Stellungnahme der Regierung an den Landtag
betreffend die Vorbehalte des Fürstentums Liechtenstein zum Europäischen Übereinkommen über die Rechtsstellung der unehelichen Kinder vom 15. Oktober 1975
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Vaduz, den 1. Oktober 1996
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Sehr geehrter Herr Landtagspräsident,
Sehr geehrte Frauen und Herren Abgeordnete
Die Regierung gestattet sich, dem Hohen Landtag nachstehende Stellungnahme betreffend die Vorbehalte des Fürstentums Liechtenstein zum Europäischen Übereinkommen über die Rechtsstellung der unehelichen Kinder vom 15. Oktober 1996 zu unterbreiten.
Mit Bericht und Antrag vom 25. Juni 1996 (Nr. 77/1996) hatte die Regierung dem Landtag die Zustimmung zum erwähnten Übereinkommen beantragt. Im dortigen Antrag, Seite 9 f., wurde folgende Formulierung aufgenommen:
"Aufgrund der bisherigen Ausführungen stellt die Regierung den Antrag, der Hohe Landtag wolle
a) dem Europäischen Übereinkommen über die Rechtsstellung der unehelichen Kinder vom 15. Oktober 1975;
b) der Anbringung eines Vorbehalts zu Artikel 4 des Übereinkommens mit folgendem Wortlaut:
"Die liechtensteinische Gesetzgebung, die den Widerspruch gegen die freiwillige Anerkennung durch eine Person, die biologisch der Vater ist, nicht ausschliesst, bleibt vorbehalten."
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c) der Anbringung eines Vorbehalts zu Artikel 9 des Übereinkommens mit folgendem Wortlaut:
"Die liechtensteinische Gesetzgebung, die ausserehelichen Kindern in bezug auf die Ansprüche der Ehegattin nicht dieselben Erbansprüche gewährt wie ehelichen Kindern, bleibt vorbehalten."
d) der Ermächtigung der Regierung, die Vorbehalte zu Artikel 4 und 9 des Übereinkommens zurückzunehmen, falls sie gegenstandslos werden,
seine Zustimmung erteilen."
Gemäss Regierungsbeschluss vom 17. September hatte die Regierung mit Hinblick auf die in der Aussenpolitischen Kommission des Landtags gemachten Anregungen die Inhaberin des Ressorts Äusseres beauftragt, dem Landtag in seiner Sitzung vom 19. September 1996 anlässlich der Behandlung des Übereinkommens einen zusätzlichen Vorbehalt mit folgendem Wortlaut zur Genehmigung zu unterbreiten:
Das Fürstentum Liechtenstein behält sich die Anwendung der Bestimmungen des Übereinkommens mit Hinblick auf Artikel 3 der Landesverfassung vor."
Aufgrund der in der Landtagssitzung vom 19. September 1996 erfolgten Diskussion zur Frage der Vorbehalte hat die Regierung diese nochmals überprüft. Sie ist zu folgendem Ergebnis gekommen:
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1. Der Vorbehalt zu Artikel 4 des Übereinkommens ist gemäss der Formulierung im Bericht und Antrag Nr. 77/1996 aus den dort auf Seite 4 f. dargelegten Gründen aufrechtzuerhalten. Dieser Vorbehalt wurde in der Landtagssitzung vom 19. September 1996 nicht zur Diskussion gestellt.
2. Der Vorbehalt zu Artikel 9 des Übereinkommens sollte im Sinne der Anregung aus dem Landtag im Vergleich zur Formulierung im Bericht und Antrag Nr. 77/1996 etwas enger gefasst werden, indem die Worte "in allen Fällen" eingefügt werden. Damit wird klargestellt, dass im Sinne der Ausführungen im Bericht und Antrag Nr. 77/1996 zu Artikel 9, Seite 6, kein genereller Vorbehalt zu Artikel 9 anzubringen ist.
Der neu vorgeschlagene Text des Vorbehalts zu Artikel 9 lautet damit wie folgt:
"Die liechtensteinische Gesetzgebung, die ausserehelichen Kindern in bezug auf die Ansprüche der Ehegattin nicht in allen Fällen dieselben Erbansprüche gewährt wie ehelichen Kindern, bleibt vorbehalten."
3. Bezüglich des oben erwähnten, in der Landtagssitzung vom 20. September 1996 von der Inhaberin des Ressorts Äusseres zusätzlich vorgeschlagenen Vorbehalts kommt die Regierung nach nochmaliger eingehender Überprüfung zur Auffassung, dass statt der Anbringung eines generellen Vorbehalts (wie oben formuliert) der Weg der Abgabe einer Erklärung gewählt werden sollte, wie dies auch das Vereinigte Königreich von Grossbritannien, das sich diesbezüglich in einer vergleichbaren Ausgangslage befindet, anlässlich der Ratifikation des Übereinkommens getan hatte. Die vorgeschlagene liechtensteinische Erklärung hat nicht den Charakter eines Vorbehalts und bedarf daher nicht der Zustimmung des Landtags.
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Die Regierung gestattet sich demnach, den Landtag dahingehend zu informieren, dass sie anlässlich der Hinterlegung der Ratifikationsurkunde folgende Erklärung abzugeben beabsichtigt:
"Das Fürstentum Liechtenstein hält fest, dass weder Artikel 9 noch Artikel 10 des Übereinkommens so auszulegen sind, als würden sie einem unehelichen Kind ein Thronfolgerecht oder ein Nutzniessungs- oder Erbrecht betreffend Sachen verleihen, die allein auf eine bestimmte Kategorie von Erben übertragbar sind."
Diese Formulierungen beziehen sich implizit auf Art. 3 der Verfassung.