Berichte und Anträge
Regierungskanzlei (RK)
BuA - Nummer
1991 / 106
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Ein­lei­tung
A.Erwä­gungen von den ein­zelnen Voten
I. Abän­de­rung des Per­sonen- und Gesellschaftsrechts
II. Abän­de­rung des Ehegesetzes
III. Abän­de­rung des All­ge­meinen bür­ger­li­chen Gesetzbuches
IV. Abän­de­rung des Gesetzes über die Aus­übung der Gerichts­bar­keit und die Zustän­dig­keit der Gerichte in bür­ger­li­chen Rechtssa­chen (Jurisdiktionsnorm)
V. Abän­de­rung des Gesetzes betref­fend das Rechtsfürsorgeverfahren
B.Ände­rungs- und Korrekturvorschläge
I.Zur PGR-Reform
II.Zur Ehe­ge­setz-Reform
III.Zur ABGB-Reform
IV.Zur JN-Reform
V.Zur RFVG-Reform
 
Stellungnahme
Der Regierung an den Landtag zu den in der ersten Lesung der Regierungsvorlagen zur Ehe- und Familienrechtsreform aufgeworfenen Fragen
 
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Vaduz, 7. Januar 1992
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Sehr geehrter Herr Landtagspräsident,
sehr geehrte Frau Abgeordnete,
sehr geehrte Herren Abgeordnete,
In der Landtagssitzung vom 7./8. Mai 1991 wurden anlässlich der Beratung der Gesetze zur Ehe- und Familienrechtsreform verschiedene Fragen aufgeworfen und Anregungen gemacht, welche einer näheren Ueberprüfung unterzogen worden sind. Die Regierung unterbreitet dem Landtag nachstehend eine Stellungnahme, die wegen der Schwierigkeit und des Umfangs der Rechtsmaterie sowie der Sensibilität einzelner Diskussionspunkte, wie z.B. des Namensrechts, des Zugewinnausgleichsrechts und des Erbrechts, nochmals einer eingehenden Betrachtung unterzogen worden ist, die es ermöglichen soll, sich vermehrt Klarheit zu schaffen. Zur besseren Orientierung wird ein Inhaltsverzeichnis mit entsprechenden Verweisungen vorangestellt und eine Zusammenfassung der erarbeiteten Aenderungs- und Korrekturvorschläge an den Schluss (B) der Erwägungen (A) gesetzt.
Zu Artikel 36 PGR
Die Regierungsvorlage trägt nicht nur den im begleitenden Bericht der Regierung dargelegten Erwägungen, sondern auch der ABGB-Novelle vom 18. Oktober 1988, LGBl. 1988 Nr. 49, Rechnung. Dies gilt insbesondere auch für die in der Debatte aufgeworfenen Abgrenzungsprobleme. Danach ist zwischen den Fällen der Vormundschaft einerseits und jenen der Kuratel andererseits zu unterscheiden. Gemäss § 269 ABGB in der Fassung der vorhin zitierten Novelle umfasst die "Kuratel im weiteren Sinn" die Beistandschaft für behinderte Personen und die Kuratel im engeren Sinn. Die "Kuratel im engeren Sinn" kann wiederum gemäss § 277 ABGB eine Verhinderungs- und Kollisionskuratel oder aber gemäss § 278 ABGB eine Verwaltungskuratel sein. Die Fälle der Vormundschaft sind in der ABGB-Novelle 1988, welche nach den damaligen Intentionen nur ein Provisorium bis zur Verabschiedung der schon damals geplanten umfassenden Ehe- und Familienrechtsreform darstellen sollte, nicht abschliessend geregelt worden. Diese abschliessende Regelung wurde nunmehr mit dem § 187 ABGB in der Fassung des vorliegenden Entwurfes vorgeschlagen. Danach ist einem Minderjährigen ein Vormund zu bestellen, wenn nicht wenigstens einer Person die beschränkte gesetzliche Vertretung im Rahmen der Obsorge zusteht. Im Regelfall kommt es daher erst dann zur Bestellung eines Vormunds, wenn
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beide Elternteile des Minderjährigen verstorben sind oder aus anderen Gründen die Obsorge nicht ausüben können.
Die vorgeschlagene Fassung des Artikels 36 PGR knüpft nahtlos an den bereits beschlossenen bzw. vorgeschlagenen Wortlaut der in Betracht kommenden Gesetze an, soweit diese weiterhin in Kraft bleiben. Es gibt keinerlei Widersprüche, zumal das Wort "Kuratel" in Artikel 36 PGR in der Fassung des vorliegenden Entwurfs überhaupt nicht vorkommt. Er gilt vielmehr nur für minderjährige Kinder und voll oder beschränkt entmündigte Personen, welch letztere allerdings systematisch dem Kreis der Kuratelsfälle im engeren Sinn des Wortes zuzuordnen sind. Der abgeleitete Wohnsitz laut Artikel 36 Absatz 2 PGR knüpft in allen diesen Fällen an den Gerichtsstand des Sitzes der Vormundschaftsbehörde an, welche zugleich als Beistandschafts- bzw. Kuratelsbehörde zu fungieren hätte. Da es nur eine einzige Vormundschaftsbehörde dieser Art, nämlich das F.L.Landgericht, gibt, gelangt dieser Gerichtsstand unabhängig vom tatsächlichen Wohnort eines allfälligen Vormundes oder Beistandes bzw. des Kindes oder der unter Beistandschaft stehenden Person zur Anwendung. Ein Nachteil ist daraus weder für den einen noch für den anderen Personenkreis zu ersehen. Der Gerichtsstand bestimmt lediglich die gerichtliche Zuständigkeit, wobei es selbstverständliche Pflicht des Gerichtes ist, allfällige Zustellungen an eine unter Vormundschaft oder Beistandschaft stehende Person zuhanden des gesetzlichen Vertreters, also des Vormundes oder Beistandes zu veranlassen.
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Die Beseitigung des sogenannten "abgeleiteten Wohnsitzes" der Ehefrau entspricht der Rezeptionsgrundlage, nämlich dem Artikel 25 Absatz 1 ZGB und den Ueberlegungen des Staatsgerichtshofes in seinem Urteil vom 2. Mai 1991, StGH 90/16. In diesem Urteil wurde dem Gesetzgeber in unmissverständlicher Weise nahegelegt, im Rahmen der Ehe- und Familienrechtsreform auch die mit der Ableitung ihres Wohnsitzes vom Wohnsitz des Mannes verbundene Diskriminierung der Frau zu beseitigen. Dies ändert naturgemäss nichts am gemeinsamen Wohnsitz der Eheleute, solange sie tatsächlich zusammen wohnen.
Die vorgetragenen Bedenken sind daher in Ueberlegung aller Umstände nicht begründet. Artikel 36 PGR sollte daher gegenüber dem vorliegenden Entwurf nicht abgeändert werden.