Berichte und Anträge
Regierungskanzlei (RK)
BuA - Nummer
1996 / 3
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Ein­lei­tung
1.Aus­gangs­lage
2.Ziele und Grund­züge des Gesetzesentwurfes
3.Ver­nehm­las­sung bei den Gemeinden
4.Per­so­nelle und finan­zi­elle Auswirkungen
5.Antrag
6.Erläu­te­rungen zu den Ein­zelnen Bestimmungen
I.All­ge­meines
II.Das Lan­desar­chiv
III.Ablie­fe­rungs­pflicht und Regis­tra­turen
VI.Schluss­bes­tim­mungen
7.Geset­zes­vor­lage
 
Bericht und Antrag der Regierung an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein
zur Schaffung eines Archivgesetzes
 
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Vaduz, 16. Januar 1996
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Sehr geehrter Herr Landtagspräsident
Sehr geehrte Frauen und Herren Abgeordnete
Die Regierung gestattet sich, dem Hohen Landtag nachfolgenden Bericht und Antrag betreffend zur Schaffung eines Archivgesetzes zu unterbreiten.
1.Ausgangslage
a) Bedeutung des Archivwesens
Die in den Archiven verwahrten Unterlagen sind eine unverzichtbare und unersetzliche Grundlage für die Erforschung der Vergangenheit. Die Unterlagen sichern die Kontinuität und die Rechtmässigkeit der öffentlichen Verwaltung sowie persönliche Ansprüche Privater an öffentliche Institutionen. Die Archive werden deshalb als Gedächtnis der Verwaltung, des Staates und der Gesellschaft bezeichnet. Die Unterlagen in den Archiven sind zumeist nur einmal überliefert und nicht mehrfach vorhanden. Archivgut dient aber nicht nur der historischen Forschung und der Sicherung der Kontinuität von Recht und Verwaltung, sondern auch der historisch-politischen Bildungsarbeit. Diese fördert das Verständnis für die geschichtlichen Voraussetzungen der Gegenwart und leistet damit einen wichtigen Beitrag zur verantwortungsbewussten politischen Mitwirkung der Bürgerinnen und Bürger. Archive dienen ebenfalls der Lokalgeschichte und Familienforschung, die Verständnis für den engeren Lebensraum wecken und die Identifika-
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tion des Einzelnen mit seiner unmittelbaren Umwelt stärken. Geschichtliche Erinnerung ist ein wichtiger Teil des Heimat- und Staatsbewusstseins.
 
b)
 
Aufgaben des Landesarchivs
Zentraler Auftrag des Landesarchivs ist es, die in Verwaltung und Rechtspflege anfallenden Unterlagen, die für den laufenden Geschäftsgang nicht mehr benötigt werden, aber wegen ihrer wissenschaftlichen, rechtlichen, administrativen, politischen, wirtschaftlichen oder technischen Bedeutung dauernd aufbewahrungswürdig sind, zu erfassen, zu verwahren und nutzbar zu machen. Die Voraussetzungen und Anforderungen zur Erfüllung dieses Auftrags haben sich in den letzten Jahrzehnten stark gewandelt.
Mit der Ausweitung der öffentlichen Aufgaben hat die Schriftgutproduktion lawinenartig zugenommen. Das 1961 errichtete und 1977 erweiterte Archivgebäude fasst das in der Verwaltung entstehende und abzuliefernde Schriftgut nicht mehr. Der Zufluss ins Archiv muss in Grenzen gehalten, auf Wesentliches beschränkt werden. Schriftgut, das offensichtlich keinen Aufbewahrungswert hat, soll schon gar nicht ins Archiv gelangen. Dies bedingt, dass die Anliegen des Archivs bereits bei den aktenproduzierenden Stellen berücksichtigt werden. Das Archiv muss die Schriftgutproduktion an der Quelle in seinem Sinne beeinflussen können.
Auch technisch sind, vor allem unter dem Einfluss der EDV, grosse Veränderungen eingetreten, nicht nur hinsichtlich des Archivgutes selbst sondern auch bezüglich dessen Ordnung und Erschliessung.
Der ständig weiter verästelte Verwaltungsapparat liess auch unterschiedliche Ordnungssysteme entstehen. Um aber eine kontinuierliche, rechtmässige und rechtsgleiche Verwaltungstätigkeit gewährleisten zu können, kommt der Steuerung der
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Informationsflüsse eine zentrale Bedeutung zu. Dabei spielt ein zeitgemässes Registraturwesen, dessen Kern ein einheitlicher Aktenplan für die gesamte Landesverwaltung bildet, eine herausragende Rolle. Ein solcher Plan ist nicht nur Grundlage für das Ordnen und Wiederauffinden von Akten, er dient darüber hinaus der Geschäftskontrolle, dem Datenschutz sowie der Selektion und langfristigen Sicherung des Schriftguts.
Angesichts des aufgezeigten Wandels im Bereich der staatlichen Schriftgutverwaltung gilt es, die Aufgaben und Tätigkeiten des Landesarchivs mit denen der Behörden und Dienststellen intensiver als bisher zu vernetzen und zu koordinieren.
Schliesslich sind als Folge der vermehrten Archivbenützung, insbesondere des stark gestiegenen Interesses an der neueren und neuesten Geschichte, die Anliegen und Probleme des Datenschutzes gewachsen. Es geht darum, einerseits die Auskunfts- und Einsichtswünsche der Benützer zu berücksichtigen, andererseits die schutzwürdigen Interessen derjenigen zu wahren, deren personenbezogene Daten in den Unterlagen des Archivs enthalten sind.
 
c)
 
Rechtliche Grundlagen des Archivwesens
Für das liechtensteinische Archivwesen bestehen bis heute nur wenige Rechtsnormen. Das staatliche Archivwesen ist nicht durch Gesetz sondern lediglich durch die Verordnung vom 2. Dezember 1975 über das Landesarchiv (LGBl. 1976, Nr. 2) geregelt, ergänzt durch die Kundmachung vom 17. Juni 1984 (LGBl. 1984, Nr. 33). Aufgrund von Artikel 15 der Verordnung über das Landesarchiv erliess das Landesarchiv mit Genehmigung der Regierung eine Benützungsordnung (21. März 1983) und Richtlinien über die Abgabe und Aufbewahrung von Schriftgut (17. Juli 1984 / 9. Dezember 1986). Am 10. Januar 1995 regelte die
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Regierung mittels Verordnung die Führung der Registraturen in der Liechtensteinischen Landesverwaltung (LGBl. 1995, Nr. 117). Gleichzeitig wurde ein einheitlicher Aktenplan eingeführt. Mit der erwähnten Verordnung wurden die Ablieferungsrichtlinien vom 9. Dezember 1986 ersetzt.
In mehreren Gesetzen finden sich zudem Einzelbestimmungen über Aktenführung, -registrierung und -aufbewahrung bei staatlichen Behörden und Dienststellen, so in der Geschäftsordnung der Regierung (LGBl. 1994, Nr. 14, Art. 25 und 26) und des Landgerichts (LGBl. 1970, Nr. 3, Art. 17-24), im Personen- und Gesellschaftsrecht (LGBl. 1926, Nr. 4, Art. 68 ff. betr. Zivilstandsregister) und im Statistikgesetz (LGBl. 1976, Nr. 44, Art. 9 und 10).
Das dem Landtag zugeleitete und in erster Lesung bereits behandelte Datenschutzgesetz tangiert den Bereich des Archivwesens in erheblichem Masse. Das Gesetz gibt zwar Personendaten grundsätzlich für die Forschung frei, verlangt aber, dass diese anonymisiert werden (Art. 13 und 22). Es enthält zudem noch einschränkendere Bestimmungen über "besonders schützenswerte Personendaten" (Art. 3 und 12). Unter solchen einschränkenden Bedingungen wäre historische Forschung, die zwangsläufig weitgehend personenbezogen sein muss, nicht mehr möglich. Deshalb enthält das Datenschutzgesetz einen Vorbehalt bezüglich der Archivierung (Art. 21). Der Vorbehalt befasst sich lediglich mit dem Teilaspekt der Anonymisierung und Vernichtung von Personendaten. Er nimmt Personendaten, die dem Landesarchiv abzuliefern sind, vom Anonymisierungs- resp. Vernichtungsgebot aus. Damit entsteht eine Lücke, die durch das derzeit geltende Archivrecht nur ungenügend ausgefüllt wird. Dort muss festgelegt werden, was in den Archiven anstelle der Schutzbestimmungen des Datenschutzgesetzes zugunsten des Persönlichkeitsschutzes gelten soll.
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Gemäss Gemeindegesetz (LGBl. 1960, Nr. 2, Art. 45) gehört die geordnete Archivierung zum Aufgabenbereich des Gemeindevorstehers. Ueber die Führung der Gemeindearchive hat die Regierung am 28. Februar 1957 ein Reglement erlassen (LGBl. 1957, Nr. 5).
Gestützt auf Artikel 7 des AHV-Gesetzes in der geltenden Fasssung gemäss LGBl. 1981, Nr. 66, der sinngemäss auch in der Invalidenversicherung (IV) und der Familienausgleichskasse (FAK) Anwendung findet, sowie aufgrund von Artikel 62 der Verordnung zum AHV-Gesetz in der geltenden Fassung gemäss LGBl. 1982, Nr. 35 hat der Verwaltungsrat der Anstalt Richtlinien über die Aktenaufbewahrung sowie -vernichtung erlassen. Artikel 4 des IV-Gesetzes (LGBl. 1982/36) zählt die Aufbewahrung und Vernichtung von Akten gemäss Reglement des Verwaltungsrates zu den Aufgaben des Sekretariats (lit. g und h). Die Gesetzgebung für die Anstalt Liechtensteinische Kraftwerke enthält keine Bestimmungen über die Archivierung. Diese Feststellung gilt auch für die öffentlich-rechtlichen Stiftungen Landesbibliothek, Landesmuseum, Staatliche Kunstsammlungen und Musikschule.
Mit dem im Jahre 1960 erfolgten Beitritt zur Konvention zum Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten, die am 14. Mai 1954 in Den Haag abgeschlossen wurde, ist das Fürstentum Liechtenstein Verpflichtungen eingegangen, die den Archivbereich wesentlich berühren (LGBl. 1960, Nr. 17). Als Vertragspartei ist Liechtenstein verpflichtet, schon in Friedenszeiten das auf seinem Gebiet befindliche Kulturgut zu sichern. Die Archive bergen wohl den bedeutendsten und aussagekräftigsten Teil des liechtensteinischen Kulturguts. Die genannte Sicherheitsverpflichtung muss daher im Archivrecht umschrieben und verankert werden. Mit der Pflicht zur Sicherung des Kulturgutes zu Friedenszeiten ist im Archivbereich vor allem die Sicherheitsverfilmung angesprochen. Liechtenstein hat noch kein Kulturgüterschutzgesetz, ein Entwurf ist in Vorbereitung.
LR-Systematik
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LGBl-Nummern
1997 / 215
Landtagssitzungen
23. Oktober 1997
16. April 1997
16. April 1997