Berichte und Anträge
Regierungskanzlei (RK)
BuA - Nummer
1997 / 10
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Ein­lei­tung
1.Ein­lei­tung
2.Aus­gangs­lage
2.1All­ge­meines zum Übereinkommen
2.2Inhalt und Ziele des Übereinkommens
2.3Haupt­be­stand­teile des Übereinkommens
2.4Anhänge des Übereinkommens
2.5Inter­na­tio­nale Regionalabkommen
3.Aus­wir­kungen des Übe­rein­kom­mens für Liechtenstein
3.1Das Inter­esse Liech­tens­teins an einem Bei­tritt zum Übereinkommen
3.2Per­so­nelle und finan­zi­elle Auswirkungen
4.Bezie­hungen zum Inter­na­tio­nalen Recht
5.Antrag
Grüner Teil
 
Bericht und Antrag  der Regierung an den  Landtag des Fürstentums Liechtenstein
betreffend das Übereinkommen zur Erhaltung der wandernden  wildlebenden Tierarten vom 23. Juni 1979
 
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Vaduz, 29. April 1997
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Sehr geehrter Herr Landtagspräsident
Sehr geehrte Frauen und Herren Abgeordnete
Die Regierung gestattet sich, dem Hohen Landtag nachstehend den Bericht und Antrag zum Übereinkommen zur Erhaltung der wandernden wildlebenden Tierarten vom 23. Juni 1979 zu unterbreiten.
1.Einleitung
Milliarden Tiere einer bisher nur annäherungsweise bekannten Zahl von Arten -grobe Schätzungen belaufen sich auf etwa zehntausend - bleiben während ihres Lebens nicht an ein und demselben Standort, sondern ziehen in regelmässigen zeitlichen Abständen über weite Strecken von der Stätte ihrer Geburt an andere Plätze und kehren wieder dorthin zurück. Zu verweisen ist beispielsweise auf die grösste Gruppe, die Zugvögel mit Störchen, Kranichen, Gänsen, Enten, Ibissen, Flamingos oder die Gruppe der Meeressäugetiere mit Walen, Delphinen, Robben, Seekühen oder die Gruppe der Reptilien mit den Meeresschildkröten sowie die Gruppe der Landsäugetiere mit den Fledermäusen oder Antilopen. Auch diverse Fischarten wandern, z.B. Seeforellen, Aale und Lachse, und Schmetterlingsarten wie der Monarchfalter in Nordamerika oder der Appollonfalter in Westeuropa. Tausende, bei manchen Arten Zehntausende von Kilometern liegen zwischen
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Sommer- und Winterquartieren oder Geburts- und Lebensrevieren. Die wandernden wildlebenden Tierarten benötigen somit für ihren Lebenszyklus Verbreitungsgebiete, die keine nationalen Grenzen kennen und sich über mehrere Kontinente erstrecken können. Das Wanderverhalten der einzelnen Arten ist auf den jeweils seit undenklichen Zeiten unveränderten artspezifischen Wanderwegen so verschieden wie die Lebensraumansprüche auf den einzelnen Stationen der Wanderungen.
Wanderungen sind für die einzelnen Tierarten sowohl mit Vor- als auch mit Nachteilen verbunden. Einerseits kann eine Tierart in Regionen Ressourcen saisonal nutzen, deren nachhaltige Nutzung anderweitig nicht möglich wäre. Andererseits bewirken diese Wanderungen eine biologische Abhängigkeit der Tiere von den Gebieten, die sie entlang ihres Wanderweges vorfinden. In zunehmendem Masse sind diese Wanderrouten von menschlichen Störungen verschiedenster Art bedroht und die Durchzugsgebiete beeinträchtigt oder gar zerstört. Die wandernden Tiere können auch Opfer natürlicher Gegebenheiten werden, etwa einer ungünstigen Witterung oder der Bedrängung durch andere Tierarten. Die wandernden Tierarten sind folglich sehr vielfältigen Gefährdungen ausgesetzt; vielen droht heute sogar die Ausrottung.
Trotz der Vielfalt der wandernden Tierarten, der Unterschiedlichkeit ihrer Wanderwege und Lebensraumansprüche ist ihnen einiges weitgehend gemeinsam:
Der wachsende Zugriff der Menschen auf die Naturräume wirkt sich besonders nachteilig auf die wandernden Arten aus. Die nutzungsbedingten Veränderungen im Mittelmeerraum beispielsweise, so die Trockenlegung von Feuchtgebieten oder die Bewässerung von Trockenzonen für deren agrarische Nutzung, die zunehmende Besiedlung von Gebieten, welche als Raststätten für durchziehende Vögel dienten, sowie der Verbrauch der immer knapper
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werdenden Süsswasserressourcen in den Trockenzonen der Sahara und des Sahelraumes drohen die Zugwege von einigen Milliarden Vögeln zu unterbrechen.
Egoistische, häufig nur gedankenlose Eingriffe in natürliche Abläufe oder Gegebenheiten bringen Bestände ganzer Arten oder Populationen in Gefahr. So werden z.B. wandernde Fische in den Flüssen durch Querdämme von ihren Laichplätzen abgeschnitten oder Robben und Delphine in einigen Meeresregionen von Fischern als Nahrungskonkurrenten systematisch getötet. Ziehende Wasservögel werden von Landwirten und Fischfarmern besonders in Rastgebieten beziehungsweise in denjenigen Gebieten, in denen sich die Vögel auf den Zugwegen infolge geographischer Gegebenheiten konzentrieren, als Schadvögel vernichtet. Die Nutzung der letzten Nistplätze der Meeresschildkröten für touristische Siedlungszwecke haben die Meeresschildkröten an den Rand des Aussterbens gebracht.
Die Einstellung zu den Erhaltungsbedürfnissen der freilebenden Tiere, insbesondere aber der wandernden, ist in den diversen Regionen sehr unterschiedlich ausgeprägt. Während in west- und nordwesteuropäischen Ländern Freiwillige die Nester von selten gewordenen Vögeln in den Nistzeiten bewachen, werden die Tiere auf ihrem Zug in einigen Mittelmeerländern in unkontrollierten Mengen abgeschossen.
Das Phänomen der Tierwanderungen, die Wanderwege der einzelnen Arten und ihre Lebensraumansprüche sind weitgehend unerforscht. Ebensowenig sind die Zusammenhänge zwischen wandernden Tierarten und der Vielfalt von Flora und Fauna bekannt. Der ökonomische Wert wandernder Tierarten für die Menschen, heute und in Zukunft, wie auch ihre ökologische Bedeutung als Indikatoren für die Makrovernetzung von Ökosystemen, für die Was-
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ser- und Luftverschmutzung, für eine umweltbelastende Agrarproduktion oder für den Verbrauch von Naturflächen sind heute noch nicht ansatzweise ausgelotet.
Das 1992 geschlossene globale Übereinkommen über die Biologische Vielfalt (der diesbezügliche Bericht und Antrag ist in Vorbereitung) tritt für die Erhaltung und nachhaltige Nutzung der biologischen Ressourcen zum Nutzen der Menschen ein. Es gewährleistet den Staaten, in denen diese Naturgüter heimisch sind, das alleinige Besitz- und Nutzungsrecht. Es liegt auf der Hand, dass für wandernde Arten nur ein gemeinsames Besitz- und Nutzungsrecht derjenigen Staaten, durch die sie wandern (sogenannte Arealstaaten), gelten kann und dass sich aus dem gemeinsamen Eigentum auch eine gemeinsame Schutz- und Erhaltungspflicht ergibt. Dies erfordert dann auch gemeinsame Massnahmen aller Staaten, in denen sich diese Tierarten aufhalten. An diesem Prüfstein des internationalen Artenschutzes wird sich letztlich zeigen, ob die weltweiten Bestrebungen zur Erhaltung der Artenvielfalt tatsächlich unterschiedlichste Nationalitäten an einen Tisch zu bringen vermögen und zum gemeinsamen verantwortungsvollen Handeln motivieren können.
LR-Systematik
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LGBl-Nummern
1998 / 156
Landtagssitzungen
18. Juni 1997