Stellungnahme der Regierung an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein
zu den anlässlich der 1. Lesung der Gesetzesvorlage über die Abänderung des Grundverkehrsgesetzes aufgeworfenen Fragen
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Vaduz, 2. Januar 1996
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Sehr geehrter Herr Landtagspräsident
Sehr geehrte Frauen und Herren Abgeordnete
Die Regierung gestattet sich, dem Hohen Landtag nachstehende Stellungnahme zu den anlässlich der 1. Lesung der Gesetzesvorlage über die Abänderung des Grundverkehrsgesetzes in der Landtagssitzung vom 13./14. September 1995 aufgeworfenen Fragen zu unterbreiten.
Anlässlich der 1. Lesung der Gesetzesvorlage zur Abänderung des Grundverkehrsgesetzes wurden von den Abgeordneten verschiedene Fragen grundsätzlicher Natur sowie Fragen zu einzelnen Gesetzesartikeln aufgeworfen. Fragen grundsätzlicher Natur betrafen insbesondere das berechtigte Interesse von Personalfürsorgeeinrichtungen und anderen Institutionen (insbesondere der AHV) zum Erwerb von Grundstücken sowie Fragen betreffend die Einräumung eines gesetzlichen Pfandrechtes zugunsten des Staates in Zusammenhang mit der Grundstücksgewinnsteuer.
Berechtigtes Interesse der AHV-Anstalt zum Erwerb von Grundstücken
Gemäss Art. 4 Abs. 2 Bst. f des Grundverkehrsgesetzes vom 13. November 1974, LGBl. 1975 Nr. 5, war ein berechtigtes Interesse zum Erwerb von Grundstücken gegeben, wenn das zu erwerbende Grundstück ausschliesslich gemeinnützigen Zwecken oder Zwecken der Personalfürsorge dient und der Erwerber bzw. die betreffende Fürsorgeeinrichtung Steuerbefreiung geniesst. Das aus Grundstücken bestehende Vermögen einer Fürsorgeeinrichtung durfte gemäss dieser Bestimmung im Hinblick auf das Versicherungsrisiko ein der Zahl der versicherten Personen
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angemessenes Verhältnis nicht übersteigen. Aufgrund dieser Gesetzesbestimmung wurde der AHV-Anstalt ein berechtigtes Interesse am Erwerb von Grundstücken zugestanden.
Diese Bestimmung wurde mit Gesetz vom 24. Oktober 1991, LGBl. 1991 Nr. 2, dahingehend abgeändert, dass ein berechtigtes Interesse nur dann gegeben ist, wenn der Grunderwerb durch eine gemeinnützige juristische Person mit Sitz im Inland erfolgt, welche Steuerbefreiung geniesst und Zwecken des sozialen Wohnungsbaues dient. Seit Inkrafttreten dieser Gesetzesänderung ist die AHV-Anstalt gemäss eigenen Angaben auf kein Angebot zum Erwerb eines Grundstückes mehr eingetreten.
Anlässlich der 1. Lesung der vorliegenden Gesetzesvorlage im Landtag wurde die Frage aufgeworfen, inwieweit die erwähnte Gesetzesänderung zu einem Kaufverbot für die AHV-Anstalt zum Erwerb von inländischen Grundstücken als Vermögensanlage geführt habe und ob nicht wieder eine entsprechende Gesetzesbestimmung ins Gesetz aufgenommen werden sollte. Wie bereits erwähnt, ist die AHV-Anstalt seit dieser Gesetzesänderung auf kein Kaufangebot mehr eingetreten. Die AHV-Anstalt würde die Aufnahme einer entsprechenden Sonderbestimmung im Grundverkehrsgesetz begrüssen.
Es ist richtig, dass mit der zitierten Abänderung des Grundverkehrsgesetzes im Jahre 1991 beabsichtigt war, den Grunderwerb durch Fürsorgeeinrichtungen und damit auch durch die AHV-Anstalt zu beschränken. Allerdings wäre es in diesem Zusammenhang nicht richtig, von einem Grundstückskaufverbot für die AHV-Anstalt zu sprechen. Die AHV-Anstalt und die Personalfürsorgestiftungen haben auch aufgrund des heute geltenden Grundverkehrsgesetzes vom 9. Dezember 1992 die Möglichkeit, Grundstücke zu erwerben.
Zielsetzung des Grundverkehrsgesetzes ist es nach wie vor, Grund und Boden der Nutzung durch ihre Eigentümer zu erhalten und zuzuführen, um eine möglichst breite, sozial erträgliche und der Grösse des Landes entsprechende Streuung des Grundeigentums zu gewährleisten. Es soll somit mit dem Grundverkehrsgesetz verhindert werden, dass jemand unbeschränkt Grund und Boden erwerben kann. Personalfürsorgeeinrichtungen und die AHV-Anstalt haben allerdings aufgrund
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von Art. 6 Abs. 1 Bst. f des geltenden Grundverkehrsgesetzes nach wie vor die Möglichkeit, Grundstücke zu erwerben. Mit dem heute geltenden Grundverkehrsgesetz vom 9. Dezember 1992 wurde gegenüber dem Gesetz vom 24. Oktober 1991 der berechtigte Kreis zum Erwerb von Grundstücken für eine Überbauung mit Eigentums- oder Mietwohnungen auch auf andere inländische juristische Personen ausgedehnt. Gleichzeitig wurde auch für die juristischen Personen der Erwerb eines Grundstückes im Hinblick auf die Erstellung von gewerblichen Räumlichkeiten ermöglicht. Aufgrund von Art. 6 Abs. 1 Bst. f des Grundverkehrsgesetzes ist heute also auch für eine inländische juristische Person, wie etwa die AHV-Anstalt, ertragsorientierter Wohnungsbau bzw. der Bau von Gewerberäumlichkeiten und somit indirekt auch eine Sicherung des Anlagevermögens möglich. Eine Einschränkung stellt lediglich jene Bestimmung dar, wonach der Erwerber nicht Eigentümer eines baureifen Grundstückes sein darf Damit sollte eine zu lange Hortung von Boden verhindert werden. Sofern also die AHV-Anstalt über keinen baureifen Boden verfügt, ist es ihr aufgrund dieser Gesetzesbestimmung heute schon möglich, Grundstücke zu erwerben. Wenn bei einem Grundstück mit einer Ueberbauung begonnen wurde, wird dieses Grundstück gemäss Praxis als überbaut angesehen.
Aufgrund dieser Sachlage spricht sich die Regierung dagegen aus, Art. 6 dahingehend zu ändern, dass beispielsweise die Liechtensteinische Alters- und Hinterlassenenversicherung wieder unbeschränkt Boden erwerben kann. Dies würde, wie bereits erwähnt, dem Grundsatz des Grundverkehrsgesetzes widersprechen, wonach dieses "eine möglichst breite sozial erträgliche und der Grösse des Landes entsprechende Streuung des Grundeigentums zu gewährleisten hat".