Berichte und Anträge
Regierungskanzlei (RK)
BuA - Nummer
1994 / 100
Zurück Druckansicht Dokument als PDF Navigation anzeigen
Ein­lei­tung
1.Erläu­te­rungen
1.1 Art. 3 (Umset­zung mit Verordnung)
1.2 Art. 5 (EWR-Rechtssammlung)
2.Ände­rungs­vor­schläge
Art. 4 Abs. 3 Grundsatz
Art. 5 Abs. 2 und 3 EWR-Rechtssammlung
 
Stellungnahme der Regierung an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein
zu den in der ersten Lesung des Gesetzes über die Umsetzung und Kundmachung der EWR- Rechtsvorschriften aufgeworfenen Fragen
 
1
Vaduz, den 16. November 1994
P
Sehr geehrter Herr Landtagspräsident,
Sehr geehrte Frauen und Herren Abgeordnete,
Die Regierung gestattet sich, dem Hohen Landtag nachstehende Stellungnahme zu den in der ersten Lesung des Gesetzes über die Umsetzung und Kundmachung der EWR-Rechtsvorschriften aufgeworfenen Fragen zu unterbreiten.
1.1 Art. 3 (Umsetzung mit Verordnung)
Zu Art. 3 ist eine mögliche Unvereinbarkeit mit Art. 92 Abs. 1 LV vorgebracht worden. Diese Frage, die auch im EWR-Ausschuss des Landtages zur Sprache gekommen ist, hatte die Regierung schon vor diesem Zeitpunkt zu einer Untersuchung der Rechts- und Verfassungslage veranlasst. Das Ergebnis dieser Untersuchungen bestand darin, dass die Regierung zum Erlass von Durchführungsverordnungen zu Staatsverträgen de lege constitutione befugt ist. Auch wenn sie sich aus dem Wortlaut von Art. 92 Abs. 1 LV nicht ohne weiteres ableiten lässt, steht diese Befugnis der Regierung aufgrund der Rechtssprechung des Staatsgerichts- als Verfassungsgerichtshofes und damit von Verfassungswegen zu (siehe insbesondere die im Bericht und Antrag Nr. 71/1994 bereits erwähnten Erkenntnisse StGH 1972/1, StGH 1981/18 und StGH 1985/1). Dieser Rechtsprechung ist von der Lehre - soweit ersichtlich - ohne Ausnahme gefolgt worden. Über die Befugnis der Regierung, auf der Grundlage und im Rahmen von
2
Staatsverträgen Durchführungsverordnungen zu erlassen, kann damit kein Zweifel mehr bestehen.
Trotz dieser unumstrittenen Rechts- und Verfassungslage weist die Regierung auf zwei zusätzliche Umstände hin, die sie in ihrer Auffassung bekräftigen.
Zum ersten hat die Regierung in der Vergangenheit in mehreren Fällen Verordnungen gestützt auf Bundesgesetze erlassen, die in Liechtenstein aufgrund von Art. 4 des Zollvertrages vom 29. März 1923 (ZV) Anwendung finden (siehe etwa die Landesgesetzblätter 1942 Nr. 11 oder 1990 Nr. 61). Diese Bundesgesetze sind ebenso wenig "Gesetze" im Sinne von Art. 92 Abs. 1 LV wie Staatsverträge im Sinne von Art. 8 Abs. 2 LV. Bei einer strengen Auslegung von Art. 92 Abs. 1 LV, der (nur) von den "zur Durchführung der Gesetze erforderlichen Verordnungen" spricht, könnten sie als gesetzliche Grundlage für Durchführungsverordnungen damit (an sich) nicht dienen. Die Praxis, Durchführungsverordnungen nicht nur auf Gesetze im Sinne von Art. 65 Abs. 1 LV, sondern auch gestützt auf Bundesgesetze zu erlassen, die in Liechtenstein aufgrund von Art. 4 ZV Anwendung finden, ist in der Vergangenheit - so weit ersichtlich - jedoch nie umstritten gewesen, obwohl sie dieselbe Problematik birgt wie Durchführungsverordnungen zu Staatsverträgen.
Zum zweiten hat die Regierung insbesondere in ihrem Bericht und Antrag vom 19. Oktober 1994 zu einem Gesetz über die Abänderung des Heilmittelgesetzes, Nr. 76/1994, S. 8f, hervorgehoben, dass es bei Durchführungsverordnungen, die gestützt auf das Abkommen vom 2. Mai 1992 über den Europäischen Wirtschaftsraum erlassen werden, nicht um blosse Durchführungsverordnungen zu einem Staatsvertrag geht. Solche Durchführungsverordnungen haben vielmehr nichts anderes zum Zweck als eine Umsetzung von Richtlinien im Sinne von Art. 7 EWRA. Richtlinien im Sinne von Art. 7 EWRA sind für die EWRA-Mitgliedstaaten in ihrem Ziel verbindlich, überlassen diesen jedoch die Wahl von Form und Mittel hierzu. Sie nähern sich damit Rahmengesetzen an, die (auch) als gesetzliche Grundlage von Durchführungsverordnungen unumstritten sind. Die in Art. 3 vorgesehenen Durchführungsverordnungen werden also nur formell auf der Grundlage des EWRA, materiell jedoch auf der gesetzesähnlichen Grundlage
3
von Richtlinien im Sinne von Art. 7 EWRA erlassen. Damit wird dem Gesetzesvorbehalt, einem der Hauptanliegen von Art. 92 Abs. 1 LV, Genüge getan, sodass die Verfassungsmässigkeit sowohl von Art. 3 als auch der gestützt auf diesen Artikel erlassenen Durchführungsverordnungen gegeben ist.
Diese beiden zusätzlichen Gründe bestätigen die Auffassung, dass Durchführungsverordnungen zum EWRA ohne weiteres zulässig sind. Solche Durchführungsverordnungen sind sowohl durch den Sinn und Zweck als auch durch eine massvolle und - soweit ersichtlich - inzwischen nahezu unumstrittene Auslegung von Art. 92 Abs. 1 LV gedeckt.