Bericht und Antrag der Regierung an den Landtag des Fuerstentums Liechtenstein
betreffend die Schaffung eines Verfassungsgesetzes ueber die Ergaenzung und Abaenderung der Verfassung vom 5. Oktober 1921 (Einrichtung einer Stellvertretung)
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Vaduz, 5. Juni 1984
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Sehr geehrter Herr Landtagspräsident,
sehr geehrte Herren Abgeordnete,
Die Regierung gestattet sich, dem Hohen Landtag nachstehenden Bericht und Antrag betreffend die Schaffung eines Verfassungsgesetzes über die Ergänzung und Abänderung der Verfassung vom 5. Oktober 1921 (Einrichtung einer Stellvertretung) zu unterbreiten.
Die vorgeschlagene Fassung von Artikel 13 bis der Verfassung sieht verschiedene Voraussetzungen vor, die an die Errichtung der Steilvertretung durch S.D. des Landesfürsten gebunden sind. Vorerst ist auf die Bestimmung hinzuweisen, dass nur der nächsterbfolgeberechtigte volljährige Prinz, in der Regel der Thronfolger, mit dieser Stellvertretung betraut werden kann. Weiter sind die Gründe aufgeführt, aus welchen die Einrichtung der Stellvertretung möglich ist. Einmal wegen vorübergehender Verhinderung oder zur Vorbereitung für die Regierungsnachfolge. Durch diese Voraussetzungen wird zugleich der Charakter in der Stellvertretung definiert und dieselbe in den Rahmen der in der Verfassung festgelegten Hoheitsrechte des Landesfürsten gestellt.
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Mit Handschreiben vom 28. Juni 1983 hat Seine Durchlaucht der Landesfürst der Regierung davon Kenntnis gegeben, dass er Seine Durchlaucht den Erbprinzen Hans Adam im Sinne von Artikel 13 Absatz 2 der Verfassung vom 5. Oktober 1921 im Frühjahr 1984 zu seinem Stellvertreter ernennen und ihn mit der Ausübung der ihm zustehenden Hoheitsrechte betrauen werde. Ausgenommen hievon würden alle im Zusammenhang mit dem Fürstlichen Hause stehenden Hoheitsrechte sein, deren Ausübung er sich vorbehalten würde. Der Landtag wurde in seiner nichtöffentlichen Sitzung vom 29. Juni 1983 durch die Regierung über diese Absicht S.D. des Landesfürsten in Kenntnis gesetzt. Am 1. Juli 1983 gab Seine Durchlaucht der Landesfürst diese Absicht öffentlich bekannt. Im Zuge der Abklärungen im Hinblick auf die Einrichtung der erwähnten Stellvertretung kam man zum Schluss/ dass Artikel 13 Absatz 2, welcher als Grundlage der Einrichtung der Stellvertretung vorgesehen war, genereller gefasst und in dieser Hinsicht abgeändert werden sollte.
Mit Schreiben vom 11. Januar 1984 beauftragte deshalb Seine Durchlaucht der Landesfürst die Fürstliche Regierung, für die Zukunft eine generelle Regelung der Stellvertretung in der Verfassung zu verankern, und zwar dahingehend, dass der Landesfürst den nächsterbfolgeberechtigten Grossjährigen mit seiner Stellvertretung betrauen kann.
In der Folge hat die Fürstliche Regierung eine entsprechende Verfassungsvorlage ausgearbeitet und übermittelt sie hiermit dem Hohen Landtag zur Behandlung und Beschlussfassung.
Die Vorlage geht davon aus, dass Artikel 13 Absatz 2 der heute geltenden Verfassung unter besonderen Umständen zustande ge-
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kommen ist. Es entsprach dem Wunsch der liechtensteinischen Bevölkerung, dass der damals nicht im Lande wohnhafte Landesfürst "jährlich auf eine gewisse Zeit und ausserdem fallweise" einen Prinzen seines Hauses ins Land entsenden und ihn als seinen Stellvertreter mit der Ausübung ihm zustehender Hoheitsrechte betrauen werde. Auch wenn eigentliche Unterlagen über diesen Passus der Verfassung fehlen, so ist doch aus der damaligen Situation eine solche Deutung naheliegend.
Durch die Wohnsitznahme des Landesfürsten im Lande selbst hat sich die Situation im Bezug auf eine Regelung der Stellvertretung zumindest teilweise geändert, so dass eine generellere Regelung zielführend erscheint.
Die Regierung schlägt vor, statt des heute bestehenden Absatz 2 des Artikels 13 einen neuen Artikel 13 bis in die Verfassung einzufügen. Dieser Vorschlag ist damit begründet, dass der heutige Absatz 1 und 2 von Artikel 13 miteinander nicht in einem direkten Zusammenhang stehen. Auf der anderen Seite erscheint der Regierung die Plazierung einer die Stellvertretung betreffenden Bestimmung im M. Hauptstück der Verfassung unter dem Titel "Vom Landesfürsten11 als richtig. Damit wird die Einrichtung der Stellvertretung als ein staatspolitisches Ereignis von grosser Tragweite definiert und gleichzeitig abgesetzt von der Regelung der erblichen Thronfolge, wie sie unter Hinweis auf die Hausgesetze in Artikel 3 geordnet ist.
Die Regierung schlägt dem Landtag in diesem Sinne einen neuen Artikel 13 bis vor. Die Einrichtung der Stellvertretung geht davon aus, dass eine Regentschaft nicht in Frage kommen kann, da der Landesfürst in der Lage wäre, die ihm zustehenden Hoheits-
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rechte wahrzunehmen. Wie es auch in der öffentlichen Erklärung Seiner Durchlaucht des Landesfürsten zum Ausdruck kam, soll die Stellvertretung dem Fürsten in höherem Alter, aus gesundheitlichen Rücksichten oder aus anderen Gründen ermöglichen, den nächsterbfolgeberechtigten volljährigen Prinzen mit seiner Stellvertretung zu betrauen. Dabei bleibt es in der vorgeschlagenen Formulierung offen, ob alle oder nur ein Teil der ihm zustehenden Hoheitsrechte an den Stellvertreter übertragen werden Der Fürst kann seine Vollmachten an den Stellvertreter jederzeit wieder zurückziehen. Die Stellvertretung kann damit auch zu einem Instrument der Kontinuität der monarchischen Staatsform werden.