Regierung des Fürstentums Liechtenstein Bericht und Antrag der Regierung an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein
betreffend das Abkommen zwischen dem Fürstentum Liechtenstein und der Republik Österreich über die Gegenseitige Hilfeleistung bei Katastrophen oder schweren Unglücksfällen vom 23. September 1994
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Vaduz, den 25. April 1995
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Sehr geehrter Herr Landtagspräsident
sehr geehrte Frauen und Herren Abgeordnete
Die Regierung gestattet sich, Ihnen nachstehend den Bericht und Antrag betreffend das Abkommen zwischen dem Fürstentum Liechtenstein und der Republik Österreich über die gegenseitige Hilfeleistung bei Katastrophen oder schweren Unglücksfällen vom 23. September 1994 zu unterbreiten.
Unglücksfälle (z.B. Brände von Wohnhäusern, "normale" Verkehrsunfälle, usw.) können in der Regel durch die betroffene Gemeinschaft und deren Organisationen mit eigenem Personal und eigenen Mitteln, teilweise auch unter Einbezug der Hilfe von benachbarten Gemeinschaften, bewältigt werden.
Gross-Schadenfälle brauchen oft die Einsatzkräfte und Einsatzmittel einer ganzen Region, evtl. verstärkt durch Spezialisten (z.B. Wald- oder Grossbrände, Chemieunfälle, Hauseinstürze, Stürme, usw.). Die eigenen zur Verfügung stehenden Mittel sind dann oftmals nicht mehr ausreichend.
Bei Katastrophen ist die betroffene Gemeinschaft überfordert. Bereits notwendige Sofortmassnahmen sind ohne Hilfe von aussen nur noch bedingt durchführbar, weil die dafür notwendige Infrastruktur nicht oder nicht mehr vorhanden ist und erst geschaffen werden muss.
Keine Gemeinschaft oder Organisation kann mit vertretbaren, vernünftigen Kosten alle möglichen Einsätze bei Unfällen, Gross-Schadenfällen oder gar Katastrophen mit eigenem Personal und eigenen Mitteln abdecken. Auch eine gute örtliche und regionale Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Organisationen ist kaum ausreichend, um die Folgen eines solchen Schadenfalles zu bewältigen.
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Die gegenseitige Hilfe (Nachbarschaftshilfe) bei Unglücksfällen und Katastrophen ist deshalb innerhalb Liechtensteins und im Nahbereich auch grenzüberschreitend bereits seit langem selbstverständlich. Für alle Rettungs- und Hilfsorganisationen (Ambulanzen/Notarzt, Feuerwehr, Bergrettung, Hundeführer, Samariter, usw.) ist die Hilfe wichtiger als der Ort des Ereignisses.
Das Personal der Grenzwacht ist in solchen Fällen ausserordentlich kooperativ. Es ergaben sich bislang für grenzüberschreitende Hilfeleistungen keine Schwierigkeiten, sofern die Grenzwacht durch die eingesetzten Hilfskräfte entsprechend informiert wurde.
Es ist aus praktischen Überlegungen allen Organisationen möglich, ihr eigenes Material für die Nachbarschaftshilfe mitzunehmen. Sie haben mit diesem Material geübt und können es ohne Probleme handhaben, was mit fremdem Material nicht immer der Fall ist. Bestehende Kommandostrukturen werden bei allen Einsätzen nach Möglichkeit beibehalten, um sprachlichen Missverständnissen vorzubeugen.
Grundsätzlich ist Nachbarschaftshilfe für die betroffene Gemeinde kostenlos, sofern es sich um die Bewältigung eines Unfalls und nicht um Aufräumarbeiten oder um spezielle Aufträge handelt. In den meisten Fällen werden die Kosten von einer Versicherung getragen. Die Kosten für die Einsätze der Stützpunktfeuerwehr bilden in Liechtenstein eine Ausnahme. Diese sind nämlich von der Einsatzgemeinde zu tragen, wobei verbrauchtes und zu ersetzendes Einsatzmaterial in Rechnung gestellt wird.
Die dargestellte Nachbarschaftshilfe hat sich bislang auch ohne entsprechendes Abkommen bewährt. Es kann aber nur von Vorteil sein, wenn die zwischenstaatliche Hilfe bei Katastrophen oder schweren Unglücksfällen über ein zwischenstaatliches Abkommen als geregelt angesehen werden kann: Bürokratische Vorgehensweisen, welche für die Soforthilfe zu unnötigen Verzögerungen führen, werden dabei vermieden. Das vorliegende Abkommen regelt die gegenseitige Hilfeleistung zwischen Liechtenstein und Österreich bei Katastrophen oder schweren Unfällen, die die Mittel der liechtensteinischen Organisationen bei weitem überfordern würde und auch über die übliche Nachbarschaftshilfe hinausginge.
Das Abkommen regelt, dass jede Hilfe grundsätzlich freiwillig ist und kein Hilfszwang besteht. Die innerstaatlichen Rechtsträger entscheiden im konkreten Fall, ob eine Hilfeleistung erfolgt oder nicht. Eine bewilligte Hilfe kann in personeller, materieller oder finanzieller Art geleistet werden. Im weiteren wird festgelegt, welche Stellen (Behörden oder Regierungsstellen) in einem Ernstfall zu kontaktieren sind.
Das Abkommen wurde am 13. Mai 1992 in Vaduz paraphiert und am 23. September 1994 in Wien unterzeichnet.