Bericht und Antrag der Regierung an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein
zur Schaffung eines Gesetzes über die Erstellung, Kontrolle und Verbreitung des bei öffentlichen Angeboten von Wertpapieren zu veröffentlichenden Prospekts (Prospektgesetz)
1
Vaduz, 1. Oktober 1996
P
Sehr geehrter Herr Landtagspräsident
Sehr geehrte Frauen und Herren Abgeordnete
Die Regierung gestattet sich, dem Hohen Landtag nachstehenden Bericht und Antrag zum Erlass eines Gesetzes über die Erstellung, Kontrolle und Verbreitung des bei öffentlichen Angeboten von Wertpapieren zu veröffentlichenden Prospekts (Prospektgesetz) zu unterbreiten:
Nachdem Liechtenstein seit dem 1. Mai 1995 Mitglied des Europäischen Wirtschaftsraumes ist, hat es das EWR-Recht über den Acquis bzw. Zusatzacquis zu übernehmen und in die nationale Gesetzgebung zu überführen. Die notwendigen Rechtsänderungen und -ergänzungen waren auf das Datum des Inkrafttretens des EWR-Abkommens vorzunehmen. In einigen Bereichen bestehen Übergangsfristen.
Im Bereich von Börse und Wertpapierhandel muss nur ein Teil der Regelungen übernommen werden, da Liechtenstein über keine Börse verfügt. Ausserdem bestand eine Übergangsfrist bis zum 1.1.1996 für die Umsetzung derjenigen Bestimmungen, welche nicht direkt mit dem Betrieb einer Börse verbunden sind. Es sind dies alles Richtlinien, die sich an die Unternehmen direkt wenden und die
2
nicht nur im Sitzstaat der Börse durchgeführt werden müssen. Die Richtlinie 89/592 zur Koordinierung der Vorschriften betreffend Insider-Geschäfte wurde im Rahmen der Einführung eines neuen Strafgesetzbuchartikels umgesetzt. Die Richtlinie 88/627 über die bei Erwerb und Veräusserung einer bedeutenden Beteiligung an einer börsennotierten Gesellschaft zu veröffentlichenden Informationen wird im Rahmen eines Offenlegungsgesetzes, das sich derzeit im Landtag befindet, umgesetzt. Die Richtlinie 89/298 zur Koordinierung der Bedingungen für die Erstellung, Kontrolle und Verbreitung des Prospekts, der im Falle öffentlicher Angebote von Wertpapieren zu veröffentlichen ist, ist Gegenstand des vorliegenden Gesetzesentwurfes.
Der Erlass eines Prospektgesetzes ist nicht nur auf Grund des EWR-Beitrittes notwendig, sondern liegt auch im Interesse des Landes Liechtenstein und seines Finanzplatzes. Dadurch wird die für einen wirksamen Anleger- und Funktionsschutz notwendige Transparenz gefördert. Ein wirksamer Schutz der Anleger von Geldern in Wertpapieren erfordert wie jede andere Anlageform, die mit Risiken verbunden ist, dass die Anleger in die Lage versetzt werden, diese Risiken richtig einzuschätzen, damit sie ihre Anlageentscheide in voller Kenntnis der Sachlage treffen können. Eine richtige und umfassende Information bezüglich der Wertpapiere und der Emittenten gewährleistet diesen Schutz der Anleger. Eine solche Information trägt ebenfalls zur Stärkung des Vertrauens in Wertpapieranlagen und somit zum einwandfreien Funktionieren und zur Entwicklung der Wertpapiermärkte und des Finanzplatzes insgesamt bei.
Somit liegt dem vorgeschlagenen Gesetzesentwurf eine zweifache Zielsetzung zugrunde:
3
Es sollen zutreffende und vollständige Informationen in bezug auf Wertpapiere und ihre Emittenten wegen der Bedeutung für die Anlageentscheide allen Marktteilnehmern zugänglich gemacht werden.
Die zweite Zielsetzung ist die Umsetzung der europäischen Richtlinie 89/298 zur Koordinierung der Bedingungen für die Erstellung, Kontrolle und Verbreitung des Prospekts, der im Falle öffentlicher Angebote von Wertpapieren zu veröffentlichen ist.