Berichte und Anträge
Regierungskanzlei (RK)
BuA - Nummer
1984 / 75
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Ein­lei­tung
1.All­ge­meine Bemerkungen
2.Bemer­kungen zu den Ein­zelnen Artikeln
Artikel 1
Artikel 3
Artikel 4 Absatz 1 lit. a und Absatz 2
Artikel 4 Absatz 1 lit. c und Absatz 2
Artikel 5
Artikel 6
Artikel 7
Artikel 8
Artikel 8 Absatz 3 und 6
Artikel 9 Absatz 3
Artikel 14 Absatz 3 bis 5
Artikel 27
Blauer Teil
 
Bericht und Stellungnahme der Regierung an den Hohen Landtag zu den anlaesslich der 1. Lesung
in der Landtagssitzung vom 9. Mai 1984 geaeusserten Bemerkungen und Fragen zur Schaffung eines Gesetzes ueber die betriebliche Alters-, Invaliden- und Hinterlassenenvorsorge
 
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Vaduz, 26. Juni 1984
 
Sehr geehrter Landtagspräsident,
sehr geehrte Herren Abgeordnete,
die Regierung gestattet sich, dem Hohen Landtag nachstehende Stellungnahme zu den anlässlich der 1. Lesung in der Landtagssitzung vom 9. Mai 1984 geäusserten Bemerkungen und Fragen zur Schaffung eines Gesetzes über die betriebliche Alters-, Invaliden- und Hinterlassenvorsorge zu unterbreiten.
1.Allgemeine Bemerkungen
Für die Einführung des Gesetzesobligatoriums ist die gegebene Wirtschaftslage in Liechtenstein selbstverständlich von wesentlicher Bedeutung. Dennoch sollte nicht nur auf die momentane Situation abgestellt werden. Die Entwicklung steht nie still und es wird auch immer Problembranchen geben. Jedenfalls zeigt die vom Amt für Volkswirtschaft vierteljährlich durchgeführte Konjunkturumfrage in Liechtenstein ein von Quartal zu Quartal besseres Bild und zunehmend optimistischere Erwartungen. Auch unsere bedeutenderen Handelspartner berichten seit einiger Zeit und prognostizieren bis auf weiteres anhaltende Aufschwungstendenzen. Man darf die momentane Wirtschaftssituation deshalb durchaus als ausreichend gut und gefestigt für die Festlegung des Obligatoriums beurteilen. Wie sich die Wirtschaft längerfristig entwickeln wird, kann wohl niemand voraussagen .
Rechenbeispiele zu den Auswirkungen der obligatorischen Mindestbestimmungen sind im Bericht und Antrag Nr. 13/1984, der
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der 1. Lesung zugrunde lag, durchaus enthalten gewesen, und zwar sowohl für den einzelnen Arbeitnehmer und Arbeitgeber je nach Einkommenshöhe als auch hinsichtlich der gesamten zusätzlichen Kosten für die liechtensteinische Volkswirtschaft. Viel mehr kann seriöserweise nicht geliefert werden. Insbesondere wäre es nach statistischen Regeln nicht ganz sauber, wenn man das angesammelte Kapital mehrerer Jahre oder sogar Jahrzehnte in bezug setzt zum Bruttosozialprodukt oder Erwerbseinkommen eines einzigen Jahres. Zugegebenermassen beschränken sich die Rechenbeispiele im Bericht und Antrag Nr. 13/1984 auf die Beitragsseite. Der Gesetzesentwurf beruht aber auch auf dem Beitragsprimat. Seine liberale und flexible Ausgestaltung, welche den bestehenden Einrichtungen zum Vorteil gereicht, bringt es mit sich, dass auf der Leistungsseite einigermassen unterschiedliche Ergebnisse resultieren, je nachdem, ob eine Vorsorgeeinrichtung vergleichsweise günstiger oder weniger günstig wirtschaftet und je nachdem, welche über die gesetzlichen Mindestansätze hinausgehenden Bestimmungen im jeweiligen Reglement getroffen worden sind.
Die Tatsache, dass es sich bei einem Obligatorium für die 2. Säule um eine Art von Zwangssparen handelt, bringt erwartungsgemäss auf der anderen Seite eine gewisse Verminderung des freiwilligen Sparens mit sich und damit auch der privaten Selbstvorsorge, für die aufgrund der vorgeschriebenen Minimalsätze aber immer noch genügend Platz bleibt.
Die private Selbstvorsorge (3. Säule), welche sich in Liechtenstein in bedeutendem Ausmass durch Besitz an privatem Wohnungseigentum äussert, wird durch die gegebenen Mindestvorschriften wohl nicht übergebührlich eingeschränkt. Man kann es zwar als wirtschaftliche Härte bezeichnen, wenn das verfügbare Einkommen des Arbeitnehmers aufgrund der Versicherung eine gewisse Einschränkung erfährt. Der Wunsch nach Wohnungseigentum wird dadurch aber sicher nicht verunmöglicht.
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Im übrigen bedeutet auch die Situation, nicht versichert zu sein, eine Härte für den Arbeitnehmer, gerade für den jungen Eigenheimbesitzer, welcher sich nach allgemeiner Kenntnis der besonderen liechtensteinischen Situation erfahrungsgemäss erheblich verschuldet. Vor allem für den Hausbesitzer mit Familie entspricht die Versicherung vernünftiger Weitsicht.
Letzlich ist festzustellen, dass durch das vorliegende Gesetz die Darlehensvergabe durch die Vorsorgeeinrichtung für die Schaffung privaten Wohnungseigentums offen bleibt.
Die Frage, in welchem Ausmass das Gesetzesobligatorium für eine liechtensteinische betriebliche Vorsorge eine Wertabschöpfung bedeutet, ist durch den Versuch einer Schätzung der volkswirtschaftlichen Kosten dieser Lösung bereits im Bericht und Antrag Nr. 13/1984 beantwortet worden: Der Gesamtwert der Zusatzbelastung aufgrund des Obligatoriums für alle neu zu Versichernden, bezogen auf die gesamten Erwerbseinkommen aller in Liechtenstein beschäftigten und selbständigen Arbeitnehmer, dürfte etwa 0,6 % bis 0,9 % betragen, das sind ungefähr 4 bis 6 Millionen Franken im ersten Jahr der Einführung. Dieser Betrag wird weder abgeschöpft, noch vermindert er die Erträge der Unternehmen: was stattfindet ist eine Verlagerung vom privaten Sparen zur betrieblichen Vorsorge und damit institutionellen Anlage, womit sich die Summe der frei verfügbaren Mittel im entsprechendem Ausmass verringert.
Eine eingehende Ueberprüfung von Möglichkeiten der Geldanlage im Inland erscheint überflüssig. Erstens darf als bekannt vorausgesetzt werden, wo die liechtensteinischen Finanzierungsinstitute die ihnen zufliessenden Gelder plazieren. Zweitens bringt diesbezüglicher gesetzlicher Zwang sicher keine Vorteile,
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viel eher noch - wie Erfahrungen bei der 1. Säule zeigen -zusätzliche Probleme. Derzeit sind die liechtensteinischen Banken zur Finanzierung aller Arten von Krediten jedenfalls in keiner Weise auf gerade diese Gelder angewiesen. Pessimistische Zukunftsszenarien, die etwas anderes unterstellen, nützen hier wenig. Sollten sie irgend einmal dennoch Wirklichkeit werden, darf auf das freie Spiel des Marktes vertraut werden, der dann, weil er auf diese Gelder angewiesen wäre, sie auch übernehmen würde. Ansonsten müssten dann entsprechende Bestimmungen erlassen werden.
Kapitalanlagevorschriften sind dennoch vorgesehen und in einer noch zu erlassenden Verordnung zu regeln. Sie werden aber sicher nicht vorschreiben, wo die Gelder plaziert werden sollen, sondern für verschiedene Anlagemöglichkeiten des Vermögens Höchstlimiten vorgeben, um durch breite Streuung einerseits und Einschränkung von Anlageformen mit erhöhtem Risiko andererseits eine grösstmögliche Sicherheit des Vermögens der Vorsorgeeinrichtung zu gewährleisten. Auch in diesem Zusammenhang kann darauf hingewiesen werden, dass die Anlagevorschriften nicht als Instrument für sonstige Ziele der Wirtschaftspolitik herangezogen werden können und sollen: Die Sicherheit der Anlagen ist oberstes Gebot.
Ueber die Verordnung zum Gesetz über die betriebliche Vorsorge, in welcher unter anderem die Kapitalanlage zu regeln ist, kann - das sei nebenbei bemerkt - selbstverständlich erst dann diskutiert werden, wenn das Gesetz steht. Es braucht ja wohl nicht besonders betont zu werden, dass eine Verordung nur Ausfluss eines gegebenen Gesetzeswerks sein kann.
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Das Argument, dass ein Arbeitsloser keine betriebliche Vorsorge hat, trifft zweifellos zu. Diese Feststellung gilt aber auch für die AHV, Unfallversicherung, Krankeriversicherung usw. Wenn man das anders regeln möchte, dann wohl für alle Zweige der Sozialversicherung. Dies gerade bei der 2. Säule anders machen zu wollen, wäre in unserem Konzept der sozialen Sicherheit nicht systemkonform.
Grundsätzlich sei noch festgestellt, dass die gewünschte Liberalität des liechtensteinischen Konzepts für eine betriebliche Vorsorge auch bedeutet, dass man so wenig wie möglich in die für die Mehrheit unserer Arbeitnehmer bereits bestehenden betrieblichen Vorsorgeeinrichtungen eingreifen und damit auch ganz bewusst nicht jedes Detailproblem vorab gesetzlich regeln will.