Bericht und Antrag der Regierung an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein
betreffend die Teilrevision des Schulgesetzes
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Vaduz, den 1. Februar 1994
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Sehr geehrter Herr Landtagspräsident
Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete
Die Regierung gestattet sich, dem Hohen Landtag nachstehenden Bericht und Antrag zur Teilrevision des Schulgesetzes vom 15. Dezember 1971 zu unterbreiten.
Das liechtensteinische Bildungswesen hat sich seit dem Inkrafttreten des geltenden Schulgesetzes im Jahre 1972 dynamisch weiterentwickelt. Neue Bildungsangebote wurden geschaffen und vorhandene Angebote veränderten Ansprüchen angepasst. Dies gilt nicht nur für die tertiäre Stufe mit der zur Fachhochschule aufgewerteten Liechtensteinischen Ingenieurschule und den beiden im Jahr 1986 neu geschaffenen Hochschulinstituten "Liechtenstein-Institut" und "Internationalen Akademie für Philosophie", sondern auch für die der tertiären Stufe vorgelagerten Stufen von der Primar- bis zur Mittelschule.
Während es in den Siebzigerjahren vor allem darum ging, die Reformen, welche das Schulgesetz vom 15. Dezember 1971 vorsah, in die Tat umzusetzen (Errichtung neuer Schultypen, Verlängerung der Schulpflicht auf neun Jahre, Reorganisation der Schulbehördenstruktur etc.), wurde durch die von der
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Regierung im Jahre 1984 herausgegebenen Broschüre "Schule wohin ?" eine breit angelegte Diskussion zu Fragen der Schulreform ausgelöst. Deren Ergebnisse wurden im Jahr 1987 von der "Leitideenkommission" in einem Bericht mit dem Titel "Schule wohin ? Zweiter Teil - Leitideen für das liechtensteinische Schulwesen" zusammengefasst und interessierten Kreisen zur Stellungnahme zugestellt. Das Ergebnis dieser zweiten Vernehmlassung zeigte, dass die von der Kommission angestrebten Reformen nicht ohne Gesetzesänderungen realisiert werden können.
In der Folge wurde ein Entwurf zur Revision des Schulgesetzes erarbeitet, welcher zusammengefasst im wesentlichen folgende Neuerungen vorsah: Einführung einer neuen Schulstruktur, Zulassung verschiedener Formen der Schülerbeurteilung, Einrichtung von besonderen schulischen Massnahmen zur Förderung der schulischen Integration, Einrichtung neuer Schultypen, Stärkung der Zusammenarbeit zwischen Schule und Elternhaus, Reorganisation der Behördenstruktur sowie Neufassung veralteter pädagogischer Bezeichnungen.
Der Gesetzesentwurf wurde von der Regierung im November 1989 in die Vernehmlassung gegeben. Zum Entwurf äusserten sich die Gemeindevorstehungen, einzelne Gemeindeschulräte, die Schulen, die Lehrerverbände, verschiedene Elternvereinigungen, der Liechtensteinische Bankenverband, die Liechtensteinische Industrie- und Handelskammer, die Gewerbe- und Wirtschaftskammer für das Fürstentum Liechtenstein, die Freie Liste sowie das Dekanat Liechtenstein.
In den verschiedenen Stellungnahmen ergab sich keine eindeutige Unterstützung für die vorgeschlagene Schulstruktur. Dies veranlasste die Regierung im Februar 1992, eine Kommission, bestehend aus Vertretungen des Schulamtes und aller Schularten, zur Erarbeitung eines konsensfähigen Strukturmodells für die Sekundarstufe 1 einzusetzen. Diese Kommission ist gegenwärtig an der Arbeit und wird der Regierung einen Bericht über ihre Arbeit vorlegen.
Im Gegensatz zur Frage der Strukturänderung sind verschiedene, von der Strukturfrage unabhängige Neuerungen, in der Vernehmlassung zur Revision des Schulgesetzes überwiegend begrüsst worden: Zustimmung fanden die Zulassung verschiedener Formen der Schülerbeurteilung und die Einrichtung von besonderen schulischen Massnahmen, insbesondere die Einführung eines integrativen
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Ergänzungsunterrichts anstelle der separierenden Hilfsschule. Begrüsst wurde auch die Institutionalisierung des Freiwilligen 10. Schuljahres.
Da diese Revisionsvorhaben eicht nur in der Vernehmlassung unbestritten blieben, sondern sich auch in mehrjährigen Schulversuchen praktisch bewährt haben, hat die Regierung darauf verzichtet, nochmals eine breit angelegte Vernehmlassung durchzuführen. Stattdessen sind die Bildungsausschüsse der im Landtag vertretenen Parteien, die Gemeindeschulräte sowie der Verein für heilpädagogische Hilfe in Liechtenstein zur Stellungnahme eingeladen worden. Auf Initiative betroffener Eitere war nach der ersten Vernehmlassung die Integration behinderter Kinder im Regelschulwesen in den Gesetzesentwurf aufgenommen worden. Nach Ablauf der Vernehmlassungsfrist liegen Stellungnahmen der Gemeindeschulräte Balzers, Triesenberg, Triesen, Schaan, Planken und Mauren sowie des Vereins für heilpädagogische Hilfe in Liechtenstein vor. Aus eigener Initiative hat auch der Liechtensteiner Primarlehrerinnen- und Primarlehrerverein eine Stellungnahme abgegeben.
Sämtliche stellungnehmenden Gemeindeschulräte begrüssen den vorgelegten Gesetzesentwurf. Auf die Stellungnahme des Vereins für heilpädagogische Hilfe in Liechtenstein wird unter Ziffer 2.2.4. weiter hinten eingegangen. Auch der Primarlehrerverein unterstützt die Reformvorhaben vollumfänglich.
Aufgrund dieser Vernehmlassungsergebnisse vertritt die Regierung die Auffassung, dass die Zeit nunmehr reif ist, für diese Reformschritte die notwendige gesetzliche Grundlage zu schaffen.