Stellungnahme
zu den in der ersten Lesung der Regierungsvorlage über die Abänderung des Vierten Hauptstückes des Ersten Teils des Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches und. der Schlussabteilung des Personen- und Gesellschaftsrechtes im Landtag vom 29./30. Juni 1988 aufgeworfenen Fragen
1
Vaduz, 6. September 1988
P
In der Landtagssitzung vom 29./30. Juni 1988 wurde bei der Beratung der Gesetzesvorlage über die Abänderung des Vierten Hauptstückes des Ersten Teils des Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches und der Schlussabteilung des Personen- und Gesellschaftsrechts zu den bereits vorliegenden Aenderungsvorschlägen angeregt, die §§ 176 und 187 ABGB in der Weise zu ändern und zu ergänzen, dass von einer "elterlichen Gewalt" gesprochen werde. Diesfalls müsste die Mutter nach dem Tode des Vaters nicht mehr zum Vormund bestellt werden, sondern würde von Gesetzes wegen die elterliche Gewalt übernehmen. Zu § 191 ABGB wurde eine redaktionelle Aenderung vorgeschlagen.
Die Regierung nimmt dazu Stellung wie folgt:
Es ist wohl unbestritten, dass der Ehegattin im Ehe- und Kindschaftsrecht solange keine volle Gleichberechtigung zukommen kann, als nicht der Rechtsbereich von Ehe und Familie nach dem Partnerschaftsprinzip in der vorgesehenen Gesamtreform neu gestaltet worden ist. Alle vorgezogenen Regelungen zur Besserstellung der Frau können nur als Provisorien für eine gewisse Uebergangszeit angesehen werden. Das Partnerschaftsprinzip macht insbesondere den Abbau interfamiliärer Privilegien notwendig. Dabei muss das Leitungsprivileg des Ehemannes sowohl gegenüber der Ehefrau als auch gegenüber den ehelichen Kindern ebenso aufgegeben werden wie das Unterhaltsprivileg der Ehefrau und die alleinige Unterhaltspflicht des Ehemannes sowohl gegenüber der Frau als auch gegenüber den Kindern. Dazu bedarf es einer Reihe von Korrekturen im Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuch wie auch im Ehegesetz. Insbesondere ist das gesetzliche Vertretungsrecht der Eltern gegenüber den Kindern neu zu definieren. Wirft man einen Blick auf das neu revidierte österreichische ABGB, so ersieht man, dass dabei insbesondere vom Vertretungsrecht
3
jedes einzelnen Ehegatten für sich allein auszugehen sein wird, ohne dass eine Vertretungshandlung der Zustimmung des andern Eheteiles bedürfte (vgl. § 154 Absatz 1 öABGB neu). In bestimmten wichtigen Angelegenheiten ist die Zustimmung beider Elternteile erforderlich, wobei im Falle der Weigerung eines Elternteils die Erteilung einer Ersatzzustimmung des Gerichtes vorgesehen ist (§ 154 Absatz 2 öABGB neu). In besonders wichtigen wirtschaftlichen Angelegenheiten ist neben der Zustimmung beider Elternteile auch noch die Genehmigung des Gerichtes vorgesehen, z.B. bei der Veräusserung oder Belastung von unbeweglichem Kindesvermögen (§ 154 Absatz 3 öABGB neu). In den Fällen der letzterwähnten Art kann es nämlich nicht ausgeschlossen werden, dass sich Eltern über den Kopf ihrer Kinder hinweg zu nachteiligen Verfügungen verständigen könnten.
Eine gemeinsame "elterliche Gewalt" kann in der gegenständlichen Revision des Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches noch nicht definiert und umschrieben werden. Dies würde umfangreiche Aenderungen des Rechts der gesetzlichen Vertretung voraussetzen. Es können aber die im Landtag vorgebrachten Anregungen in die Richtung verfolgt werden, dass Aenderungen angebracht werden, die an der "väterlichen Gewalt" an sich nicht rühren, sie aber auch nicht mehr erwähnen, um nicht den Anschein zu erwecken, sie würde heute noch immer als zeitgemäss empfunden. Die neuen Bestimmungen hätten nur vom gesetzlichen Vertretungsrecht zu sprechen, wobei von jenem des ehelichen Vaters ausgegangen, zugleich aber bestimmt werden müsste, dass dieses in bestimmten Fällen von selbst auf die Mutter überginge, ohne dass es hiezu ihrer Bestellung zum Vormund bedürfte. Dementsprechend ist im § 187 ABGB für eheliche Kinder eine Vormundsbestellung erst dann vorzusehen, wenn sowohl der eheliche Vater als auch die eheliche Mutter verstorben sind. Zusätzlich ist auch § 142 ABGB neu zu fassen. Dieser regelt die gesetzliche Vertretung der Kinder, die nach der Trennung oder Scheidung einer Ehe entweder dem Vater oder der Mutter in Pflege und Erziehung
4
zugewiesen werden. Hier scheint es erforderlich, dass jener Elternteil, dem die Pflege und Erziehung eines Kindes zusteht, auch dessen gesetzliche Vertretung allein zu übernehmen hat. Einer Aenderung des § 193 Absatz 2 ABGB, der im Landtag ebenfalls angesprochen wurde, bedarf es nicht, da diese Bestimmung immer noch in jenen Fällen Bedeutung hat, in denen eine verheiratete Frau die Vormundschaft über ein voreheliches Kind übernehmen soll. Darauf wird bei der Neufassung des § 198 ABGB Bedacht genommen.
In § 191 Ziffer 1 wird der redaktionellen Anregung gefolgt und die entsprechende Aenderung vorgenommen.