Vaduz, 27. Mai 1987
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An den
Hohen Landtag des
Fürstentums Liechtenstein
9490 Vaduz
Ergaenzender Bericht der Fuerstlichen Regierung an den Hohen Landtag
zum Initiativbegehren auf Abaenderung des Gesetzes betreffend die Ausuebung der politischen Volksrechte in
Landesangelegenheiten und zum Postulat vom 20. November 1985 betreffend die Festsetzung eines neuen
Abstimmungsverfahrens bei Vorliegen mehrerer Initiativen
Sehr geehrter Herr Landtagspräsident,
sehr geehrte Frau Abgeordnete,
sehr geehrte Herren Abgeordnete,
In ihrem Bericht vom 22. August 1986 zum Initiativbegehren auf Abänderung des Gesetzes betreffend die Ausübung der politischen Volksrechte in Landesangelegenheiten (Nr. 19/86) hat die Regierung darauf hingewiesen, dass im Zusammenhang mit der Postulatsbeantwortung vom 16. September 1986 betreffend die Festsetzung eines neuen Abstimmungsverfahrens bei Vorliegen mehrerer Initiativen (Nr. 29/86) sich verschiedene Fragen gestellt hätten, die die Verfassung betreffen und die einer Klärung bedürfen. Sie habe sich daher veranlasst gesehen, beim F.L. Staatsgerichtshof eine gutachtliche Aeusserung einzuholen. Die Regierung teilte mit, dass sie dem Landtag nach Eingang der gutachtlichen Aeusserung zu gegebener Zeit wiederum Bericht erstatten werde.
Die Regierung hat mit Schreiben vom 23. September 1986 den F.L. Staatsgerichtshof um eine gutachtliche Aeusserung über Fragen der Ermittlung des Abstimmungsergebnisses bei Vorliegen mehrerer Initiativen und gegebenenfalls eines Gegenentwurfes ersucht und dabei verschiedene Fragen aufgeworfen, die aus dem diesem Bericht beiliegenden Gutachten des F.L. Staatsgerichtshofes vom 6. Mai 1987 ersichtlich sind, das der Regierung am 20. Mai 1987 übermittelt worden ist.
Der Staatsgerichtshof kommt in seinen Schlussfolgerungen zum Ergebnis, dass es nicht unbedingt erforderlich sei, das Verfahren für die Ermittlung des Abstimmungsergebnisses in der Verfassung zu verankern. Die Verfassung sei nicht auf eine gesamthafte Ermittlung des Abstimmungsergebnisses ausgerichtet. Sie kenne bei Initiativen und Gegenentwurf nicht nur ein einziges absolutes Mehr. Artikel 66 Absatz 4 der Verfassung lasse demgemäss die getrennte Ermittlung des Abstimmungsergebnisses für Initiative und Gegenentwurf oder bei Vorliegen mehrerer Initiativen für jede Initiative ohne entsprechende Verfassungs-
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änderung zu. Ebenso sei das Stellen von Eventualfragen ohne vorherige Verfassungsänderung zulässig. Die Entscheidung über den Vorrang der einen Vorlage gegenüber der anderen müsse somit nicht zwingend in einer einzigen Abstimmung fallen. Vielmehr sei eine Differenzierungsmöglichkeit bei mehreren Vorlagen verfassungsrechtlich geboten. Das 1985 gesetzlich eingeführte Verbot eines doppelten oder mehrfachen Ja wäre mit hoher Wahrscheinlichkeit verfassungswidrig.
Zur Frage, ob der Landtag eine seiner Meinung nach verfassungswidrige Gesetzesinitiative zurückweisen oder dennoch der Volksabstimmung zuführen müsse, hält der Staatsgerichtshof fest, dass der Gesetzgeber unbedingt für eine klare Lösung sorgen sollte. Bei gleicher Gelegenheit sollte er den Fragenkomplex der Rechtsmittel bedenken und für den Fall, dass der Landtag verfassungswidrige Initiativen der Abstimmung entziehen können sollte, sicherstellen, dass den Initianten der Zugang zum Staatsgerichtshof offenstehe. In diesem Zusammenhang ist auch die Frage der Rückzugsmöglichkeit für Initiativen zu klären. Die Regierung wird nach Behandlung des Initiativbegehrens (Nr. 19/86) und der Postulatsbeantwortung (Nr. 29/86) dem Landtag entsprechende Gesetzesvorschläge unterbreiten.
Die Begründung der Schlussfolgerungen ist dem diesem Bericht beiliegenden Gutachten des Staatsgerichtshofes zu entnehmen, so dass die Regierung auf die Einzelheiten der Begründungen nicht näher einzugehen braucht. Es kann festgehalten werden, dass der Staatsgerichtshof sowohl das System der bedingten Eventualabstimmung, wie es das formulierte Initiativbegehren vorsieht, als auch das System der bedingten Hauptabstimmung, welches dem Postulat vom 20. November 1985 zugrunde liegt, als verfassungsmässig erachtet. Da der Landtag über ein formuliertes Initiativbegehren auf Abänderung des Gesetzes betreffend
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die Ausübung der politischen Volksrechte in Landesangelegenheiten Beschluss zu fassen hat, sieht die Regierung davon ab, Aenderungsvorschläge im Sinne des Postulats vom 20. November 1985 in Aussicht zu nehmen. Das Gutachten des Staatsgerichtshofes setzt in jedem Falle eine gesetzgeberische Tätigkeit voraus.
Die Regierung beantragt daher, das Postulat vom 20. November 1985 abzuschreiben.
Genehmigen Sie, sehr geehrter Herr Landtagspräsident, sehr geehrte Frau Abgeordnete, sehr geehrte Herren Abgeordnete, die Versicherung der ausgezeichneten Hochachtung.
Regierung des
Fuerstentums Liechtenstein
Nr. 16/1987