilen Anteils deutliche Verbesserungen erfahren. Hier ist in Zukunft und im Hinblick auf alle drei Teilziele der Energiestrategie eine verstärkte Umsetzung nötig.
Im Bereich "Verkehr" ist die exponentielle Wachstumsphase der elektrischen Antriebe anhand der Neuzulassungen klar zu erkennen (31.7% elektrisch und hybrid-elektrisch im Jahr 2020). Im Fahrzeugbestand resp. in Bezug auf die Fahrleistungen machen diese Antriebe aber erst rund 4.3% aus. Dennoch ist der Treibstoffbedarf seit Jahren am Sinken, was aber auch teilweise durch Preiseffekte, Tanktourismus und die Pandemie begründet sein kann. Entgegen dieser positiven Tendenz steht das laufend zunehmende Leergewicht der Neufahrzeuge, was bei konventionellen Antrieben direkten Mehrverbrauch zur Folge hat. Im öffentlichen Busverkehr sind die Auslastungen durch die Pandemie massiv eingebrochen, wodurch sich die Effizienz pro Personenkilometer verschlechtert hat. Im Jahr 2022 werden erste elektrische Busmodelle beschafft. Das S-Bahn-Projekt "FLACH" ist an der Urne gescheitert.
Im Bereich "Erzeugung und Beschaffung" zeigt sich ein über die Jahre im Wesentlichen konstanter Anteil der erneuerbaren Energieträger der Kategorie 1 (einheimisch: Holz, Biogas, Solarthermie, Photovoltaik, Wasserkraft ohne Pumpspeicherung) und der Kategorie 2 (importiert: Fernwärme ab KVA, inkl. Dampf). Die Steigerungen der Nutzung von Abwärme ab KVA Buchs (Ziel +1 GWh/Jahr, effektiv +8.6 GWh/Jahr im Jahr 2020) und Holz im Rahmen der Wärmeverbünde der Liechtensteinischen Gasversorgung (LGV) sind wichtige Beiträge zu einer weiteren Reduktion fossiler Energieträger im Wärmemix. Mittelfristig müssen aber weitere Heizöl- und Erdgaskunden zu einem Umstieg auf erneuerbare Energieträger oder Fernwärme ab KVA bewegt werden können, um die Ziele der Energiestrategie zu -
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erreichen. Diesbezüglich sind laufend Ausbauprojekte der Fernwärmeversorgung in verschiedenen Gemeinden in Evaluation.
Bei der Photovoltaik konnte 2020 ein höherer Zubau als in den Vorjahren realisiert werden. Dennoch war die gebaute Leistung noch deutlich vom zukünftigen, verdoppelten Ziel entfernt (Ziel +5 MWp/Jahr, effektiv +3.96 MWp). Dies zeigt, dass zur Erreichung dieses zentralen Ziels noch weitere Anstrengungen nötig sind - der vorgesehene Zubau von +5 MWp/Jahr dürfte sich unter den bestehenden Rahmenbedingungen nicht "von alleine" einstellen.
Die Bilanz der drei Hauptziele, welche gleichzeitig den Schlusspunkt der Energiestrategie 2020 und den Startpunkt für die neue Energiestrategie 2030 bilden, zeigt ein relativ positives Bild. Dennoch gibt es keinen Anlass, sich zurückzulehnen: Die Zielpfade 1 (Effizienz) und 2 (Erneuerbare) werden nur knapp erfüllt und der Absenkpfad für das Ziel 3 (Treibhausgase), welches am schwierigsten zu erreichen ist, wird mit den Zahlen von 2019 knapp verfehlt. Zudem dürfte die Corona-Pandemie den Energieverbrauch eher dämpfend beeinflusst haben, sodass in den kommenden Jahren eine Kompensation dieser dämpfenden Effekte zu erwarten ist. Neben der Durchsetzung der Elektromobilität sind kaum weitere relevante Selbstläufer-Trends zu erkennen, welche automatisch zu einer Zielerreichung führen. Zusammenfassend ist es unbedingt nötig, in allen zentralen Indikatorbereichen die vorgesehenen Massnahmen rasch anzupacken, um die Potenziale zu realisieren. Nur so ist die Einhaltung der Zielpfade möglich.
Zuständiges Ministerium
Ministerium für Inneres, Wirtschaft und Umwelt
Betroffene Stellen
Amt für Volkswirtschaft
Amt für Bau und Infrastruktur
Amt für Umwelt
Gemeinden Liechtensteins
Liechtensteinische Kraftwerke
Liechtensteinische Gasversorgung
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Vaduz, 2. November 2021
LNR 2021-1564
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Sehr geehrter Herr Landtagspräsident,
Sehr geehrte Frauen und Herren Abgeordnete
Die Regierung gestattet sich, dem Hohen Landtag nachstehenden Bericht und Antrag betreffend des 1. Monitoringberichtes zur Energiestrategie 2030 mit Datenstand Ende 2020 zu unterbreiten.



 
1Der Anteil erneuerbarer Energien bezieht sich auf den jeweiligen Endenergiebedarf, d.h. die 30 % beziehen sich auf den erwarteten Bedarf von 1.075 GWh im Jahr 2030.
 
2Im Jahr 2018 waren ausserordentlich hohe Emissionen bei Bodennutzung, Bodennutzungsveränderung und Forstwirtschaft (BBF) zu beobachten, welche durch viel Sturm- und "Käferholz" bedingt waren.
 
1.Ausgangslage
Anlässlich der Landtagssitzung vom 6. November 2020 wurde die Energiestrategie 2030 mit der Massnahmenliste für verbindlich erklärt. Gleichzeitig wurden dazu Aufträge an die Regierung konkretisiert und angepasst. Die Regierung wurde mit der Umsetzung der Energiestrategie 2030 wie folgt beauftragt, wobei die fett gedruckten Textpassagen vom Landtag in der Sitzung ergänzend zum Bericht und Antrag Nr. 118/2020 beschlossen wurden:
Zur Anpassung der Gebäudevorschriften und der Förderbedingungen wird:
a) die Regierung beauftragt, die Gebäudevorschriften auf die Mindeststandards der MuKEn 2014 im Gebäudebereich anzupassen, um einerseits ein
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Regelungsgefälle zur Schweiz zu vermeiden und andererseits den Einbau von fossil betriebenen Feuerungen bei Neu- und Umbauten zu erschweren.
b) die Regierung beauftragt, für die Massnahme 4.1 "Stromgewinnung aus Photovoltaikanlagen" die Rahmenbedingungen per Gesetzes- oder Verordnungsänderung so weiterzuentwickeln und zu optimieren, damit mindestens das Ausbauziel von 5 MWp/Jahr erreicht wird. Dabei sollen auch die Bedingungen für den Weiterbetrieb und die Erneuerung von bereits gebauten Anlagen analysiert und gegebenenfalls soweit verbessert werden, dass die Stromproduktion aus gebauten Anlagen möglichst hoch bleibt.
c) die Regierung beauftragt, die Massnahme 2.8 "Elektrofahrzeuge" in Kombination mit 3.5 "Smart Energy" prioritär weiter zu verfolgen, damit die vorhersehbaren grossen Produktionsspitzen der Photovoltaik lokal und möglichst im Inland geglättet werden können.
d) die Regierung beauftragt, dem Landtag im Dezember 2020 eine Gesetzesvorlage vorzulegen, mit welcher die geltenden Photovoltaik-Einspeisevergütungen um ein Jahr verlängert wird.
e) die Regierung beauftragt zu prüfen, ob Energiespeicher gefördert werden sollen.
Um die Vorbildwirkung des Landes zu stärken wird:
a) die Regierung beauftragt, zu prüfen, wo das Land mit seinen Gebäuden als Schlüsselkunde Fernwärmeprojekte anstossen kann, welche erneuerbare Energie oder Abwärme nutzen und Liegenschaften, welche sich in Landesbesitz befinden oder vom Land gemietet werden, an Fernwärmeprojekte anzuschliessen, welche erneuerbare Energie oder Abwärme nutzen.
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b) die Regierung beauftragt, den Energiebezug der Verwaltung und der staatsnahen Betriebe, auf welche die Regierung Einfluss hat, auf 100% erneuerbare Energie umzustellen und mit laufendem Monitoring aufzuzeigen, wie der Energieverbrauch pro Mitarbeiter oder ähnlichen Kennzahlen reduziert wird. Soweit möglich und sinnvoll soll die Energieversorgung mit Anlagen in, an und auf den eigenen Gebäuden bereitgestellt werden. Mehrbedarf soll durch erneuerbare Energieprodukte gedeckt werden.
Um die Sensibilisierung im Energiebereich zu forcieren wird:
a) Die Regierung beauftragt, die Kommunikation und Information über die Notwendigkeit und Art des anstehenden Wandels im Energiebereich zu forcieren.
b) die Regierung beauftragt, dem Landtag jährlich mit einem Monitoringbericht den Stand der Umsetzung der Energiestrategie 2030 zur Kenntnis zu bringen. Zeigt dieser Bericht, dass mit den enthaltenen Massnahmen die Ziele der Energiestrategie 2030 nicht erreichbar werden, dann wird die Regierung aufzeigen, wie die Ziele mit zusätzlichen oder angepassten Massnahmen dennoch erreicht werden können.
Stichwörter
Ener­gie­stra­tegie 2030
Ziel 1: 20% Reduk­tion des Energiebedarfs
Ziel 2: 30% erneu­er­bare Energie bis 2030
Ziel 3: 40% Reduk­tion der Treib­h­aus­ga­se­mis­sionen bis 2030