Berichte und Anträge
Regierungskanzlei (RK)
BuA - Nummer
1994 / 80
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Ein­lei­tung
1.All­ge­meines
1.1.Gründe und Schwer­punkte der Regierungsvorlage
1.2.Vor­be­rei­tung der Regierungsvorlage
2.Erläu­te­rungen zur Regierungsvorlage
Art. 1 (Zweck)
Art. 2 (Gel­tungs­be­reich)
Art. 3 (Begriffe)
Art. 4 (Grund­satz)
Art. 5 (Grund­le­gende Anfor­de­rungen)
Art. 6 (Erfül­lung der grund­le­genden Anfor­de­rungen)
Art. 7 (Kon­for­mi­täts­be­wer­tung)
Art. 8 (Auss­tellen und Vor­führen)
Art. 9 (Regie­rung)
Art. 10 (Nach­träg­liche Kon­trolle)
Art. 11 (Kom­mis­sion für tech­ni­sche Ein­rich­tungen und Geräte)
Art. 12 (Aus­kunfts­pflicht)
Art. 13 (Amts­ge­heimnis)
Art. 14 (Gebühren)
Art. 15 (Ver­fü­gungen)
Art. 16 (Rechts­mittel)
Art. 17 (Fäl­schung von Beschei­ni­gungen)
Art. 18 (Benut­zung ge- oder ver­fälschter oder unwahrer Beschei­ni­gungen)
Art. 19 (Wider­recht­li­ches Inver­kehr­bringen)
Art. 20 (Umge­hungs­ver­kehr)
Art. 21 (Aus­län­di­sche Urkunden)
Art. 22 (Ver­wal­tungs­wi­der­hand­lungen)
Art. 23 (Verant­wort­lich­keit)
Art. 24 (Ein­zie­hung)
Art. 25 (Anwend­bares Recht)
Art. 26 (Durch­füh­rungs­ver­ord­nungen)
Art. 27 (Inkraft­treten)
3.Ver­fas­sungs­mäs­sig­keit
4.Finan­zi­elle und per­so­nelle Auswirkungen
5.Antrag
Regie­rungs­vor­lage
 
Bericht und Antrag der Regierung an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein
zu einem Gesetz über die Sicherheit von technischen Einrichtungen und Geräten
 
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Vaduz, den 21. Oktober 1994
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Sehr geehrter Herr Landtagspräsident
sehr geehrte Frauen und Herren Landtagsabgeordnete
Die Regierung beehrt sich, dem Hohen Landtag nachstehenden Bericht und Antrag zu einem Gesetz über die Sicherheit von technischen Einrichtungen und Geräten zu unterbreiten.
1.1.Gründe und Schwerpunkte der Regierungsvorlage
Die Gründe und Schwerpunkte der Regierungsvorlage zu einem Gesetz über die Sicherheit von technischen Einrichtungen und Geräten (nachstehend "STEG" genannt) ergeben sich daraus, dass Liechtenstein mit der Teilnahme am EWR ein eigenes Gesetz zu erlassen hat. Die Regierungsvorlage lehnt sich an das Bundesgesetz vom 19. März 1976 über die Sicherheit von technischen Einrichtungen und Geräten (nachstehend "schweizerisches STEG" genannt) an.
Der Gesetzesentwurf enthält Regelungen über die nachträgliche Kontrolle technischer Einrichtungen und Geräte (repressiver Teil) als auch Regelungen über die Herstellung (präventiver Teil). Für Liechtenstein ist der repressive Teil weit weniger von Bedeutung als der präventive. So sollen insbesondere mit dem Kapitel über die Voraussetzungen für das Inverkehrbringen von technischen Einrichtungen und Geräten die gesetzlichen Grundlagen geschaffen werden, um jene EG-Richtlinien, die unter anderem der Technik der sogenann-
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ten "Neuen" bzw. "Globalen Konzeption" folgen, in Liechtenstein umsetzen zu können.
Um den Freien Warenverkehr zu gewährleisten, verfolgt die Europäische Union (EU) seit geraumer Zeit eine Politik der Beseitigung technischer Handelshemmnisse. Kernpunkt dieser Politik ist die EU-weite Harmonisierung (d.h. Angleichung) der technischen Vorschriften und Normen sowie der Konformitätsbewertungsverfahren und Konformitätsnachweise. Die Grundsätze hierfür sind von der EG in einer Entschliessung vom 7. Mai 1985 über eine Neue Konzeption auf dem Gebiet der technischen Harmonisierung und der Normung skizziert worden.
Nach Massgabe der Neuen Konzeption sind von der EG bis heute rund 15 Harmonisierungsrichtlinien erlassen worden, die im Anhang II EWRA aufgeführt werden und damit EWR-Rechtsvorschriften bilden. Diese Rechtsakte beschränken sich auf eine Bezeichnung und Umschreibung der grundlegenden Anforderungen, denen technische Einrichtungen und Geräte aus Gründen der Sicherheit oder des Gesundheits-, Umwelt- oder Verbraucherschutzes zu genügen haben. Zur Konkretisierung dieser grundlegenden Anforderungen wird auf technische Normen verwiesen, die - im Auftrag der Kommission der Europäischen Gemeinschaften und gegebenenfalls auch der EFTA-Staaten - von Fachorganisationen auf nationaler oder internationaler Ebene ausgearbeitet werden. Diese Fachorganisationen sind insbesondere das "Comite Européen de Normalisation (CEN)", das "Comite Européen de Normalisation Electronique (CENELEC)" sowie das "European Telecommunications Standardization Institute (ETSI)". Von technischen Einrichtungen und Geräten, die in Übereinstimmung mit den verwiesenen technischen Normen hergestellt worden sind, wird von Rechts wegen vermutet, dass sie den grundlegenden Anforderungen entsprechen. Dies ist der entscheidende Ansatz der Neuen bzw. Globalen Konzeption.
Um neuen Technologien den Marktzugang nicht zu versperren, ist die Anwendung der technischen Normen nach wie vor freiwillig. Damit soll die Möglichkeit erhalten bleiben, dass technische Einrichtungen und Geräte in den EU- bzw. EWRA-Mitgliedstaaten nach anderen oder nach überhaupt keinen techni-
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schen Normen hergestellt werden können. Werden technische Einrichtungen und Geräte nach überhaupt keinen technischen Normen hergestellt, findet eine Umkehr der Beweislast statt: In diesen Fällen hat der Hersteller oder Händler nachzuweisen, dass die grundlegenden Anforderungen in anderer, aber gleichwertiger Weise erfüllt sind (Art. 6 Abs. 2 der Regierungsvorlage).
Im sogenannten nicht harmonisierten Bereich herrscht in der EU - und im EWR - eine ganz andere Rechtslage (als nicht harmonisierter Bereich wird jener Bereich verstanden, in dem in der EU bzw. im EWR noch keine Harmonisierungsrichtlinie ergangen ist). Im nicht harmonisierten Bereich richtet sich der Freie Warenverkehr im Sinne der Art. 8 ff EWRA nach dem sogenannten Cassis-de-Dijon-Prinzip. Dieser Grundsatz, der aus einem in den EWR übernommenen Urteil des EuGH beruht, geht davon aus, dass unterschiedliche nationale Produktevorschriften als (mögliche) technische Handelshemmnisse unter Art. 11 EWRA fallen und damit (verbotene) Massnahmen gleicher Wirkung wie mengenmässige Einfuhrbeschränkungen sein können. Vereinfacht ausgedrückt besteht das Cassis-de-Dijon-Prinzip darin, dass Waren, die in einem EU- bzw. EWRA-Mitgliedstaat rechtmässig hergestellt und in Verkehr gebracht worden sind, in jedem anderen EU- bzw. EWRA-Mitgliedstaat frei vermarktet werden können. Einfuhrbeschränkungen lassen sich unter dem Cassis-de-Dijon-Prinzip nur noch aufrechterhalten, wenn sie auf bestimmten zwingenden Erfordernissen (Umweltschutz, Verbraucherschutz etc.) beruhen.
Dieser Rechtslage entsprechend besteht ein Ansatzpunkt der Regierungsvorlage darin, das Modell der Neuen bzw. Globalen Konzeption vom harmonisierten Bereich auf den nicht harmonisierten Bereich zu übertragen (Art. 5 Abs. 2 der Regierungsvorlage). So kann gewährleistet werden, dass technische Einrichtungen und Geräte liechtensteinischer Produktion, die die von der Regierung mit Verordnung bestimmten technischen Normen und damit die grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsanforderungen des Gesetzes (STEG) erfüllen, im EWR frei vermarktet werden können. Eine unterschiedliche Behandlung des harmonisierten und des nicht harmonisierten Bereichs wäre zudem nicht praktikabel.
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Eine EU- bzw. EWR-weite Harmonisierung der grundlegenden Anforderungen an die Sicherheit von technischen Einrichtungen und Geräten genügt indes nicht. Auch die Unterschiedlichkeit nationaler Konformitätsbewertungsverfahren, die die Übereinstimmung technischer Einrichtungen und Geräte mit den grundlegenden Anforderungen (= die sogenannte "Konformität") zum Gegenstand haben, können sich handelshemmend auswirken. Aus diesem Grunde hat die EU die Neue Konzeption durch die sogenannte Globale Konzeption vervollständigt. Ziel dieser Anstrengungen ist es, die gegenseitige Anerkennung von Konformitätsverfahren und Konformitätsnachweisen zu gewährleisten (Entschliessung des Rates vom 21. Dezember 1989 zu einem Gesamtkonzept für die Konformitätsbewertung sowie den Beschluss des Rates vom 22. Juli 1993 über die in den technischen Harmonisierungsrichtlinien zu verwendenden Module für die verschiedenen Phasen der Konformitätsbewertungsverfahren und die Regeln für die Anbringung und Verwendung der CE-Konformitätskennzeichnung).
Wie die Regierung in ihrem Bericht und Antrag vom 14. Oktober 1994 zu einem Gesetz über die Umsetzung und Kundmachung der EWR-Rechtsvorschriften, Nr. 71/1994, S. 6, hervorgehoben hat, betrifft das schweizerische STEG den Geltungsbereich mehrerer Harmonisierungsrichtlinien der Neuen bzw. Globalen Konzeption. Dieser Umstand macht es erforderlich, die Voraussetzungen für den Erlass eines Gesetzes über die Sicherheit von technischen Einrichtungen und Geräten in Liechtenstein aufzuzeigen. Das schweizerische STEG findet in Liechtenstein keine Anwendung.
Nicht jede Regelung von technischen Vorschriften oder Normen bzw. von produktbezogenen Standards (Produktestandards) muss von vornherein dem Zollvertragsrecht angehören. Heute können mindestens drei Fälle genannt werden, in denen Produktestandards in Liechtenstein nicht in Form des Zollvertragsrechts Anwendung finden, sondern als autonome Rechtsvorschriften (also als liechtensteinische Gesetze oder Verordnungen. Siehe insbesondere das Strassenverkehrsrecht, sofern der Bau und die Ausrüstung der Strassenfahrzeuge betroffen ist; StGH 1977/10, LES 1980/81, S. 57f, oder die sogenannten Niederspannungserzeugnisse; Art. 3 der Verordnung vom 10. November 1987 über elektrische Niederspannungsinstallationen, LGBl. 1987 Nr. 58).
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Die Bundesgesetzgebung findet in Liechtenstein immer dann keine Anwendung, wenn sie z.B. Ziele des Verbraucherschutzes oder - wie dies beim schweizerischen STEG in besonderem Masse der Fall ist - Ziele der Unfallbekämpfung verfolgt.
Um seinen Verpflichtungen aus dem EWR-Warenverkehrsrecht nachkommen zu können, muss sich Liechtenstein auf gesicherte gesetzliche Grundlagen berufen können. So setzt die gleichberechtigte Teilnahme liechtensteinischer Waren (technische Einrichtungen und Geräte) am Freien Warenverkehr insbesondere die Möglichkeit einer Durchführung von Konformitätsbewertungsverfahren in Liechtenstein voraus, deren Ergebnisse von den EWRA-Mitgliedstaaten anerkannt werden können. Diese Möglichkeit bedingt den Erlass einer gesetzlichen Grundlage (= STEG) für die Regelung von Konformitätsbewertungsverfahren.
LR-Systematik
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81
819
LGBl-Nummern
1995 / 100
Landtagssitzungen
22. März 1995
15. Dezember 1994