Berichte und Anträge
Regierungskanzlei (RK)
BuA - Nummer
1983 / 5
Zurück Druckansicht Dokument als PDF Navigation anzeigen
Ein­lei­tung
1.Zur Frage des beim Staats­ge­richtshof ein­ge­holten Gutachtens
2.Zu ein­zelnen Bes­tim­mungen der Regierungsvorlage
a) Zu Artikel 6
b) Zu Ziffer II/4.
c) Zu Artikel 12
d) Zu Artikel 20
e) Zu Artikel 22 Absatz 2
3.Kom­men­tie­rung der Änderungsvorschläge
a) Zu Ziffer II
b) Zu Artikel 12
c) Zu Artikel 19 Absatz 1
d) Zu Artikel 20 a
4.Ände­rungs­vor­schläge zur Regierungsvorlage
5.Mel­dung von Betäubungsmittelmissbräuchen
 
Stellungnahme
zu den in der Landtagssitzung vom 15. Dezember 1982 aufgeworfenen Fragen zum Betäubungsmittelgesetz
 
1
Vaduz, 6. April 1983
P
 
1.Zur Frage des beim Staatsgerichtshof eingeholten Gutachtens
Es wurde in der Landtagssitzung vom 15. Dezember 1982 die Frage gestellt, ob es nicht richtiger gewesen wäre, mit einer Gesetzesvorlage zuzuwarten, bis der Staatsgerichtshof seine Rechtsmeinung geäussert habe. Dabei wurde auf den Bericht der Regierung hingewiesen, der auf Seite 4 ff besagte, dass im Zusammenhang mit dem Strafurteil des fürstlichen Landgerichts sich verschiedene grundlegende Fragen staatsrechtlicher Natur ergeben, die das Verhältnis der verschiedenen Staatsorgane (Legislative, Exekutive und Judikative) untereinander betreffen sowie die Geltung und Verbindlichkeit des aufgrund von Verträgen in Liechtenstein geltenden schweizerischen Rechts berührten. Die Abklärung dieser Rechtsfragen durch den Staatsgerichtshof hatte keinen unmittelbaren Bezug zur Regierungsvorlage. Das Strafurteil des fürstlichen Landgerichts war lediglich Anlass, sich Klarheit über grundlegende Rechtsfragen zu verschaffen, da das System der Geltung und Verbindlichkeit des aufgrund von Verträgen mit der Schweiz in Liechtenstein geltenden Rechts angesprochen ist. Die Regierung erachtete es als angezeigt, dem Landtag darüber zu berichten. Es hätte der Fall eintreten können, dass man unter Umständen verschiedene Verträge, die Liechtenstein mit der Schweiz eingegangen ist, hätte korrigieren müssen, damit Zweifel über die Geltung und Verbindlichkeit des abgemachten Rechts nicht mehr hätten auftreten können. Der Hinweis auf die offenen Rechtsfragen im Bericht der Regierung diente denn auch der Information des Landtages. Im übrigen hatte der Staatsgerichtshof mit dem Ausgang des erwähnten Strafverfahrens nichts zu tun, da er von der Regierung lediglich um ein Gutachten angegangen worden ist. Nach der Entscheidung des Kantonsgerichts St. Gallen wäre nur der Staatsanwaltschaft bzw.
2
dem Schweizerischen Bundesanwalt die Beschwerde an das Bundesgericht offen gestanden. Davon wollte man jedoch im beiderseitigen Einvernehmen und in Rücksprache mit der Regierung keinen Gebrauch machen, nachdem man sich zwischenstaatlich abgesprochen hatte, dass Liechtenstein diese Rechtsmaterie, soweit es der Zollvertrag zulässt, eigenständig regeln könne.
Der Staatsgerichtshof hat in der Zwischenzeit das Gutachten erstattet (StGH 1982/36). Er nimmt u.a. Stellung wie folgt:
Zur Rechtsgültigkeit eines aufgrund des Zollvertrages übernommenen schweizerischen Gesetzes: Zur Rechtsgültigkeit eines Gesetzes, und zwar auch eines aufgrund des Zollvertrages übernommenen schweizerischen Gesetzes, gehöre die integrale Kundmachung im Landesgesetzblatt. Der blosse Verweis auf die schweizerische amtliche Gesetzessammlung genüge nicht. Dies bedeute die Verfassungswidrigkeit des Artikels 4 Absatz 2 des Einführungsgesetzes zum Zollvertrag. Aber auch die Bestimmung des Artikels 2 Absatz 2 des Einführungsgesetzes sei im Hinblick auf Artikel 67 der Verfassung nicht haltbar. Die zum Inkrafttreten eines Gesetzes erforderliche Kundmachung in der Schweiz könne sich nur auf die Schweiz beziehen, da ihre amtliche Gesetzessammlung auch aufgrund des Zollvertrages in Liechtenstein keine Geltung habe. Gerade deswegen sei in diesem eine gesonderte Bekanntmachung in Liechtenstein vorgeschrieben worden.
Zur Vorabentscheidung der Gerichte: Die Vorabentscheidung der Gerichte, das im anhängigen Verfahren anzuwendende Gesetz gehöre wegen Kundmachungsmangel nicht dem Rechtsbestand an, verstosse gegen die verfassungs- und gesetzmässigen Zuständigkeiten der
3
Normenkontrolle. Die Prüfung der Verfassungsmässigkeit von Gesetzen sei nach Artikel 104 der Verfassung der ausschliesslichen Zuständigkeit des Staatsgerichtshofes übertragen. Hiezu zähle auch die Prüfung verfassungsmässiger Kundmachung im Sinne von Artikel 65 der Verfassung, insbesonders bezüglich jener schweizerischen Erlasse, die aufgrund oder im Gefolge des Zollvertrages in Liechtenstein Gesetzeskraft haben. Aus den nach Gesetzes- und Verordnungsanwendung unterschiedenen Befugnissen der Gerichte (Artikel 28 StGH-Gesetz), Normenkontrolle zu beantragen, erweise sich, dass diesen kein Gesetzesprüfungsrecht, auch nicht im Hinblick auf Kundmachungsmängel, zukomme. Schliesslich verstosse es gegen das Prinzip der Einheit der Rechtsordnung, wenn über ein Gesetz oder eine einzelne Bestimmung vom Gericht aus einem Anlassfall beim Staatsgerichtshof Prüfantrag im Sinne von Artikel 28 Absatz 2 StGH-Gesetz gestellt und unbeschadet dieses Verfahrens in einer gleichartigen Sache Nichtgeltung des zur Prüfung beantragten Gesetzes als Vorabentscheidung angenommen werde.
Abschliessend spricht der Staatsgerichtshof die Empfehlung zu einer klaren, rechtssicheren verfassungsmässigen Bereinigung aus, wie er dies schon in StGH 1981/18 getan habe. Er ist der Auffassung, dass eine (vorübergehende oder dauernde) Sanierung wohl nur durch Ergänzung des Artikels 65 der Verfassung erfolgen könne. Diese hätte die Regierung zu ermächtigen, Rechtsvorschriften, die aufgrund zwischenstaatlicher oder internationaler Verträge mit dem Ausland als in Liechtenstein geltendes Recht übernommen werden, in vereinfachter Weise im Landesgesetzblatt kundzumachen und den Zeitpunkt ihres Inkrafttretens festzusetzen.
Die rechtliche Abklärung der Fragen, die sich im Zusammenhang mit der Publikation der Rechtsvorschriften, die aufgrund von zwischenstaatlichen oder internationalen Verträgen mit dem Ausland als in Liechtenstein geltendes Recht übernommen werden, ergeben, ist im Gange.