Berichte und Anträge
Regierungskanzlei (RK)
BuA - Nummer
1991 / 79
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Ein­lei­tung
I.Aus­gangs­punkt
1.Recht­spre­chung des Staatsgerichtshofes
2.Schreiben der Kom­mis­sion der Regie­rung für die Gleich­be­rech­ti­gung von Mann und Frau
II.Lösungs­vor­schläge
1.Vor­ge­schichte
2.Pro­ble­matik
3.Schluss­fol­ge­rungen
III.Ver­nehm­las­sung
1.Ver­fas­sungs­ent­wurf
2.Stel­lung­nahmen
3.Beur­tei­lung
IV.Antrag
Blauer Teil
 
Bericht und Antrag der Regierung an den Landtag
Zur Abänderung der Verfassung
 
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Vaduz, 24. Oktober 1991
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Sehr geehrter Herr Landtagspräsident,
Sehr geehrte Frau Abgeordnete,
Sehr geehrte Herren Abgeordnete,
Die Regierung gestattet sich, Ihnen nachstehenden Bericht und Antrag zur Abänderung der Verfassung zu unterbreiten.
1.Rechtsprechung des Staatsgerichtshofes
In einem Urteil vom 2. November 1989 hält der Staatsgerichtshof als Verfassungsgerichtshof (StGH 1989/9, StGH 1989/10 gleichlautend) u. a. fest:
"Um die Tragweite des Gleichheitsgebotes hinsichtlich geschlechtsspezifischer Diskriminierung zu klären, ist zunächst auf die authentische Interpretation des Begriffes 'Landesangehörige' einzugehen. Diese authentische Interpretation wurde im Zusammenhang mit den anfangs der 70er Jahre laufenden Bemühungen um die Einführung des Frauenstimmrechtes vorgenommen. Für die Verankerung des Frauenstimmrechtes in der Verfassung sollte an den im IV. Hauptstück verwendeten Begriff der 'Landesangehörigen' angeschlossen werden, und um jeden Zweifel daran auszuschliessen, dass dieser Begriff sowohl Männer als auch Frauen umfasst, wurde er entsprechend authentisch interpretiert. Aus den Ma-
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terialien ergibt sich nun aber nicht, dass dieser authentischen Interpretation die Funktion und Tragweite eines eigentlichen Gleichberechtigungsartikels zukommen sollte. Demnach kennt die liechtensteinische Verfassung keine dem ersten Satz von Artikel 4 Absatz 2 der schweizerischen Bundesverfassung ('Mann und Frau sind gleichberechtigt') sowie Artikel 3 Absatz 2 des deutschen Grundgesetzes ('Männer und Frauen sind gleichberechtigt') entsprechende Gleichberechtigungsbestimmung. In diesem Zusammenhang ist indessen daran zu erinnern, dass im September 1985 dem Liechtensteiner Volk eine Verfassungsinitiative zur Abstimmung vorlag, welche analog der schweizerischen Regelung neben dem Gleichberechtigungsgrundsatz auch einen spezifischen Gesetzgebungsauftrag sowie das Recht auf gleichen Lohn für gleiche Arbeit in der Verfassung verankert hätte. Dieser Initiative wurde dann allerdings ein Gegenvorschlag des Landtages gegenübergestellt, der nur einen Gesetzgebungsauftrag und das Recht auf gleichen Lohn für gleiche Arbeit vorsah. Bei der damaligen Abstimmung erreichte dann offensichtlich nur deshalb keine der beiden Varianten das absolute Mehr, weil die Möglichkeit des doppelten Ja noch nicht gegeben war.
Indessen hat sich der Staatsgerichtshof an den geltenden Verfassungstext zu halten, welcher nach wie vor über den Programmsatz der Gleichheit aller Landesangehörigen nicht hinausgeht.
Im Gegensatz zur Schweiz und zur Bundesrepublik Deutschland ist der Gleichberechtigungsgrundsatz in Oesterreich ähnlich wie in Liechtenstein nicht explicit in der Verfassung verankert. Immerhin geht aber die dortige Regelung wohl insoweit über die liechtensteinische hinaus, als in Artikel 7 Absatz 1 des österreichischen Bundesverfassungsgesetzes u. a. Vorrechte des Geschlechts ausgeschlossen sind. Doch haben die österreichische Lehre und Rechtsprechung daraus in erster Linie einen Gestaltungsauftrag an den Gesetzgeber abgeleitet, die Gleichstellung der Geschlechter zu verwirklichen. (Siehe hierzu Ermarcora, Grundriss der Menschenrechte in Oesterreich, Wien 1988, S. 80. )
In der Zielbestimmung des Artikels 31 der liechtensteinischen Verfassung ist dem Gesetzgeber in bezug auf die Gleichberechtigung von Mann und Frau zweifellos ein Gestaltungsauftrag gegeben. Dabei umfasst die Frage der Gleichberechtigung in Staats-
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bürgerschaftssachen Rechtsgestaltungsaufgaben grösseren Ausmasses, welche verschiedene Rechtsgebiete mit in die Betrachtung einzubeziehen haben, um ausgewogene und konsequente Lösungen herbeizuführen. So bestehen beispielsweise unterschiedliche Interessen des Kindes in Fällen von Doppelstaatsbürgerschaften. Tatsächlich ist der liechtensteinische Gesetzgeber auch schon tätig geworden, etwa durch die Regelung der Beibehaltung der F.L.-Staatsbürgerschaft der Liechtensteinerinnen bei Eheschliessung mit einem Ausländer und der erleichterten Einbürgerung von ausländischen Kindern einer Liechtensteinerin.....
Verfassungsmässige Gleichheitsansprüche, welche die Gleichberechtigung von Mann und Frau nur aus Programmsätzen oder Zielbestimmungen ableiten lassen, bedürfen der Konkretisierung durch den Gesetzgeber und sind im Rahmen der Verfassungsgerichtsbarkeit nicht erzwingbar."
Mit den vorgenannten Bürgerrechtssachen hatte sich der Staatsgerichtshof zuvor schon als Verwaltungsgerichtshof zu befassen. Dabei vertrat er in StGH 1988/16 die Auffassung:
"Dem Beschwerdevorhalt, es könne gegenüber Ungleichheit nicht nur auf politische Regelung verwiesen werden, ist entgegenzuhalten, dass mangels eines konkret erlassenen Gleichheitsgebotes noch bestehende, sachlich fragliche Differenzierungen, sowie auch auf anderen Rechtsgebieten nur im Wege der Gesetzgebung zu bereinigen sind. Auch wenn mit Einführung des Frauenstimm- und -Wahlrechtes durch Verfassungsgesetz, LGBl. 1984 Nr. 27, ein bedeutsamer Schritt in Richtung der politischen Gleichstellung getan wurde, ist es vorrangig Aufgabe des Gesetzgebers, die Gleichheit von Mann und Frau im Recht, soweit Unterschiede sachlich nicht mehr gerechtfertigt wären, weiter zu verwirklichen...."
In StGH 1988/17 führte er u.a. aus:
"In den Erwerbs- und Verlustgründen (des Landesbürrgerrechtes) regelt der Gesetzgeber jeweils sachlich gebotene Differenzierungen, so die Abstammung nach
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ehelichem Vater oder unehelicher Mutter, in verfassungsrechtlich zulässiger Weise. Mangels eines konkret erlassenen, unmittelbar wirksamen Gleichheitsgebotes sind bestehende sachliche Differenzierungen zu bereinigen. Auch wenn mit Einführung des Frauenstimm- und -Wahlrechtes durch Verfassungsgesetz, LGBl. 1984 Nr. 27, ein bedeutsamer Schritt in Richtung der politischen Gleichstellung getan wurde, ist es vorrangig Aufgabe des Gesetzgebers, die Gleichheit von Mann und Frau im Recht, soweit Unterschiede sachlich nicht mehr gerechtfertigt wären, weiter zu verwirklichen. Soweit dies, wie etwa im Bereich der Bürgerrechte, nur in grösserem Zusammenhang generell erfolgen muss, kann sich der Staatsgerichtshof nicht an die Stelle des Gesetzgebers setzen. Es ging zu weit und überschritte die ihm durch Verfassung und Gesetz zugewiesenen Kompetenzen, wenn er sämtliche heute bestehenden Differenzierungen rundweg als gleichheits- und verfassungswidrig bezeichnen wollte (StGH 1977/4 vom 19.12.1977). Punktuelle, aufgrund von Individualbeschwerden amtswegige Kassation von Einzelbestimmungen aus dem Gesamtzusammenhalt der Staatsbürgerregelungen hätte eine ungleich bedenklichere Rechtsunsicherheit im Bereich der Bürgerrechte mit grosser Ungleichheit zur Folge. Nur eine umfassendere verfassungsmässig gesetzliche Rechtsgestaltung unter entsprechenden Uebergangs- und Bezugsregelungen vermag wiederum eine weitergehende Rechtsentwicklung angemessen zu bewirken."
LR-Systematik
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LGBl-Nummern
1992 / 081
Landtagssitzungen
16. Juni 1992