Berichte und Anträge
Regierungskanzlei (RK)
BuA - Nummer
1992 / 140
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Ein­lei­tung
1.Erör­te­rung der Fragen
Zu Art. 10 Rechts­an­walts-Sozietäten
Zu Art. 12 Standesehre
Zu Art. 16 Interessenkollision
2.Aen­de­rungs­vor­schläge
Kor­ri­gierte
Regierungsvorlage
 
Stellungnahme  der Regierung an den Landtag
zu den in der ersten Lesung der Regierungs vorlage zum Gesetz über die Rechtsanwälte  aufgeworfenen Fragen
 
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Vaduz, den 24. November 1992
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Sehr geehrter Herr Landtagspräsident
Sehr geehrte Frau Abgeordnete
Sehr geehrte Herren Abgeordnete
Die Regierung gestattet sich, Ihnen nachstehende Stellungsnahme zu den in der ersten Lesung der Regierungsvorlage zum Gesetz über die Rechtsanwälte aufgeworfenen Fragen zu unterbreiten.
Zu Art. 10 Rechtsanwalts-Sozietäten
Mit Hinweis auf Regelungen im amerikanischen Rechtsbereich und neuere Entwicklungen wurde dafürgehalten, dass Rechtsanwalts-Sozietäten nicht nur in der Form einer einfachen Gesellschaft oder einer Kollektiv-Gesellschaft sollten errichtet werden können. Die Entwicklung gehe in eine andere Richtung, so dass auch Kapitalgesellschaften als Rechtsanwalts-Sozietäten zugelassen werden sollten. Die Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung der Zusammenschlüsse von Rechtsanwälten zur gemeinsamen Berufsausübung blieb unbestritten.
Im Bericht der Regierung wird darauf hingewiesen, dass die bestehenden Rechtsanwalts-Sozietäten, zu-
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mindest von ihrer äusseren Erscheinungsform her, ausnahmslos in Form einer einfachen Gesellschaft (als Aussengesellschaft) errichtet worden seien. Der Gesetzesentwurf lasse neu auch die Kollektivgesellschaft als mögliche Form zu. Sie eigne sich für eine Rechtsanwalts-Sozietät in besonderem Masse. Sie sehe die persönlich unbeschränkte Haftung der einzelnen Gesellschafter vor, sie habe eine Firma zu führen und sei im Oeffentlichkeitsregister einzutragen. Ihr komme Vermögensfähigkeit und Prozessfähigkeit zu.
Zum vorgebrachten Einwand, wonach bezweifelt wird, ob es richtig sei, Kapitalgesellschaften nicht für die Rechtsanwalts-Sozietäten zu öffnen, sondern auf diese beiden Gesellschaftsformen einzuschränken, ist folgendes festzuhalten: Soweit ersichtlich, ist Frankreich der einzige europäische Staat, der es zulässt, dass ein Anwaltsbüro im Rahmen einer Kapitalgesellschaft geführt wird. Alle übrigen Staaten lassen den Betrieb einer Anwaltskanzlei lediglich im Rahmen einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts oder einer Personengesellschaft zu. Oesterreich hat sich Ende der achtziger Jahre mit der Problematik befasst und hat im Jahre 1990 ein eigenes Erwerbsgesellschaftengesetz erlassen und einen neuen Paragraphen l a in die Rechtsanwaltsordnung eingefügt. In Oesterreich ist die Führung eines Anwaltsbüros im Rahmen einer Kapitalgesellschaft nicht möglich.
In Deutschland ist derzeit eine Diskussion im Gange, die Gesellschaft mit beschränkter Haftung als Rechtsanwaltsgesellschaft zuzulassen. Der Vorstand des Deutschen Anwaltsvereins hat einen dies-
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bezüglichen Vorschlag ausgearbeitet. Dazu werden Überlegungen angestellt, wie sie dem deutschen Anwaltsblatt 4/1990 zu entnehmen sind. Für die Zulassung der Rechtsberatung durch eine Kapitalgesellschaft werden etwa folgende Gründe ins Feld geführt:
Der Trend zu grösseren Organisationsformen in der Anwaltschaft sei unübersehbar. Die Rechtsanwälte, die national oder international mittlere und grosse Wirtschaftsunternehmen beraten und vertreten, stehen in intensiver Konkurrenz mit ausländischen Anwaltskanzleien und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, deren Organisationsgrösse sie nichts entgegenzusetzen haben. Die Sozietät als Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die bisher allein zulässig sei, erweise sich insbesondere bei einer grösseren Anzahl von Partnern als organisatorisch schwerfällig. Es bestehe das Prinzip der Gesamtgeschäftsführung und Gesamtvertretung, so dass grundsätzlich sämtliche Partner tätig werden müssten. Kontinuität im Falle des Todes eines Partners oder eines Wechsels im Partnerbestand sei nicht gewahrt. Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts sei nicht in der Lage, unter eigenem Namen Vermögen zu erwerben oder auch nur ins Grundbuch eingetragen zu werden.
Die Rechtsanwaltsgesellschaft erlaube eine Haftungsbeschränkung. Das Haftungsrisiko der Rechtsanwälte werde häufig - auch von den Anwälten selbst -unterschätzt. Der Rechtsanwalt hafte für jede geringste Fahrlässigkeit. Das Schadensrisiko sei nicht durch den Gegenstandswert des Mandates begrenzt, sondern könne diesen um ein Vielfaches
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übersteigen. In der Sozietät als Gesellschaft bürgerlichen Rechts hafteten alle Partner persönlich als Gesamtschuldner, auch soweit sie keinen Einfluss auf die Tätigkeit ihrer Partner nehmen könnten.
Die Rechtsanwaltsgesellschaft biete steuerliche Vorteile. Sie könne steuerlich wirksame Pensionsrückstellungen für ihre Angestellten und Geschäftsführer bilden und auf diese Weise eine angemessene Altersversorgung der Partner steuerlich günstig sicherstellen.
Von besonderer Bedeutung sei, dass die Rechtsanwälte nur dann, wenn sie sich auch in Form einer Kapitalgesellschaft organisieren könnten, in der Lage seien, mit den entsprechenden Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften zu konkurrieren und gleichgewichtig zu kooperieren, so dass auf diese Weise der Beratungsbedarf der Wirtschaftsunternehmen und der Bürger durch anwaltlichen Rat statt durch nichtjuristischen Rat gedeckt werde.
Gegen die Einführung der Rechtsanwaltsgesellschaft werden etwa folgende Einwände vorgebracht:
Die Rechtsanwaltgesellschaft könne berufspolitisch als unerwünscht angesehen werden, da sie dem Wesen des Anwaltsberufes zu widersprechen scheine. Die Rechtsform der Kapitalgesellschaft werde derjenigen eines Gewerbebetriebes gleichgesetzt. Die Tätigkeit als Angestellter oder Geschäftsführer einer Rechtsanwaltsgesellschaft scheine der Unabhängigkeit und
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Eigenverantwortlichkeit der anwaltlichen Tätigkeit zu widersprechen.
Die Zulassung der Kapitalgesellschaft zur Rechtsberatung erwecke die - teilweise sehr emotional geäusserte - Furcht, die Rechtsanwaltsgesellschaft erlaube den Einfluss von fremdem Kapital in den Rechtsanwaltsberuf und damit die Fremdbestimmung von Anwaltssozietäten. Die bisherige Sozietät in Form der Gesellschaft bürgerlichen Rechts habe in der Regel keines grösseren Kapitals bedurft. Da die Gesellschaftsverträge jedoch nicht offengelegt würden, bestehe keine Kontrolle darüber, ob auch Nicht-Rechtsanwälte mit möglicherweise erheblichem Kapital an der Sozietät beteiligt seien.
Auch die Haftungsbeschränkung könnte als Argument gegen die Zulassung der Rechtsanwaltsgesellschaft gebraucht werden, da sie dem Prinzip der eigenverantwortlichen Tätigkeit des Anwalts zu widersprechen scheine.
LR-Systematik
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LGBl-Nummern
1993 / 041
Landtagssitzungen
09. Dezember 1992