Berichte und Anträge
Regierungskanzlei (RK)
BuA - Nummer
1993 / 31
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Ein­lei­tung
1.Grund­sätz­liche Überlegungen
2.Beant­wor­tung der auf­ge­wor­fenen Fragen
3.Anmer­kungen zu den ein­zelnen Paragraphen
Zu § 63 Abs. 3
Zu § 64 Abs. 3
Zu § 71
Blauer Teil
 
Stellungnahme der Regierung an den Landtag
zu den in der 1. Lesung der Regierungsvorlage zum Gesetz über die Abänderung der Zivilprozessordnung (Verfahrenshilfe) aufgeworfenen Fragen
 
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Vaduz, 7. September 1993
P
Sehr geehrter Herr Landtagspräsident,
Sehr geehrte Frau Abgeordnete,
Sehr geehrte Herren Abgeordnete,
In der Landtagssitzung vom 24. Juni 1993 wurden anlässlich der 1. Lesung des Gesetzes über die Abänderung der Zivilprozessordnung (Verfahrenshilfe) verschiedene Fragen aufgeworfen und Anregungen gemacht, die einer näheren Prüfung unterzogen worden sind. Die Regierung unterbreitet dem Landtag nachstehend eine Stellungnahme, die sich einerseits mit den grundsätzlich gemachten Anregungen befasst, andererseits eine Kommentierung zu den vorgeschlagenen Änderungen vornimmt und diese Änderungen im Wortlaut wiedergibt.
1.Grundsätzliche Überlegungen
Zu den grundsätzlichen Elementen eines Verfahrenshilfegesetzes gehört insbesondere eine klare Umschreibung des berechtigten Personenkreises, welcher in den Genuss einer unentgeltlichen Verfahrenshilfe kommen soll. Des weiteren bedarf es einer klaren Feststellung, ob und wieweit Rechtsanwälte oder aber auch Gerichtspraktikanten als Verfahrenshelfer beigezogen werden können oder sollen.
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Bei der vorliegenden Verfahrenshilfe geht es um Zivilverfahren. Im Zusammenhang mit Adhäsionsverfahren muss daher die EMRK berücksichtigt werden. Eine Einschränkung der Aktivlegitimation zur Beantragung der Verfahrenshilfe gemäss § 63 Abs. 3 der Regierungsvorlage (sei dies nun auf der Basis von Staatsverträgen oder gestützt auf Gegenrecht) erscheint aus der Sicht der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) nicht unbedenklich. Art. 6 Abs. 3 Bst. c der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950, LGBl. 1982 Nr. 60, lautet:
"Jeder Angeklagte hat mindestens (englischer Text) insbesondere (französischer Text) die folgenden Rechte:
...........
c) sich selbst zu verteidigen oder den Beistand eines Verteidigers seiner Wahl zu erhalten und, falls er nicht über die Mittel zur Bezahlung eines Verteidigers verfügt, unentgeltlich den Beistand eines Pflichtverteidigers zu erhalten, wenn dies im Interesse der Rechtspflege erforderlich ist;
...........
e) die unentgeltliche Beiziehung eines Dolmetschers zu verlangen, wenn der Angeklagte die Verhandlungsprache des Gerichts nicht versteht oder sich nicht darin ausdrücken kann."
Nach den Bestimmungen der EMRK könnte somit ein Anspruch auf unentgeltliche Verfahrenshilfe nur in all denjenigen Strafrechts- bzw. Adhäsionsverfahren
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verneint werden, wo die Gewährung von Verfahrenshilfe im Interesse der Rechtspflege nicht erforderlich ist.
Nicht so eindeutig lässt sich die Frage beantworten, ob ausschliesslich voll ausgebildete und praxiserfahrene Rechtsanwälte oder aber auch noch in der Ausbildung stehende Gerichtspraktikanten als Verfahrenshelfer bestellt werden dürfen. Zur Beantwortung dieser Frage bedarf es einer eingehenden Abwägung der Interessen des Verfahrenshilfeberechtigten und einer Wertung der in Frage stehenden Rechtsgüter einerseits sowie einer Bemessung der Interessen der noch in Ausbildung stehenden und auf eine möglichst praxisorientierte Berufsvorbereitung angewiesenen Gerichtspraktikanten andererseits. Wenn den Gerichtspraktikanten, welche die Rechtsanwälte von morgen sein werden, keinerlei Möglichkeit mehr gegeben wird, während ihrer Praktikumszeit beim Landgericht ein Mandat zu übernehmen, wird sich das Praktikum beim Landgericht auf ein blosses Zuschauen beschränken. Man darf sich in diesem Zusammenhang fragen, ob dies zielführend ist.
LR-Systematik
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LGBl-Nummern
1994 / 010