Berichte und Anträge
Regierungskanzlei (RK)
BuA - Nummer
1991 / 105
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Ein­lei­tung
Zu Art. 15 Abs. 3 lit. g
Zu Art. 16 Abs. 1 lit. b
style="color:#858A8F"Kein Titel
 
Stellungnahme der Regierung an den Landtag
Zu den in der zweiten Lesung zur Regierungs- Vorlage betreffend die Abänderung des  Strassenverkehrsgesetzes aufgeworfenen Fragen
 
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Vaduz, 5. Dezember 1991
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Sehr geehrter Herr Landtagspräsident,
sehr geehrte Frau Abgeordnete,
sehr geehrte Herren Abgeordnete,
In der Landtagssitzung vom 6./7. November 1991 wurden anlässlich der zweiten Lesung der Gesetzesvorlage über die Abänderung des Strassenverkehrsgesetzes verschiedene zusätzliche Fragen aufgeworfen. Die Regierung hat sich zwischenzeitlich mit den aufgeworfenen Fragen auseinandergesetzt und unterbreitet dem Landtag nachstehend eine Stellungnahme.
Zu Art. 15 Abs. 3 lit. g
Hier ist die Frage aufgeworfen worden, wer entscheide, ob eine Blut- oder eine Urinprobe genommen werde und ob nicht im konkreten Fall beide Proben gleichzeitig durchgeführt werden sollten. Es wurde vorgeschlagen, anstatt der Wortwendung "Blut- oder Urinprobe11 die Wortwendung "Blut- und Urinprobe11 zu verwenden.
1. Fahrfähigkeit
Wer ein Fahrzeug führt, muss fahrfähig sein. Nach der Rechtssprechung zu Art. 29 SVG liegt Fahrunfähigkeit nicht erst bei völliger Unzurechnungsfä-
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higkeit, sondern bereits dann vor, wenn der Führer an einem körperlichen oder geistigen Mangel leidet, der ihn an der sicheren Führung des Motorfahrzeuges hindert. Der Führer muss, wenn und solange er ein Fahrzeug führt, jederzeit körperlich und geistig in der Lage sein, dieses sicher zu führen. Diesem Anforderungsprofil entspricht er - so wird regelmässig, auch in der Gesetzgebung, angenommen -, wenn sein jeweiliger Zustand nicht durch bestimmte Faktoren negativ beeinflusst wird. Solche Faktoren können z.Bsp. Krankheiten, Gebrechen, Angetrunkenheit, Trunksucht oder andere die Fahrfähigkeit herabsetzende Süchte sein.
2. Die Fahrfähigkeit herabsetzende Süchte (Art. 13 Abs. 2 lit. c SVG)
Was die Fahrfähigkeit herabsetzende Süchte anbelangt, so wird heute üblicherweise ein Mensch als süchtig bezeichnet, der (kumulativ oder alternativ):
sich infolge häufig wiederholter Einnahme eines (natürlichen oder synthetischen) toxischen Stoffes in einem Zustand periodischer oder chronischer Vergiftung befindet, die für ihn und seine Umgebung eine Schädigung und eine Gefahr darstellt;
wegen zunehmender Giftfestigkeit die Neigung hat, die Dosis des Toxikums zu steigern;
ein gieriges, zwanghaftes, nicht oder kaum bezwingbares Verlangen nach dem Toxikum hat;
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auf die fortgesetzte Einnahme des Toxikums nicht verzichten kann, weil er
psychisch, oft auch körperlich so stark von Toxikum und seinen Wirkungen abhängig ist, dass er bei plötzlichem Verzicht darauf körperlich in eine Zwangs- oder psychisch in eine Notlage gerät.
Aufgrund der Art der verwendeten Mittel und ihrer pharmakodynamischen Effekte werden sieben die Fahrfähigkeit herabsetzende bzw. ausschliessende Abhänigigkeitstypen unterschieden, nämlich der Morphin-, Cannabis-, Halluzinogen-, Amphetamin-, Kokain-, Barbiturat- und Khat-Typ. Der Nachweis einer Abhängigkeit bereitet dabei unterschiedlich grosse Schwierigkeiten. Im Zweifelsfall ist wesentlich auf die Persönlichkeit des Betroffenen und auf die Gesamtheit der konkreten Umstände abzustellen.
3. Feststellung der Angetrunkenheit
Nach Art. 110 ff der Verordnung vom 1. August 1978 über die Zulassung von Personen und Fahrzeugen zum Strassenverkehr (VZV), LGBl.1978 Nr. 20, ist die Blutprobe die geeignete Untersuchungsmassnahme, der sich Fahrzeugführer und an Unfällen beteiligte Strassenbenützer zur Feststellung der Angetrunkenheit nach Art. 51 SVG zu unterziehen haben. Sie ist vorzunehmen, wenn Anzeichen von Angetrunkenheit bestehen oder wenn jemand sie an sich selber zu seiner Entlastung verlangt. Zur Vorprobe kann ein Atemprüfgerät verwendet werden. Von weiteren Untersuchungen wird abgesehen, wenn die Atemprobe
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einen Alkoholgehalt von weniger als 0,6 Gewichtspromille ergibt.
Verweigert ein Verdächtiger die Blutentnahme, so kann, wenn wichtige Gründe vorliegen, die Blutprobe gegen den Widerstand des Verdächtigen durchgeführt werden. Wichtige Gründe liegen vor:
wenn ein Verdächtiger für einen schweren Unfall mit Toten oder Schwerverletzten oder für eine entsprechend schwere Verkehrsgefährdung verantwortlich oder mitverantwortlich erscheint;
wenn ein Verdächtiger innert 5 Jahren schon einmal wegen Führens in angetrunkenem Zustand bestraft wurde oder die Blutprobe verweigerte und dann mangels Beweisen nicht des Fahrens in angetrunkenem Zustand überführt werden konnte;
wenn bei Kollisionen mehrere Beteiligte unter Alkoholverdacht stehen und einer oder mehrere Beteiligte die Blutentnahme verweigern, nachdem sie bei anderen durchgeführt wurde;
wenn ein Verdächtiger als Unfallopfer für einen erheblichen Schaden möglicherweise selbst die Verantwortung trägt.
Die Feststellung der Angetrunkenheit ist jedoch auch aufgrund von Zustand und Verhalten des Verdächtigen oder durch Ermittlung über den Alkoholkonsum (z.Bsp. Befragen von Zeugen) möglich.
Der mit der Untersuchung beauftragte Arzt hat nämlich den Verdächtigen auf medizinisch feststellbare Anzeichen von Angetrunkenheit hin zu untersu-
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chen. Wenn also die Blutprobe aus irgendwelchen Gründen (z.Bsp. Vereitelung) nicht vorgenommen werden kann, so erlangt die ärztliche Untersuchung die Bedeutung eines zwar nicht zwingend vorgeschriebenen, aber doch nützlichen selbständigen Beweismittels.
4. Entzug des Führerausweises bei die Fahrfähigkeit herabsetzenden Süchten
Führer- und Lernfahrausweise dürfen nur ausgestellt werden, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind. Diese Voraussetzungen sind materieller und formeller Art. Entspricht der Bewerber den an ihn angestellten Minimalanforderungen, darf der Ausweis nicht verweigert werden. Gerät der Inhaber des Führerausweises nachträglich in einen Zustand, der den gesetzlichen Mindestanforderungen nicht mehr genügt, so ist ihm der Ausweis gestützt auf Art. 15 Abs. 1 SVG zu entziehen. Bestehen in medizinischer oder fahrtechnischer Hinsicht Zweifel an der Führereignung, so ist eine neue ärztliche Untersuchung oder Führerprüfung notwendig. Mängel materieller Art sind z.Bsp. Trunksucht oder andere die Fahrfähigkeit herabsetzende Süchte. Werden solche Mängel festgestellt, so sind die notwendigen ärztlichen Untersuchungen anzuordnen (vgl. Art. 7 ff. der Verordnung vom 1. August 1978 über die Zulassung von Personen und Fahrzeugen zum Strassenverkehr VZV, LGBl. 1978 Nr. 20).
Was geschieht nun, wenn die Polizei feststellt, dass jemand sein Fahrzeug unter Drogeneinfluss oder unter anderen die Fahrfähigkeit herabsetzenden Süchten führt. Die Landespolizei wird einem
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solchen Lenker, wenn aufgrund seines Zustandes und seines Verhaltens offensichtlich ist, dass er fahrunfähig ist, den Führerausweis auf der Stelle abnehmen und ein Entzugsverfahren einleiten (Art. 37 Abs. 1 lit. b VZV). Im Rahmen des Entzugsverfahrens wird sie den Amtsarzt beauftragen, die notwendigen ärztlichen Untersuchungen und Abklärungen durchzuführen. Aus dem Anhang 2 zur Verordnung vom 1. August 1978 über die Zulassung von Personen und Fahrzeugen zum Strassenverkehr (VZV), LGBl. 1978 Nr. 20, ist ersichtlich, worauf sich eine solche Untersuchung erstreckt. So ist z.B. die Urinuntersuchung im Rahmen dieser Untersuchung vorzunehmen. Bei Kontroll- und Spezialuntersuchungen können zudem Einschränkungen oder Ausdehnungen der Untersuchung angeordnet werden, so dass der Arzt in diesen Fällen nicht an den Anhang 2 zur VZV gebunden ist (Art. 7 Abs. 4 VZV). Ergibt sich aus der ärztlichen Untersuchung, dass der betroffene Fahrzeuglenker einer die Fahrfähigkeit herabsetzenden Sucht ergeben ist, so wird die Landespolizei gestützt auf Art. 15 Abs. 1 SVG einen Sicherungsentzug anordnen. Sicherungsentzüge werden verfügt, wenn der Führer aus medizinischen oder Charakterlichen Gründen, wegen Trunksucht oder anderer Süchte oder wegen einer anderen Unfähigkeit zum Führen von Motorfahrzeugen nicht geeignet ist (Art. 29 Abs. 1 VZV). Sie sind unabhängig davon anzuordnen, ob eine Verkehrsregel verletzt worden ist, und gelten grundsätzlich auf unbestimmte Dauer. Wenn ein medizinischer Ausschlussgrund Ursache der Massnahme ist, so kann der betroffene Fahrzeuglenker um Wiedererteilung des Ausweises nachsuchen, sobald der Eignungsmangel entfallen ist. In der Praxis wird jedoch meistens eine Bewährungsfrist von mindestens einem Jahr gesetzt.
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Wenn festgestellt wird, dass der betreffende Fahrzeuglenker nicht unter einer die Fahrfähigkeit herabsetzenden Sucht leidet und sein Fahrzeug unter einmaligem Drogeneinfluss geführt hat, so kann gestützt auf Art. 15 Abs. 2 oder 3 lit. a SVG ein Warnungsentzug angeordnet werden. Warnungsentzüge werden wegen Verletzung von Verkehrsvorschriften angeordnet (Art. 29 Abs. 2 VZV). Fahrzeuglenker, die nicht fahrfähig sind, dürfen kein Fahrzeug führen (Art. 29 SVG). Fahrfähigkeit bedeutet, dass ein Führer, wenn und solange er ein Fahrzeug führt, jederzeit körperlich und geistig in der Lage sein muss, es sicher zu führen. Entspricht er diesem Anforderungsprofil nicht, so verletzt er die im Strassenverkehrsgesetz, insbesondere in Art. 27 ff., statuierten Verkehrsregeln. Wer Verkehrsregeln verletzt, gefährdet dadurch den Verkehr, so dass ein Entzug des Führerausweises gerechtfertigt sein kann. Eine schwere Gefährdung des Verkehrs im Sinne von Art. 15 Abs. 3 lit. a SVG liegt vor, wenn ein Fahrzeuglenker durch grobe Verletzung von Verkehrsregeln eine wesentliche Gefahr für die Sicherheit anderer Verkehrsteilnehmer hervorruft oder in Kauf nimmt. Derjenige Fahrzeuglenker, der sein Fahrzeug unter Medikamenten- und/oder Drogeneinfluss führt, verletzt Verkehrsregeln grob und stellt eine wesentliche Gefahr für die Sicherheit anderer Verkehrsteilnehmer dar.
5. Blut- oder Urinprobe
Die Blutprobe ist das wichtigste Beweismittel zur Feststellung der Angetrunkenheit. Fahrunfähigkeit wegen Alkoholeinwirkung (Angetrunkenheit) gilt
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nach Art. 2 Abs. 2 VRV in jedem Fall als erwiesen, wenn der Fahrzeugführer eine Blutalkoholkonzentration von 0.8 oder mehr Gewichtspromillen aufweist. Der Wert von 0.8 Gewichtspromillen stellt damit eine Grenze dar, bei der Fahrunfähigkeit unwiderlegbar, als unabhängig von weiteren Beweisen und individueller Alkoholverträglichkeit, anzunehmen ist. Die Urinprobe wird weder in Oesterreich noch in der Schweiz zur Feststellung der Angetrunkenheit angeordnet. Erfahrungen, ab welchem Grenzwert bei der Durchführung der Urinprobe Fahrunfähigkeit wegen Alkoholeinwirkung angenommen wird, fehlen. Die Urinprobe ist daher kein eigentliches Beweismittel zur Feststellung der Angetrunkenheit. Sie hat lediglich Indizwirkung, so dass es nicht zweckmässig ist, bei Verdacht auf Angetrunkenheit neben der Blutprobe auch noch die Urinprobe anzuordnen. Eine Verankerung der Urinprobe im Gesetz bedingt eine klare und unzweideutige Textierung, aus welcher sich zweifelsfrei ergibt, dass zur Feststellung der Angetrunkenheit nur die Blutprobe, und nicht die Urinprobe angeordnet werden kann. Im Gesetz ist daher die Wortwendung "Blut- oder Urinprobe", und nicht die Wortwendung "Blut- und Urinprobe" zu verwenden. Die Wortwendung "Blut- und Urinprobe" ist zudem rechtsstaatlich bedenklich, da sie dem strafrechtlichen Bestimmtheitsgebot zuwiderläuft.
6. Anordnung der Blut- oder Urinprobe
Die Landespolizei ordnet an, ob die Blut- oder Urinprobe genommen wird. Die Blutentnahme muss dann durch einen Arzt oder, unter seiner Verantwortung, durch eine von ihm bezeichnete sachkun-
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dige Hilfsperson erfolgen. Der Verdächtige kann zusätzlich einen Arzt nach eigener Wahl beiziehen, wenn dadurch keine Verzögerung entsteht. Der Auftrag zur Blutentnahme wird schriftlich erteilt oder wenigstens schriftlich bestätigt. Der beauftragte Arzt entscheidet, ob ausnahmsweise wegen des Gesundheitszustandes des Verdächtigen von der Blutentnahme abzusehen ist (Art. 111 VZV).