Bericht und Antrag der Regierung an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein
betreffend die Abänderung des Strassenverkehrsgesetzes (Masse und Delegation)
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Vaduz, 1. Oktober 1996
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Sehr geehrter Herr Landtagspräsident
Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete
Die Regierung gestattet sich, dem Hohen Landtag nachstehenden Bericht und Antrag zur Abänderung des Strassenverkehrsgesetzes zu unterbreiten:
Jedes Jahr fahren Tausende ausländische Lastwagen, Anhängerzüge usw. aus den EU-Staaten, die nicht den liechtensteinischen Normen betreffend die Abmasse der Fahrzeuge entsprechen, in Liechtenstein ein. Das verkehrspolitische Klima zwischen Liechtenstein und den EU-Staaten würde wesentlich beeinträchtigt, wenn wir allen EU-Fahrzeugen, die nicht den liechtensteinischen Normen entsprechen, die Einfahrt verweigern wollten. Aus Gründen der rechtsgleichen Behandlung ist es kaum vertretbar, die ausländischen Fahrzeuge bei uns mit Abmessungen verkehren zu lassen, die den liechtensteinischen Fahrzeughaltern nicht bewilligt werden können.
Für die liechtensteinischen Fahrzeughalter ergeben sich aus der unterschiedlichen Regelung zwischen den liechtensteinischen und EU-Normen in zweifacher Hinsicht Probleme (Nachteile): Einerseits werden Lastwagen in der Regel aus dem EU-Raum bezogen. Aufgrund der unterschiedlichen Regelung werden die Auflieger und Anhänger, welche für Kunden in Liechtenstein und der Schweiz bestimmt sind, aus produktions-
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technischen Gründen speziell, d.h. ausserhalb der Serienfertigung, produziert. Dies bedeutet für den Hersteller einen erhöhten Kostenaufwand, je nach Typ und Ausführung von 2'500.-- bis 4'000.-- Franken, und für die Kunden entsprechend höhere Preise. Andererseits mussten liechtensteinische Unternehmer in der Praxis feststellen, dass sie bei bestimmten Gütertransporten (Containern etc.) aufgrund der unterschiedlichen Abmessungen nicht mitbieten können, da die europäischen Mitbewerber über bessere Ladekapazitäten aufgrund der divergierenden Abmessungen verfügen.
Aus Sicht des Gewerbes ist daher die Abänderung der Vorschriften über die Länge und Breite der Fahrzeuge für die Konkurrenzfähigkeit unabdingbar, zumal der Güterfernverkehr der liechtensteinischen Unternehmer zu 70% im oder durch den EU-Raum verläuft.
Gemäss den geltenden liechtensteinischen Bestimmungen darf die Breite der Fahrzeuge mit Ladung 2.50 m und bei dickwandigen Isotherm-Fahrzeugen 2.60 m nicht übersteigen (Art. 8 Abs. 2 SVG). Die Länge darf ohne Ladung bei Lastwagen, Gesellschaftswagen und Kleinbussen höchstens 12 m, bei Sattelmotorfahrzeugen höchstens 16.50 m, bei Anhängerzügen höchstens 18.35 m und bei Gelenkbussen höchstens 18 m betragen (Art. 8 Abs. 4 SVG).
Nach den EU-Vorschriften (Richtlinie 96/53/EU; beschlossen am 25. Juli 1996; veröffentlicht im Amtsblatt am 17. September 1996) darf die Breite der Fahrzeuge 2.55 m und bei Isotherm-Fahrzeugen 2.60 m betragen. Die Länge darf bei Kraftfahrzeugen und Anhängern höchstens 12 m, bei Sattelkraftfahrzeugen höchstens 16.50 m, bei Lastenzügen höchstens 18.75 m und bei Gelenkbussen höchstens 18 m betragen. Die neue Fahrzeugbreite von 2.55 m gilt jedoch schon seit einiger Zeit in Belgien, Dänemark, Deutschland, Frankreich (über Toleranz); in Schweden und Finnland ist sogar eine Fahrzeugbreite von 2.60 m zulässig. Auch ist zu erwähnen, dass von seiten Norwegens und Islands der Wille besteht, die EU-Richtlinie 96/53/EU zu übernehmen.
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Gegenüberstellung der Abmasse nach FL- und EU-Recht:
Breite
geltendes FL-Recht | EU-Normen |
normale Fahrzeuge | 2.50 m | normale Fahrzeuge | 2.55 m |
Isothermfahrzeuge | 2.60 m | Isothermfahrzeuge | 2.60 m |
Länge
geltendes FL-Recht | EU-Normen |
LKW, Gesellschaftswagen, Kleinbusse | 12 m | LKW, Anhänger | 12 m |
Sattelmotorfahrzeuge | 16.50 m | Sattelmotorfahrzeuge | 16.50 m |
Anhängerzüge | 18.35 m | Anhängerzüge | 18.75 m |
Gelenkbusse | 18 m | Gelenkbusse | 18 m |
Das Ressort Bauwesen beauftragte das Tiefbauamt mit der Abklärung der Frage, ob Fahrzeuge mit einer Fahrzeugbreite von 2.55 m auf unseren Strassen zugelassen werden können.
Gemäss den Normen der Vereinigung Schweizerischer Strassenfachleute, die auch bei uns als Grundlage für den Strassenbau dienen, muss die Strassenbreite für das Kreuzen von zwei Lastwagen von 2.50 m Breite im Innerortsbereich und bei einer zulässigen Innerortsgeschwindigkeit von 50 km/h 7,30 m betragen. Für den Ausserortsbereich wird bei einer Fahrzeugbreite von 2.50 m bei einer zulässigen Geschwindigkeit von 80 km/h eine Strassenbreite von 7.90 m verlangt.
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In Deutschland ist bei einer Fahrzeugbreite von 2.50 m für Bundesstrassen im Innerortsbereich eine minimale Fahrbahnbreite von 6.50 m erforderlich. Dabei sind folgende Bedingungen einzuhalten:
die Befahrbarkeit mit der innerorts zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h ist sicherzustellen;
unabhängig von der Stärke des Schwerverkehrs ist die Begegnung zweier LKWs mit uneingeschränktem Bewegungsspielraum zu gewährleisten;
von der Anlage von Senkrechtsparkständen, Fahrbahnanhebungen und von Fahrbahneinengungen auf weniger als 6.50 m ist abzusehen;
die Einhaltung der Funktion der Bundesstrassen für den weiträumigen Verkehr ist auch bei einem Umbau zu gewährleisten.
Im Ausserortsbereich (80 km/h) wird für eine zweispurige Strasse im Normalfall eine Fahrbahnbreite vom 8.00 m (mind. 7.00 m) gewählt.
In Österreich ist bei einer Schwerverkehrsfrequenz von mehr als 50 LKW und Bussen pro Stunde im Innerortsbereich (50 km/h) eine Fahrbahnbreite von 6.50 m, im Ausserortsbereich (80 km/h) eine Fahrbahnbreite vom 7.00 m erforderlich. In Bogen mit einem Radius kleiner als 200 m ist die Fahrbahnbreite zu vergrössern.
In Deutschland wie in Österreich werden auf den Strassen, die für eine Fahrzeugbreite von 2.50 m vorgesehen sind, Fahrzeuge mit einer Breite von 2.55 m zugelassen, ohne die Strassen zu verbreitern.
Orientiert man sich an den deutschen und österreichischen Normen betreffend die Strassenbreiten, so kann festgehalten werden, dass die liechtensteinischen Strassen - mit Ausnahme der Rheinstrasse zwischen Eschen und Nendeln, der Feldkircherstrasse, Friedhof-Lindenkreuzung, Schaan, und der Herrengasse in Vaduz - diesen Normen entsprechen.
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Bei diesen Strassenstrecken ergeben sich erst Probleme, wenn sich zwei Fahrzeug mit einer Breite von 2.55 m kreuzen. In diesem Fall können die Fahrzeuglenker nicht die zulässige Höchstgeschwindigkeit fahren und haben entsprechend ihre Geschwindigkeit anzupassen, wozu sie aufgrund des Strassenverkehrsregeln auch verpflichtet sind. Hierzu sei nämlich angeführt, dass die Vorgabe von Höchstgeschwindigkeiten nicht bedeutet, dass diese Geschwindigkeiten wenn immer möglich zu erreichen sind; es sind keine Betriebsgeschwindigkeiten. Vielmehr gilt das Gebot nach Art. 30 SVG, wonach alle relevanten Umstände zu berücksichtigen sind (vgl. Rene Schaffhauser: Grundriss des schweizerischen Strassenverkehrsrechts, Band I: Verkehrszulassung und Verkehrsregeln, Bern 1984, N. 487). Es ist auch beabsichtigt, die LKW-Führer mit Signaltafeln auf die besondere Verkehrssituation aufmerksam zu machen.
Abschliessend sei angemerkt, dass schon heute ausländische LKWs mit einer Breite von 2.55 m und Isotherm-Fahrzeuge mit einer Breite von 2.60 m bei uns verkehren und dies bisher zu keinen Problemen geführt hat.