Bericht und Antrag der Regierung an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein
betreffend das Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder ernied- rigende Behandlung oder Strafe vom 10. Dezember 1984
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Vaduz, den 29. Mai 1990
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Sehr geehrter Herr Landtagspräsident,
sehr geehrte Frau Abgeordnete,
sehr geehrte Herren Abgeordnete,
Die Regierung gestattet sich, Ihnen nachstehenden Bericht und Antrag betreffend das Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe vom 10. Dezember 1984 zu unterbreiten.
Die Folter ist weltweit der erschreckendste und grausamste Ausdruck staatlicher Willkür. Nach Berichten von Amnesty International, des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK), von kirchlichen Organisationen und der UNO-Menschenrechtskommission werden die Folter und andere Formen grausamer Behandlung von Gefangenen noch immer in mehr als einem Drittel aller Staaten fallweise oder systematisch angewandt oder geduldet.
Zum Teil mag es auf (Guerilla-)Kriege zurückzuführen sein, dass die Folter in einigen Regionen der Welt zugenommen hat. In erster Linie sind jedoch alle Staaten dafür verantwortlich, die die Folter als Mittel des Regierens anwenden und als Teil des politischen Systems betrachten. Die Absicht der Folter beschränkt sich aber nicht nur darauf, Geständnisse zu erpressen, einzuschüchtern, zu bestrafen und Auskünfte oder Informationen von denjenigen zu erhalten, die als Gegner der Regierung oder als Sympathisanten der Opposition angesehen werden. Die Folter wird eingesetzt, um die Opposition überhaupt zum Schweigen zu bringen und, wenn es die Machtbehauptung erfordert, zu eliminieren.
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Folteropfer sind Menschen aus praktisch allen sozialen Schichten, Altersgruppen und Berufen. Die angewandten Methoden sind im Laufe der Zeit raffinierter und der Nachweis der Folter ist schwieriger geworden. Schläge, Verbrennungen oder Elektroschocks sind medizinisch lange nachweisbar. Anders verhält es sich, wenn ein Opfer zu Scheinhinrichtungen geführt wird oder anderen psychischen oder physischen Stresssituationen ausgesetzt ist. Als Beispiele von "verfeinerten" Foltermethoden sind zu erwähnen: Gegen die Wand stellen, Überstreifen einer Kapuze, Einsatz von Lärm, Entzug von Essen und Trinken und Entzug von Schlaf.
All dies konnte bisher geschehen, obwohl das Verbot der Folter und anderer grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe bereits in mehreren Erklärungen und Verträgen zum Schutz der Menschenrechte auf universeller und regionaler Ebene verankert ist, wie in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948, im Internationalen Pakt über die bürgerlichen und politischen Rechte von 1966, in den Genfer Abkommen von 1949 über den Schutz der Opfer internationaler und nicht internationaler bewaffneter Konflikte sowie in deren Zusatzprotokoll von 1977
1 sowie in der Europäischen Menschenrechtskonvention von 1950.
Aus der Erkenntnis, dass die Folter einen besonders schwerwiegenden Angriff auf die Menschenwürde und die Menschenrechte darstellt und die auf nationaler und internationaler Ebene vorhandenen Schutzsysteme nicht genügen, um die Folter einzudämmen oder gar auszumerzen, hat die UNO-Generalversammlung am 8. Dezember 1977 die Menschenrechtskommission des Wirtschaftsund Sozialrates aufgefordert, eine Konvention gegen die Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung auszuarbeiten. Als die Kommission am 7. Februar 1978 eine Arbeitsgruppe mit der Ausarbeitung beauftragte, lagen bereits Vorentwürfe der schwedischen Regierung und der Internationalen Strafrechtsvereinigung vor. Der schwedische Entwurf lehnte
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sich deutlich an die Antifolter-Deklaration der UNO von 1975 an und wollte als internationales Durchsetzungsorgan den aufgrund des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte eingesetzten Menschenrechtsausschuss beauftragen. Als Implementierungsverfahren war eine Kombination des in diesem Pakt verankerten Berichts- und Beschwerdesystems mit jenem des Untersuchungsverfahrens aufgrund der ECOSOC-Resolution 1503 (XLVIII) vorgesehen.
Der Entwurf der Internationalen Strafrechtsvereinigung legte das Schwergewicht auf die Repression gegen die Folter und erklärte die Folter als Verbrechen des Völkerrechts nach dem Vorbild der Völkermord- und Apartheidkonvention.
Im Gegensatz zu diesen beiden, an traditionellen Vorbildern des UNO-Menschenrechtsschutzes orientierten Entwürfen entwickelte sich auf Initiative das Genfer Juristen und Bankiers Jean-Jacques Gautier ein Schweizer Entwurf, der 1980 von Costa Rica als Entwurf eines Fakultativprotokolls in den Ausarbeitungsprozess einging.
Schon während ihrer ersten Tagung hatte sich die Arbeitsgruppe der Menschenrechtskommission entschlossen, ihre Beratungen primär auf den schwedischen Entwurf zu stützen. Im März 1984 leitete die Menschenrechtskommission den in mühsamen Verhandlungen erarbeiteten Entwurf eines Übereinkommens an die Generalversammlung weiter.
Am 10. Dezember 1984, dem Tag der Menschenrechte, hat dann die Generalversammlung das Übereinkommen gegen die Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe verabschiedet. Das Übereinkommen ist am 26. Juni 1987 in Kraft getreten.
Liechtenstein hat dieses Übereinkommen am 27. Juni 1985 unterzeichnet.
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1 | Liechtenstein ist Vertragspartei |
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